Mimikry-Fliesen

Holz-, Beton-, Metall- und Natursteinimitate

Seit dem Einzug des Laminats – also eines melaminharzbeschichteten Fotos auf einer preiswerten Trägerplatte – haben auch die Hersteller anderer Bodenbeläge mit mal mehr, mal weniger Erfolg versucht, Imitationen hochwertiger Materialien auf den Boden zu bringen. Neben dem Design-PVC und anderen elastischen Bodenbelägen tun sich hier insbesondere die keramischen Fliesen hervor. Während die Produzenten von Fliesen früher ausschließlich Natursteine nachzustellen versuchten, haben sie sich in den letzten Jahren vermehrt demselben Spielfeld gewidmet, auf dem sich auch Laminat, PVC und Co. tummeln: dem Holz.

Holz in der Dusche? Mit Fliesen kein Problem. Beispiel „Yellowstone“ von Roca mit rustikaler Maserung bedruckt und einem dielenähnlichen Format von 24,6 x 101 cm
Industrie Chic: 80 x 80 cm Fliesen der Serie Dust von Prozenza
Betonoptikfliesen von Coem

Und ebenso wie ihre Vorbilder schaffen es keramische Materialien mittlerweile zumindest optisch, einen echten Holzbelag täuschend ähnlich nachzuahmen. Wenn da nicht die verräterische Fuge wäre. Aber selbst diesem Nachteil kann mit einer Entkopplungsschicht zwischen Untergrund und Fliese abgeholfen werden. Diese fängt mögliche Spannungen ab und ermöglicht eine fugenlose Verlegung – vorausgesetzt, es werden exakt kalibrierte Fliesen eingesetzt und das hygienische Manko einer offenen Fuge hingenommen.

Das Formatdefizit hat sich inzwischen auch erledigt: Schmale Formate mit Längen von 120 cm hat jeder Holzoptik-Fliesenanbieter im Programm. Hinzu kommen neuerdings Längen bis 180 cm bei herkömmlich im Ein- oder Zweibrandverfahren trocken gepressten Fliesen, bis 200 cm bei einem Produzenten stranggepressten Materials und bis 360 cm bei Porzellankeramik. Insbesondere das neue stranggepresste Plattenmaterial eignet sich für die langen Schmalformate, bietet dieses doch dank der natürlichen, stark strukturierten Rückseitenbeschaffenheit optimale Verzahnungseigenschaften und hierdurch eine deutlich bessere Haftzugfestigkeit. Die im Vergleich zum klassischen Feinsteinzeug erheblich elastischeren, kalt extrudierten, leicht konvexen Fliesen legen sich dank ihrer Flexibilität mit ihrem Eigengewicht plan ins Kleberbett und werden mithilfe spezieller Fugenkreuze und darin eingeschobener Keile so lange auf den Untergrund gedrückt, bis der Fliesenkleber den Haftverbund mit dem Untergrund hergestellt hat.

Vorteile der Nachbildungen
Zudem gibt es durchaus auch Vorteile des Imitates gegenüber dem Original: So können beispielsweise mit Fliesen Holzoptiken geschaffen werden, die in der Natur gar nicht oder nur an ganz bestimmten Stellen vorkommen. Beispiele hierfür sind das Zedernholz am Boden antiker Tempelanlagen oder die verwitterten Schiffsplanken auf einem alten Segelschoner. Während Echtholz modischen Anforderungen zuliebe künstlich gealtert, abgenutzt, verfärbt oder gespachtelt werden muss, kann aus Keramik gleich das gewünschte Oberflächenbild hergestellt werden. Auch lassen sich Hölzer nachbilden, die besonders kostspielig, nachhaltig kaum zu bewirtschaften oder extrem problematisch bei der Verlegung sind – wie beispielsweise Mahagoni, Walnuss und Olive. Für Fliesen muss kein Baum gefällt werden. Außerdem zeigen ANAB- und LEED-zertifizierte Hersteller, dass sie in der Lage sind, ihre Fliesen umweltschonend herzustellen. Holzfliesen sind zudem für Feuchträume geeignet, nicht brennbar und besonders geeignet für hoch strapazierte Böden.

Ausgerechnet den Architekten, die sich normalerweise dem authentischen Material verschrieben haben und die daher Fake-Produkte scheuen wie der Teufel das Weihwasser, hat es eine der neuen keramischen Oberflächen ganz besonders angetan, die im weitesten Sinne ebenfalls ein Holz imitiert – nämlich das Verschalungsholz bei Betonarbeiten. Hatten sich schon von Anfang an die gut gemachten Betonoptiken der Keramikhersteller großer Beliebtheit bei den Planern erfreut, so geraten diese angesichts der Sichtbetonoptiken – die aussehen, als kämen sie aus einer sägerauen Brettschalung – geradezu ins Schwärmen.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Vorsicht ist indes geboten bei der Ausschreibung dieser Produkte im Objekt, da es sich längst nicht bei jeder der angebotenen Fliesen um durchgefärbtes Feinsteinzeug mit den erforderlichen technischen Eigenschaften handelt. Oft versuchen Hersteller mit irreführenden und fehlenden oder gar falschen Angaben, den Absatz ihrer Produkte zu forcieren. So sind beispielsweise momentan gleich mehrere neue „Betonoptiken“ erhältlich, die erst bei sehr genauem Hinsehen offenbaren, dass es sich nur um glasiertes Feinsteinzeug der Abriebgruppe 4 handelt. Eine derartige Vernebelungstaktik rächt sich im Schadensfall, oft mit verheerenden Folgen für alle Beteiligten.

Weitere Formen nachgeahmter Materialien sind textile Stoffe, Kork, Leder, Terracottafliesen und Metall. Bis auf letztgenanntes Material stellen sie eine Randerscheinung dar. Metallfliesen hingegen haben es zu einem gewissen Marktanteil gebracht. Eine Fliese, die aussieht als käme sie direkt vom Schrottplatz passt perfekt zum Industrial Chic mit Retrofeeling. Und auch eine Kupferfliese inklusive Patina wie von einem alten Kirchendach liegt in diesem Trend. Aber Achtung: Da die Hersteller echte Metallspäne in ihre Glasuren einarbeiten, können diese durchaus rosten. Das kann bereits bei der Verlegung zu unliebsamen Überraschungen führen – wenn nämlich die Metallanteile der Fliesen mit dem säurehaltigen Zementschleier-Entferner bei der Bauschlussreinigung reagieren. Auch ein nasser Schirmständer auf den Fliesen schafft nach kurzer Zeit irreversiblen echten Shabby-Look. Das Schlimmste dabei: Die Hersteller warnen meist nicht vor und nehmen sich im Schadenfall von den Problemen vor Ort nichts an; womit sie Handel, Verleger und Bauherr gleichermaßen im Regen stehen lassen.

Naturstein-Interpretationen
Schließlich dürfen in diesem Beitrag auch die nach wie vor verbreiteten Naturstein-Interpretationen keramischer Fertigung nicht unerwähnt bleiben. Auch hier haben die Produktionstechniken sich so weit perfektioniert, dass Original und „Fälschung“ voneinander nicht mehr unterschieden werden können, sobald das Material verbaut und die charakteristische Fliesenrückseite verschwunden ist.

Bereits unglasiertes technisches Feinsteinzeug wartet mit einer großen Oberflächenvielfalt auf, die der von Naturstein kaum nachsteht. So gibt es neben naturrauen, anpolierten und durchpolierten Fliesen mittlerweile auch Fliesen mit gehämmerter, gekrönelter, geschieferter, geflammter, scharrierter und gerillter Oberfläche. Diese Oberflächen entstehen durch den Einsatz von Press-Stempeln bei der Produktion; bei Naturstein-Imitaten sind die Vorlagen dafür von einer entsprechenden Naturstein-Fläche abgenommen. Eine besonders innovative Produktionsmethode erlaubt das Versetzen der Stempel bei jedem Pressvorgang, sodass jede Platte eine andere Struktur erhält. Ergänzend wird häufig noch das Injektionsverfahren eingesetzt. Dabei wird die Masse eingefärbt, teilweise werden verschiedenfarbige Massen gemischt. Durch Injektionen von Pigmenten und den Einsatz von Mischrahmen können beispielsweise Adern oder Algeneinschlüsse simuliert werden.

Bei glasiertem Feinsteinzeug kommt noch die Inkjet-Technologie hinzu, die entfernt an einen Tintenstrahldrucker erinnert, der das Foto eines Natursteines auf der Oberfläche einer Keramik reproduziert. Und hier schließt sich der Kreis zum Laminat. Allerdings sind bei Fliesen sogar Fotomotive – entweder auf einzelnen Fliesen oder als zusammenhängende Bilder auf kompletten Wandabwicklungen – möglich.

Informationen zu den originalen Oberflächen gibt es in anderen Baunetz Wissen-Lexika (siehe Surftipps).

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