Minihaus Diogene auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein

Energieautarker Wohnhaus-Prototyp

Nachdem 1981 ein Brand den Großteil der Produktionsgebäude des Möbelherstellers Vitra zerstört hatte, entstand auf dem Firmengelände im Norden der südbadischen Stadt Weil am Rhein nach und nach der Vitra Campus. Das heterogene Ensemble besteht aus Bauten, die allesamt aus der Feder namhafter Architekten wie Sanaa, Álvaro Siza, Zaha Hadid, Tadao Andō oder Frank Gehry stammen. Am westlichen Rand des Areals, in Nachbarschaft zum Vitrahaus von Herzog & de Meuron, realisierte Renzo Piano ein winziges Wohnhaus namens Diogene. Der energieautarke, möblierte Prototyp erinnert auf den ersten Blick an einen kleinen Wohnwagen, und tatsächlich lässt er sich komplett zusammengebaut auf einen Lastwagen verladen und an einen beliebigen Ort transportieren.

Das Diogene-Haus befindet sich südlich des Vitrahauses von Herzog & de Meuron
Östlich des Hauses befindet sich der Dome nach Buckminster Fuller
Das Innere des Häuschens ist zweigeteilt: vorne ist der Schlaf- und Wohnbereich, dahinter befinden sich WC und Pantry

Das Haus ist nach dem griechischen Philosophen Diogenes benannt. Dieser soll seine Nächte gelegentlich in einer Tonne (oder in einem Fass) verbracht haben, weil er den weltlichen Luxus für überflüssig hielt. Auch in dem Minihaus mit Satteldach ist das Wohnen auf das Nötigste reduziert: Alle wichtigen Elemente sind auf einer Grundfläche von nur 7,50 m² untergebracht. Während der vordere Teil mit einer Schlafcouch und einem klappbaren Schreibtisch ausgestattet ist, befindet sich im hinteren Teil, abgetrennt durch eine Wand, das WC mit Dusche, gegenüber davon ist die Pantry. Zwei unterschiedlich große Fenster auf der einen Seite und ein drittes, eingelassen im Dach auf der gegenüberliegenden Seite, sorgen für die natürliche Belichtung des kleinen Wohnraumes.

Gebäudetechnik
Die konstruktiv-technische Ausführung folgt dem konzeptionellen Grundgedanken, möglichst effizient und nachhaltig mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Die tragenden Scheiben für Boden, Wände und Dachflächen bestehen aus 5,5 cm starken Brettsperrholzplatten, die von innen sichtbar bleiben. Die Dämmung erfolgte mit 3 cm dicken Vakuumpaneelen. Eine glatte Hülle aus zu 95% recyceltem, 2 mm dünnem Aluminiumblech schützt das Häuschen vor Witterungseinflüssen. Die dreifachverglasten Fenster sind rahmenlos ausgeführt und haben  einen Uw-Wert von 0,4 W/(m²K). Ein graues Außenrollo vor dem großen Fenster sowie zwei weitere, innenseitig angebrachte in einem kräftigen und einem hellen Orange dienen gleichermaßen dem Sicht- und dem Sonnenschutz.

Auf dem kleinen Satteldach befinden sich zwei polykristalline Photovoltaik-Module mit einer Gesamtfläche von 3,40 m². Mit einer Effizienz von 18% erzielen die Module eine Nennleistung von rund 400 Watt Peak. Drei Batterien auf der Unterseite des Häuschens können 7 kWh des erzeugten Stroms speichern – an bewölkten Tagen kann so eine Netzunabhängigkeit von drei bis fünf Tagen gewährleistet werden. Neben den PV-Modulen wurden auf einer 1,00 m² großen Fläche auch Vakuumröhrenkollektoren installiert. Sie dienen der solaren Warmwassererzeugung. Das damit erwärmte Wasser wird in einem Tank auf der gegenüberliegenden Dachseite gelagert – er hat ein Fassungsvermögen von 60 Liter. Den anfallenden Heizwärmebedarf deckt eine Luft/Luft-Wärmepumpe mit einer elektrischen Leistung von 1 kW. Angetrieben durch den selbst produzierten Strom, nutzt sie die thermische Energie der warmen, verbrauchten Raumluft, um die Frischluft vor dem Eintritt ins Gebäudeinnere zu erwärmen.

Das Minihaus ist mit einer strombetriebenen Komposttoilette ausgestattet, die ohne Wasser funktioniert. Die anfallenden Fäkalien (Urin und Exkremente) werden getrennt voneinander in Sammelbehältern aufgefangen, die mit Rindenmulch bzw. Stroh gefüllt sind. Hier werden sie für eine spätere Kompostierung aufbewahrt. Spezielle Hygieneklappen verschließen die Behälter, sodass die Geruchsbelastung minimiert wird. Durch das Auffangen der Fäkalien und deren spätere Kompostierung wird weder Wasser verbraucht noch Abwasser produziert. Zudem kann auf den Einsatz von Chemikalien verzichtet werden. Des Weiteren ist unterhalb des Häuschens eine Zisterne mit einem Volumen von 300 Litern aufgestellt, in der das am Haus anfallende Regenwasser gesammelt wird, das von einer Rinne in Bodenhöhe aufgefangen wird. Das Wasser wird innerhalb des Gebäudes zum Duschen, Händewaschen oder zum Abspülen genutzt. Ein weiterer Tank fängt das anfallende Grauwasser aus Pantry und Dusche wieder auf.

Bisher gibt es das autarke Diogene-Haus nur als Prototyp. Ab 2014 sollen aber drei verschiedene Varianten erhältlich sein – dann kann es als Gartenhäuschen oder Arbeitsplatz, fernab der Zivilisation, genutzt werden. „Diogene versorgt einen mit dem, was man wirklich braucht, und mit nichts sonst“ (Renzo Piano).

Bautafel

Architekten: Renzo Piano Building Workshop, Genua
Projektbeteiligte: Favero Milan, Mailand (Tragwerksplanung); Transsolar, Stuttgart (Nachhaltigkeitskonzept); Vaillant, Remscheid (Vakuumröhrenkollektoren); Dometic, Kopenhagen (Wärmepumpe)
Bauherr: Vitra, Weil am Rhein
Fertigstellung: 2013
Standort: Vitra Campus, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein
Bildnachweis: Vitra, Weil am Rhein und Renzo Piano Building Workshop, Genua

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