Lernzentrum und Café des Walmer Castles bei Deal

Ein Hauch von Tudor-Stil entlang der alten Gartenmauer

Das 1540 durch Heinrich VIII. errichtete Walmer Castle südlich der Stadt Deal, an der pittoresken Küstenlinie der Grafschaft Kent, ist seit dem frühen 18. Jahrhundert die offizielle Residenz des Inhabers des ältesten militärischen Amts in England. Amtsinhaber, also Lord Warden of the Cinque Ports, waren unter anderem schon Winston Churchill und Queen Mum. Heute werden die ehemalige Küstenbefestigung und die umliegenden Gärten auf dem elf Hektar großen Gelände durch die Non-Profit-Organisation English Heritage verwaltet. Jährlich ziehen Festung und Gärten rund 3.000 Besucherinnen und Besucher sowie Schülergruppen zu Seminaren, Naturtherapien und Wandertagen an, für die es jedoch bisher keine speziellen Räumlichkeiten gab. Aus diesem Grund schrieb die English Heritage 2017 einen Wettbewerb für ein neues Lernzentrum mit Café aus, den das Architekturbüro Adam Richards Architects für sich entscheiden konnte.

Lernzentrum, Café und Sanitäranlagen entstanden als Abfolge einzelner Baukörper entlang der bestehenden Gartenmauer, westlich der Festung (rechts im Bild).
Ein großes Fenster mit Tudorbogen auf der Südseite des Raumes, das an die Geschützöffnungen der Festung erinnert, prägt das Innere und Äußere der Architektur.
Das Lernzentrum bietet einen grossen multifunktionalen Raum.

Die Pläne des Büros sahen außerdem die Wiederanbindung der Gärten sowie die Umnutzung eines ehemaligen Kreidebruchs vor, der hundert Jahre lang für die Öffentlichkeit unzugänglich war. Lernzentrum, Café und Sanitäranlagen entstanden als Abfolge einzelner Baukörper entlang der bestehenden Gartenmauer, westlich des Schlosses. Das Lernzentrum ist ein skulpturales, eingeschossiges Gebäude mit einem flach geneigten, mit dunklen Zinkblechen belegten Dach, das sich etwas von der düsteren Anmutung der Tudor-Schlösser zu eigen macht. Dabei ist der Neubau zeitgenössisch gestaltet, jedoch mit subtilen Referenzen an die historische Umgebung. Sein graues Verblendmauerwerk bettet sich zwischen die beige-grauen Natursteine des Walmer Castle und die roten Backsteine der Nebengebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert.

Entlang der alten Gartenmauer

Das Lernzentrum besteht im Wesentlichen aus einem großen Raum und einem kleinen Anbau mit Foyer und einem einzelnen WC. Ein großes Fenster mit Tudorbogen auf der Südseite des Raumes, das an die Geschützöffnungen der Festung erinnert, prägt das Innere und Äußere der Architektur. Es rahmt den Blick auf den Gemüsegarten, und wurde von innen als große Ausstellungsvitrine mit der Natur als Exponat gestaltet. Dies solle eine kritische Distanz zwischen Betrachter und Landschaft herstellen, so die Architekten.

Nur ein paar Schritte entfernt, in einem umgestalteten, in Holzrahmenbauweise errichteten Gewächshaus ist das Café untergebracht. Es öffnet sich zu einer großen Terrasse mit Blick auf den Gemüsegarten. Ein niedriger, mit schwarzen Zinkblechen bekleideter Anbau mit auskragender Überdachung, der direkt an das Café anschließt und von der Gartenmauer begrenzt wird, beherbergt sämtliche Serviceräume wie Sanitäranlagen, Küche und Pflanzraum.

Neue Wege

Ein neuer Eingang in der Gartenmauer führt vom Besucherparkplatz zu dem offenen Hof zwischen Lernzentrum und Café. Die Architekten organisierten zudem die Erschließung eines Teils des Geländes neu, indem sie eine mit luftgetrocknetem Eichenholz bekleidete Treppe aus galvanisiertem Stahl in die Landschaft einfügten. Sie führt hinunter in den ehemaligen Steinbruch, der den Besuchern Rückzug bietet sowie einen Spielplatz für die Jüngeren. In dem Steinbruch wurde ein Garten angelegt, mit Pflanzen, die auf dem kalkhaltigen Boden optimal gedeihen können.

Kontinuität in Material und Handwerk

Die für das Bauprojekt verwendeten grauen Ziegel sind handgefertigt, ebenso wie die Steine der Gartenmauer und der historischen Nebengebäude. So entsteht eine Kontinuität der Baustoffe und ihrer Produktionsweise. Das Mauerwerk ist zweischalig ausgeführt, wobei die tragende, innere Schale aus Blocksteinmauerwerk aus Kalksandsteinen besteht. Für das Sichtmauerwerk verwendeten die Architekten wassergestrichene Kohlebrandziegel im Format 228 x 108 x 54 mm im mittleren Läuferverband. Der bogenförmige Fenstersturz wurde nicht gemauert, sondern als Betonfertigteil vorgefertigt und mit Verblendziegeln bekleidet.

Die Außenmauern stehen auf einem sandgestrahlten Betonsockel, der an manchen Stellen zu Sitzbänken auskragt. Der rohe Charakter des Betons mit den freigelegten Zuschlagsstoffen ist auch eine Referenz an die vielen Küstenschutzanlagen des 20. Jahrhunderts und die Kieselstrände dieser Orte. Das Material des Strands wird somit zum Sockel des neuen Gebäudes. -sh

Bautafel

Architekten: Adam Richards Architects, London/Sussex
Projektbeteiligte: Historic England, Swindon (Bauingenieur), Walker Construction, Spokane (Bauunternehmer), Martin Thomas Associates, Romsey (Gebäudeinstallationen), LUC, Worthing (Landschaftsarchitektur), Press and Starkey, Maidstone (Kostenplaner), Petersen Tegl, Broager (Ziegelhersteller)
Bauherr: English Heritage, Swindon und The National Lottery Heritage Fund, London
Fertigstellung: 2019
Standort: Kingsdown Road, Deal, Kent CT14 7LJ, England
Bildnachweis: Brotherton-Lock, London

Fachwissen zum Thema

Kalksandstein-Sichtmauerwerk am Fraunhofer Institut Kaiserslautern

Kalksandstein-Sichtmauerwerk am Fraunhofer Institut Kaiserslautern

Mauersteine

Kalksandsteine

Ein hoher Eisengehalt im verwendeten Ton führt bei den gebrannten Ziegeln zu der typisch roten Färbung

Ein hoher Eisengehalt im verwendeten Ton führt bei den gebrannten Ziegeln zu der typisch roten Färbung

Mauersteine

Mauerziegel

Mittlerer Läuferverband

Mittlerer Läuferverband

Planungsgrundlagen

Verbände und Verzahnung

Zweischalige Außenwand mit Vormauerschale

Zweischalige Außenwand mit Vormauerschale

Wand

Zweischalige Außenwände

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Mauerwerk sponsored by:
KS-ORIGINAL GmbH
Entenfangweg 15
30419 Hannover
www.ks-original.de