Medizinische Fachbibliothek in Düsseldorf

Ort des Austausches, des Studiums und der Entwicklung

Mit seiner Hülle aus glänzenden Glasmosaiken, auf der sich Fensterbänder gleich Flüssen hinabschlängeln, sticht das Bibliotheksgebäude der Heinrich-Heine-Universität und des Universitätsklinikums Düsseldorf deutlich aus dem baulich heterogenen Umfeld des Campusgeländes hervor. Der turmartige Bau mit einer Höhe von 38,00 m entstand nach Plänen des Düsseldorfer Architekturbüros HPP und trägt den Namen Oase. Als ein „Ort des Austausches, des Studiums und der Entwicklung“, bietet er sowohl die Möglichkeit zur Begegnung als auch der Zurückgezogenheit für konzentriertes Arbeiten. Denn neben seiner Funktion als medizinische Fachbibliothek dient das Gebäude auch als Lern- und Kommunikationszentrum der Universität.

Die Fachbibliothek inmitten der aus den 1970er-Jahren stammenden Campusbauten
Die Fensterbänder erzeugen auf jeder Ebene eine andere Tageslichtstimmung
Das Gebäude bietet sowohl Flächen der Begegnung, als auch Rückzugsmöglichkeiten

Auf quadratischer Grundfläche von 22,40 m Kantenlänge bietet das Haus eine Nutzfläche von 3.033 m², verteilt auf acht Geschosse. Neben den obligatorischen Bibliothekseinrichtungen wie Lese- und Ausleihflächen, Arbeits- und Lernräumen, beherbergt es eine Cafeteria sowie großzügige Aufenthalts- und Veranstaltungsflächen. Wie die äußere Erscheinung, weist auch die offene Raumstruktur eine ungewöhnliche Kombinationen von streng geometrischen und amorph geschwungenen Formen auf. Ausgangspunkt der Innenraumgestaltung, dessen Konzept in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Silvia Pappa und UKW Innenarchitekten entwickelt wurde, bildeten die sich schlängelnden (kapillaren) Fensterbänder, die auf jeder Ebene eine andere Tageslichtstimmung erzeugen. Ebenfalls bestimmend für den Raumeindruck sind die zylinderförmigen, grün gestrichenen Kerne, die mit den sonderangefertigten Möbeln in Wellen- oder Amöbenform korrespondieren. Die verwendeten Materialien Sichtbeton, Epoxidharz, Holz, Glas- und Kunststoff in wässrigem Blau, Lila oder Magenta tragen zur außergewöhnlichen Ausstattung des Gebäudes bei.

An das Eingangsfoyer mit Infocounter und elektronischem Bibliothek-Sicherheitsgate schließen ein Café sowie der große Vortragssaal an. Auf den Ebenen 1 bis 4 befinden sich Fachschafts- und Lernräume, dazwischen laden freie Mittelzonen zum Aufenthalt ein. Auf der vierten Ebene befindet sich auch das Herzstück der Fachbibliothek: die Buchausleihe und -rückgabe, eine moderne Verbuchungs- und Rückgabetechnik mit vollautomatischer Rücksortierung. Ein E-Learning-Raum mit 30 Computerarbeitsplätzen, eine weitere Cafeteria sowie Büroräume für die Bibliotheksangestellten befinden sich ebenfalls hier. Während die unteren Geschosse ausschließlich über den Treppenhaus-, bzw. Aufzugskern erschlossen werden, verbinden zusätzlich offene Treppen die weiteren Bibliotheksgeschosse mit  offen gestalteten Lese- und Arbeitsbereichen sowie geschlossenen Gruppenräumen. Level 7 ist wie das Erdgeschoss ein Sondergeschoss mit einghängter offener Leseempore, weiteren Einzelarbeitsplätzen und Aufenthaltszonen. Darüber bildet eine Dachterrasse den oberen Abschluss. Von hier haben die Studierenden eine freien Blick auf das gesamte Campusgelände.

Bei der Konstruktion ließen sich die Planer von der Idee des „kapillaren Systems“ leiten, bei dem Außenwände, Decken, durchlaufende Stützen und Erschließungskerne als kraftschlüssiges System wirken. Dies erforderte eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Während die geschlossenen Fassadenelemente mit der hinterlüfteten Glasmosaikverkleidung durch die tragende Ortbetonkonstruktion vorgegeben waren, wurden die Fensterelemente mit dem grünlich eingefärbten Sonnenschutzglas entsprechend geometrisch definierter Radien millimetergenau angepasst und gefertigt.

Die Entwurfsaufgabe, ein Gebäude mit hohem Aufmerksamkeits- und Identifikationswert für eine lebendige Lehr- und Lernkultur der medizinischen Fakultät zu schaffen, ist den Architekten sowohl in der äußeren Erscheinung wie auch in den modernen Innenräumen gut gelungen und findet bei den Nutzern mit Sicherheit ebenfalls Gefallen.

Beton
Die massive Stahlbetonkonstruktion wurde in Ortbeton hergestellt. Die Wanddicken der unteren Geschosse betragen 40 cm, in den oberen Geschossen 30 cm. Die später mit Glas befüllten Flächen wurden mit vorgefertigten Holzhohlkästen offen gehalten, während die geschlossenen Flächen betoniert wurden. Die Decken sind mit den Fassadenelementen kraftschlüssig verbunden, indem die Deckenränder als Querriegel aufgekantet wurden. Die Höhe dieser Querriegel beträgt 30 cm, was der Höhe des Hohlraumbodens entspricht. Decken, Riegel und geschlossene Fassadenelemente wirken nach dem Verbund als Vierendeelträger, wofür die geschlossenen Fassadenflächen mindestens über drei Deckenränder reichen mussten. Durch Wiederholung der Elementgeometrie ließ sich die Fassadenkonstruktion optimieren.

Während des Bauprozesses waren vor allem die über mehrere Geschosse reichenden Fassadenelemente eine Herausforderung. Da sich ihre tragende Wirkung erst nach dem Aushärten einstellte, mussten sie im Anschluss an den Betoniervorgang ständig überwacht werden. Damit es in dieser Zeit nicht zu Verformungen kam, wurden die Decken in Abständen von 80 cm unterstützt, in einigen Bereichen und der Fassade sogar alle 40 cm. Um die Lasten im Gebäude und die Kosten zu reduzieren, entschied man sich nicht für schwere Fahrregalanlagen, sondern für leichtere Freihandmagazine und Leseinseln. Ebenso verzichtete man auf die Vorspannung der Betondecken, was einen freieren Umgang in der Grundrissgestaltung bedeutet hätte. Stattdessen kommen drei Stützen zum Einsatz, die als zusätzliche Auflagerpunkte für die Decken dienen. Zwei dieser Stützen reichen über die gesamte Gebäudehöhe, die dritte ist in den Bibliotheksgeschossen (4. bis 7. Geschoss) als Wandscheibe ausgeführt.

Gemäß den Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung wurden die geschlossenen Fassadenfelder mit der Glasmosaikverkleidung vor eine 18 cm starke mineralische Dämmung gehängt. Die inneren Wärmelasten werden durch eine Bauteilaktivierung in den Betondecken abgeführt, unterstützt von einer zentralen Lüftungsanlage. Diese befindet sich im Dachgeschoss und führt die Zuluft über die Kerne in den Doppelboden jeder Etage. Induktionsauslässe vor den Fenstern versorgen jeden Raum mit vortemperierter Frischluft. Vor direkter Sonneneinstrahlung schützen textile Vorhänge.

Bautafel

Architekten: HPP Hentrich-Petschnigg und Partner, Düsseldorf
Projektbeteiligte: Bollinger + Grohmann Ingenieure, Frankfurt (Tragwerksplanung), Winter Ingenieure, Düsseldorf (Technische Gebäudeausrüstung), FP Integrale Fassadenplanung, Gerhard Weber & Partner, Argenbühl (Fassadentechnik), Sto, Stühlingen (Fassadensystem); Peutz Consult, Düsseldorf (Akustik/Bauphysik), W. Prechler, Düsseldorf (Landschaftsplanung), AG Licht, Bonn (Lichtplanung), Arbeitsgemeinschaft Silvia Pappa, Düsseldorf und UKW Innenarchitekten, Krefeld (Innenarchitektur)
Bauherr: Universitätsklinikum Düsseldorf A.d.ö.R.
Standort: Campus des Universitätsklinikums, Düsseldorf
Fertigstellung: 2011
Bildnachweis: Jens Kirchner, Ralph Richter und Reiner Kaltenbach, alle Düsseldorf

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