Ministeriumsbau in Stuttgart

Neun Millionen Glasmosaikfliesen an 5.650 Quadratmeter Fassade

Großbauten so zu planen, dass sie das menschliche Maß für Nutzer und Anwohner gleichermaßen wahren, nicht monoton sind, außerdem funktional und dann noch wenig Energie verbrauchen, ist keine leichte Aufgabe. Kommt dann noch eine mehr als schwierige städtebauliche Lage hinzu, grenzt es fast an ein Wunder, wenn das Ergebnis auch ästhetisch überzeugt. So geschehen ist dies in Stuttgart. Hier planten die Architekten vom Berliner Büro Volker Staab einen Verwaltungsbau für mehr als 600 Mitarbeiter von insgesamt drei Ministerien des Landes Baden-Württemberg.

Kastenfenster in liegendem Format gliedern die Fassade
Drei unterschiedlich proportionierte Atrien sind mit Kunstwerken in Form riesiger Ringe von Raik Elias bestückt
Der Haupteingang befindet sich auf der östlichen Längsseite an der Willy-Brand-Straße

Ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof liegt das lang gestreckte Gebäude an der stark befahrenen Willy-Brandt-Straße; nach Westen grenzt es mit seiner Rückseite an den Mittleren Schlossgarten. Auf einem 7.500 Quadratmeter großen, nach Norden sich verengenden Grundstück errichtet, beträgt seine Nutzfläche 19.500 Quadratmeter. Sie verteilen sich auf zwei unterirdische und sechs oberirdische Geschosse. Für die Architekten, die mit ihrem Entwurf bereits 2008 den zuvor ausgelobten Realisierungswettbewerb gewonnen hatten, war die größte Herausforderung, den 200 Meter langen Bau in fußgänger- und mitarbeiterverträgliche Proportionen zu gliedern und ihn außerdem ins städtebauliche Umfeld zu integrieren. Dazu staffelten sie ihn in sechs unterschiedlich große Abschnitte, deren Vor- und Rücksprünge ein abwechslungsreiches Gesamtbild ergeben.

Der Haupteingang befindet sich außermittig auf der östlichen Längsseite an der Willy-Brand-Straße. Linkerhand schließt ein Kopfbau an, der das südliche Ende des Gebäudes markiert und im Erdgeschoss und ersten Untergeschoss die öffentlichen Bereiche der Ministerien beherbergt. Dazu gehört das zentrale Foyer und ein Konferenz- und Veranstaltungsbereich mit eigenem Zugang an der Gebäudeschmalseite. Eine Tageseinrichtung zur Kinderbetreuung sowie eine Kantine sind ebenfalls vorhanden. Auf den übrigen Flächen sind neben rund 500 je 15 Quadratmeter großen Büroräumen die Lagezentren der Landesregierung, der Polizei und des Katastrophenschutzes angeordnet. Da für letztere höchste Sicherheitsanforderungen gelten, sind diese nur über Zugangsschleusen betretbar.

Im Inneren des Gebäudes sind den jeweiligen Abteilungen der Ministerien unterschiedlich proportionierte Atrien zugeordnet, die viel Tageslicht hereinlassen und die monotone Bürostruktur aufbrechen. Sie sind mit Kunstwerken in Form dreier riesiger Ringe von Raik Elias bestückt, die für eine zusätzliche Individualisierung sorgen und der Masse des Gebäudes entgegenwirken. In den ersten beiden Atrien lehnen sie an der Wand, im dritten hängt das Kunstobjekt hoch oben unter der Decke. Als Materialien prägen heller, sandgestrahlter Sichtbeton und geschliffener Estrich die Innenhöfe, die Böden der Büros sind mit Nadelfilz bedeckt, die der Flure mit Räuchereiche, die Wände sind mit zementgebundenen, matt lackierten Spanplatten verkleidet.

Die Fassade ist mit Kastenfenstern in liegendem Format bestückt, die teils über Eck verlaufen und mit Prallscheiben ausgestattet sind. Sie bieten erhöhten Schallschutz und sichern den individuell steuerbaren Sonnenschutz vor Wind und Wetter. Hinter den geschlossenen Wandflächen auf der Straßenseite sind jeweils die Treppenhäuser angeordnet.

Fliesen und Platten
Zunächst sollte das Bürogebäude mit Platten aus gepresstem Glasabfall bedeckt werden. Dies erwies sich jedoch als zu teuer und hätte außerdem sichtbare Fugen zur Folge gehabt. Stattdessen wählten die Planer Glasmosaikfliesen für die 5.650 Quadratmeter große, vorgehängte hinterlüftete Fassade. Die 23 x 23 Millimeter messenden Steinchen bestehen aus Floatglas. Rückseitig sind sie mit Farbpigmenten in acht unterschiedlichen Sandtönen beschichtet. Ihre leicht angeraute Oberfläche verstärkt die mineralische Erscheinung und verhindert eine glänzende Fassade. Die zementösen, zwei Millimeter breiten Fugen wurden in drei unterschiedlichen Helligkeiten ausgeführt.

Insgesamt schmücken rund neun Millionen Mosaiksteinchen die Fassade. Sie sind zu 24 unterschiedlichen, 30 x 30 Zentimeter großen Matten (à 144 Steinchen) zusammengesetzt. Kein Glasstein ist geschnitten, jeder hat seinen definierten Ort auf der Fassade. Auf der Baustelle wurden sie im Mattenverbund verlegt, an den Gebäudekanten sind sie auf Gehrung gefügt. 24 Glassteinmatten ergeben den Rapport, der nahtlos, über die Gebäudekanten einmal um das Haus verläuft.

Bautafel

Architekten: Staab Architekten, Berlin
Projektbeteiligte:
Boll und Partner, Stuttgart (Tragwerksplanung); Duschl Ingenieure, Rosenheim (Haustechnik Planung); Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg, Karlsruhe (Energieberatung); Halfkann + Kirchner, Erkelez (Brandschutz); Goldor, Maintal (Glasmosaik); Levin Monsigny Landschaftsarchitekten, Berlin (Außengestaltung)
Bauherr:
Baden-Württemberg Stiftung, Stuttgart
Nutzer:
Innenministerium; Ministerium für Umwelt-, Klima- und Energiewirtschaft; Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Fertigstellung: 2013
Standort:
Willy-Brandt-Straße 41, 70173 Stuttgart
Bildnachweis: Marcus Ebener Fotografie, Berlin

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