Mehrfamilienhaus B35 in Zürich

Komlexes System zur Energiegewinnung und -speicherung

Auf einer Parzelle im Norden von Zürich, dort, wo früher ein Wasserreservoir zur Trinkwasserversorgung der Stadt stand, realisierten Agps Architekten das Mehrfamilienhaus B 35. Errichtet in einer Baulücke, fügt sich der schlicht gestaltete Betonbau in die Umgebungsbebauung aus der Gründerzeit ein. Anders als die zur Straße orientierten Nachbarhäuser steht das Gebäude quer zum Hang, wodurch sich die Giebelseite der Straße zuwendet. Die schräge Dachform bricht das kompakte Volumen des Baukörpers auf.

Das Innere der Geschosse
Mit seiner Höhe und Fassadengestaltung fügt sich der schlichte Betonbau in die Umgebungsbebauung der Gründerzeit ein
Die schräge Dachform löst das kompakte Gebäudevolumen auf

Rund drei Viertel des alten Wasserreservoirs wurden vor der Errichtung des Neubaus abgebrochen. Die verbleibenden Gebäudeteile integrierten die Architekten auf Wunsch des Bauherren in den Neubau. Dabei wurden die alten Mauern aus dem am Hang gelegenen Terrain herausgeschält, als Relikt früherer Zeiten sichtbar gemacht und als Stützmauern für den Neubau verwendet. Das Innere der einstigen Wasserlagerstätte ist geprägt durch zehn große Pilzkopfsäulen. Eine Öffnung in der Decke, durch die früher das Wasser in den Raum strömte, wurde zu einem Oberlicht umfunktioniert. Heute fungiert ein Großteil dieser Halle als Ausstellungsort für die am Bau beteiligten Gewerke. Im vorderen Bereich hat eine Firma der Eidgenössischen Technische Hochschule (ETH) Zürich ihren Platz gefunden.

Im Neubau sind drei Wohngeschosse um einen zentralen Erschließungsraum organisiert. Man betritt diesen über ein Entree, das durch ein rahmenloses Fenster belichtet wird. Da das Glas an der Außenseite der Fassade angebracht ist, entsteht eine tiefe Laibung, die als Sitzbank ausgebildet ist. In den Wohnungen legt sich jeweils ein großer Raum um den Erschließungskern. Dieser offene Bereich orientiert sich hauptsächlich zur Straße und ist mit Schränken und Möbeln ausgestattet, welche in die Wände des Kerns integriert wurden. Den Wohnungen sind private Außenräume auf unterschiedlichen Niveaus zugeordnet. Zwei großzügige Dachterrassen geben den Blick auf die Stadt und den Züricher See frei.

Nachhaltig Bauen
Die Betonaußenwände des Gebäudes sind hochwärmegedämmt und besitzen eine dunkle Oberfläche, die sich im Winter stark aufheizt. Auf diese Weise wird die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen minimiert und der Heizwärmebedarf verringert. Zwei Arten von Fenstern tragen ebenfalls zur Energieeinsparung bei: Die Flügelfenster mit Dreifach-Isolierung in den Wohn- und Schlafräumen und die festverglasten Elemente mit stark spiegelnder, grünlich schimmernder Sonnenschutzverglasung. Die Beschichtung der Scheiben filtert die roten und blauen Anteile des Lichtspektrums, wodurch das einfallende Licht einen Grünstich bekommt. Eine grüne Beschichtung wiederum filtert die störenden, grünen Anteile heraus, wodurch Tageslicht im gewohnten Farbspektrum entsteht. So lässt die Festverglasung wenig Wärme, dafür aber viel Licht ins Haus. Dies hat zur Folge, dass sich sowohl die Kühllast im Sommer als auch die Energie für Kunstlicht im Winter verringert.

Insgesamt wurde das Wohnhaus als Prototyp für CO₂-freies Bauen errichtet. Die Sonne liefert Energie für Heizung, Warmwasser und Strom. Auf einer 28 m² großen Dachfläche wurden Hybridkollektoren installiert, die zugleich Strom und Wärme produzieren. Gekühlt werden sie durch ein wassergefülltes, unter der Photovoltaik (PV)-Anlage angeordnetes Rohrsystem. Das Wasser entzieht den warmen Kollektoren thermische Energie, wird so auf etwa 30°C erwärmt und dann für die Wärmepumpen genutzt oder im Tiefenspeicher im Erdreich eingelagert.

Die produzierte Wärme der PV-Anlage wird über einen Wärmetauscher an eine von zwei Erdsonden abgegeben, in die Erde geleitet und dort gespeichert. Eine Sonde befindet sich in 380 Metern Tiefe (Umgebungstemperatur etwa 20°C), die andere in 100 Metern Tiefe (Umgebungstemperatur etwa 12°C). In einer Tiefe von 250 Metern wird die Sonnenenergie für den Winter „gelagert“. Dabei gelangt die durch die Sonne erwärmte Flüssigkeit über die Sonden in die Tiefe, und das Erdreich erwärmt sich. Im Winter wird diese Wärme als Ausgangsmedium für die Wärmepumpe genutzt. Im Sommer wiederum werden die Wohnräume mit kühlem Wasser, welches in den Rohren der Fußbodenheizung zirkuliert, angenehm temperiert. Dieses Wasser stammt aus der Erdsonde, die nicht so tief positioniert wurde. Beim Zirkulieren durch die Rohre erwärmt sich das Wasser abermals und wird über die Erdsonde in den oberen Teil des Erdspeichers übertragen. Niederhub-Wärmepumpen treiben die Zirkulation des Wassers an. Sie sind effizienter als handelsübliche Wärmepumpen, da sie weniger Strom benötigen, um mehr bzw. die gleiche Menge an Wärme zu erzeugen. Ausschlaggebend hierfür ist die geringe Temperaturdifferenz zwischen Ausgangstemperatur und gewünschter Temperatur.

Zur Lüftung der Räume sind die Systeme von Zu- und Abluft miteinander gekoppelt. Über eine sogenannte Airbox, die als eine Art Gitter-Membran in die Außenwand eingebaut ist, wird die frische Außenluft angesaugt und nach Bedarf über einen eingebauten Wärmetauscher erwärmt oder gekühlt. Die dazu benötigte Wärme kommt aus dem Heiz- bzw. Kühlkreislauf. Die vorkonditionierte Frischluft gelangt über ein ringförmiges Kanalsystem durch Bodenauslässe in die Wohnräume. Dabei wird die benötigte Luftmenge in Abhängigkeit vom CO₂-Gehalt der Luft von Sensoren bestimmt. Lüftungsöffnungen in den Bädern und Abzüge in den Küchen saugen die verbrauchte Luft ab. Über eine Kopplung mit der Airbox wird die selbe Menge an Frischluft wieder zugeführt. So muss insgesamt weniger Luft umgewälzt werden.

Bautafel

Architekten: Agps Architecture, Zürich
Projektbeteiligte: Johannes Leibundgut, Zürich (Projektleitung); Thomas Boyle, Zürich (Bauingenieur); Renokonzept, Zürich (Baleitung und  Kostenplanung); Emch, Winterthur/CH (Baumeister); Amstein und Walthert, Zürich (HLKS-Planung); Amann und Schmid, Uster/CH (Heizungsinstallation); Metteler Partner, Zürich (Elektro-Planung); Schibli, Zürich (Elektroinstallation); Huber, Herisau/CH (Schrägverglasung und Holzmetallfenster)
Bauherr: Hansjürg Leibundgut, Zürich
Fertigstellung: 2011
Standort: Bolleystraße 35, Zürich
Bildnachweis: Reinhard Zimmermann, Adliswil

Fachwissen zum Thema

Wer nachhaltig Bauen möchte, sollte Baustoffe wählen, die aus nachwachsenden, gut recyclebaren und lange verfügbaren Rohstoffen bestehen (Bild: Wasserstrichziegel).

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Eine Seite aus dem Energieausweis

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