Markthalle in Gent

Doppeltes Satteldach als holzverkleidetes Stahlfachwerk mit Glasdeckung

Jahrzehntelang klaffte im mittelalterlichen Stadtgrundriss im Zentrum von Gent eine Lücke: Große Teile der historischen Bebauung waren zwei Abrisswellen zum Opfer gefallen, eine fand in Vorbereitung der Weltausstellung 1913 statt, eine weitere folgte in den 1960er Jahren. Seitdem blieb der öffentliche Raum zwischen den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, der St.-Nikolaus-Kirche, dem Belfried (einem als Weltkulturerbe gelisteten Glockenturm) und der St.-Baafs-Kathedrale, undefiniert und diente zum Teil als Parkplatz. Aus zwei städtebaulichen Wettbewerben zur Neufassung und Wiederbelebung der Abfolge von Plätzen rund um die drei gotischen Monumente gingen schließlich die Genter Büros Robbrecht en Daem Architecten und Marie-José van Hee Architecten als Sieger hervor. Hauptelemente der nach ihrem gemeinsamen Entwurf realisierten Umgestaltung sind ein gegenüber dem Straßenverkehr abgesenkter, begrünter Platz zwischen St.-Nikolaus-Kirche und Belfried und die auf dessen Nordseite gelegene neue Markthalle.

Von innen sichtbare Zugbalken aus Lärchenholz steifen die Längswände aus
An den Schmalseiten entstanden spitze, holzverschalte Doppelgiebel
Hauptelemente der Umgestaltung sind ein gegenüber dem Straßenverkehr abgesenkter, begrünter Platz zwischen St.-Nikolaus-Kirche und Belfried und die auf dessen Nordseite gelegene neue Markthalle

„Halle“ bedeutet jedoch nicht, dass es sich um ein geschlossenes Gebäude handelt. Aus vier Betonsockeln steigt eine beidseitig mit Holz verkleidete Dachkonstruktion aus Stahl empor, die außen von Glasschindeln vor der Witterung geschützt wird. Die Konstruktion bildet zwei parallele, lang gestreckte Satteldächer mit gegenläufig ansteigenden Firsten. An den Schmalseiten entstanden spitze, holzverschalte Doppelgiebel. Das durch Schlitze in der Holzverkleidung lichtdurchlässige Dach überspannt eine offene Fläche von ca. 15,75 x 40 Meter. Es dient keinem singulären Zweck, vielmehr bietet es sowohl Platz für einen Schwatz unter Passanten oder eine kurze regengeschützte Rast als auch, seinem Namen entsprechend, für Märkte oder für kulturelle Veranstaltungen. Trotz ihrer eigenständigen Formgebung stellt die Markthalle Bezüge zur Umgebung her. So greift der Doppelgiebel die Dachform des benachbarten Rathauses auf, und die Firsthöhe sowie die Gebäudelänge und –breite sind den Proportionen der historischen Häuser angelehnt.

Unterhalb der Halle und dem darunter durchlaufenden, einheitlich neu gepflasterten Platz befinden sich ein Café, öffentliche Toiletten, ein Fahrradparkplatz sowie Künstlergarderoben für Aufführungen. Die unterirdischen Räume sind von dem abgesenkten neuen Platz namens The Green aus zugänglich, zu dem mehrere Treppen und Rampen hinabführen. Die Glasfassade des Cafés lässt sich vollständig zum Platz hin öffnen, die auskragende Platzdecke bildet eine Überdachung für die Café-Terrasse.

Dach
Die Dachkonstruktion gleicht einem auf vier Stahlbetonstützen aufgelagerten Brückenbau. Die Stützen sind in vier asymmetrische Betonvolumina eingearbeitet, die neben technischen Installationen auch Aufzüge enthalten. Ein Fachwerk aus Stahlprofilen bildet die Längswände. Die Aussteifung der Konstruktion erfolgt über das Fachwerk der Giebelwände, Zugbänder und Windrispen sowie von innen sichtbare Zugbalken aus Lärchenholz entlang den Längswänden. Die Kehle zwischen den beiden Satteldächern bildet ebenfalls ein Stahlträger. Die Sparren sind einerseits auf dem Kehlbalken, andererseits auf den Fachwerkwänden aufgelagert.

Das Stahlfachwerk ist auf seiner Innenseite mit 2.500 m² Eichenschalung verkleidet. Für die Außenseite des Daches wurde das tropische Holz Afrormosia verwendet. Eine Deckung aus überlappenden Glasschindeln auf Dach und Längsfassaden bildet eine transparente, das Holz schützende Schicht, die gleichzeitig Spiegelungen und Lichtbrechungen erzeugt. Die dahinterliegende Holzschalung wird von 1.600 vertikalen, einfachverglasten Lichtausschnitten durchbrochen. Die Gläser sind in vorgefertigte Stahlrahmen eingebaut, die sich nach außen verjüngen.

Bautafel

Architekt: Robbrecht en Daem Architecten und Marie-José van Hee Architecten, Gent
Projektbeteiligte: BAS / Dirk Jaspaert, Leuwen (Tragwerksplaner); Studiebureau Boydens, Brüssel (Technische Gebäudeausrüstung und Lichtplanung); Wirtz International, Schoten (Landschaftsarchitekten)
Bauherr: Stadt Gent
Fertigstellung: 2012
Standort: Emile Braunplein, Gent
Bildnachweis: Robbrecht en Daem Architecten, Gent und Marie-José van Hee Architecten, Gent; Fotos: Bert Callens, Gent / Tim Van de Velde, Brüssel

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