Laborgebäude der Hochschule Esslingen am Neckar

35 Demonstrations- und Lehranlagen versorgen Gebäude mit Energie

Bei der Ausbildung von Versorgungsingenieuren setzt die Hochschule Esslingen auf einen ganzheitlichen Ansatz. Neben theoretischem Wissen erwerben die Studierenden des Fachbereichs Gebäude-Energie-Umwelt auch praktische Fertigkeiten in der Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnik. Um Theorie und Praxis noch besser zu verzahnen, wurde der Hochschulcampus um ein neues Labor- und Werkstattgebäude erweitert, das auch Platz für gemeinsame Forschungsprojekte mit der Industrie bietet. Der 2.300 Quadratmeter große Neubau nach Plänen von Knoche Architekten ist umgeben von denkmalgeschützter Bausubstanz, die sich bis ins Mittelalter zurückdatieren lässt. Seitens der Planungsbehörden bestanden daher hohe Ansprüche an die städtebauliche Einfügung.

Um sensible Messungen im Gebäudeinnern nicht durch Sonnenlichteinfall zu beeinflussen, wurden die Außenwände weitgehend fensterlos gestaltet.
Die Fassade besteht aus vertikal angebrachten eloxierten Aluminiumtafeln mit unterschiedlichen Bronzetönen, die durch hervortretende Lisenen strukturiert werden.
Die Metallflächen sind mit einer individuellen Perforation in Form vertikaler Lochreihen mit unterschiedlichen Durchmessern versehen.

Spagat zwischen Tradition und Fortschritt

Aufgrund der beengten Grundstückssituation entwarfen die Planer einen unregelmäßigen, polygonalen Baukörper. Die Dachkonstruktion folgt der geknickten Kontur und besteht aus fünf Satteldächern mit traufständiger Anordnung. Dadurch entsteht eine Kleinteiligkeit, die mit der Umgebungsbebauung harmonisiert. Dazu trägt auch die hinterlüftete Metallfassade bei. Sie ist aus vertikal angebrachten eloxierten Aluminiumtafeln unterschiedlicher Breite konstruiert, die durch hervortretende Lisenen strukturiert werden. Die Höhe der einzelnen Bleche variiert in Abhängigkeit zur Breite.

Die Metallpaneele sind mit einer individuellen Perforation in Form vertikaler Lochreihen mit unterschiedlichen Durchmessern versehen und in verschiedenen Bronzetönen eingefärbt. Dies erzeugt je nach Sonnenstand und Betrachtungswinkel den Eindruck unterschiedlicher Tiefe. Um sensible thermische Messungen im Gebäudeinnern nicht durch Sonnenlichteinfall zu beeinflussen, wurden die Außenwände weitgehend fensterlos gestaltet. Durch die geringen Glasflächen verbunden mit einer guten Wärmedämmung ist der Wärme- und Kühlbedarf des Neubaus äußerst niedrig. Die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 werden um rund fünfzig Prozent unterschritten.

Das Gebäude ist in drei oberirdische Geschosse und eine Teilunterkellerung für Technik- und Lagerflächen aufgeteilt. Die Erschließung der Labore für die jeweiligen Fachbereiche Heizung, Lüftung, Kälte, Klima und Sanitär erfolgt über zwei Treppenhäuser auf der Ost- und Südseite sowie über ein zweigeschossiges Foyer auf der Nordostseite des Gebäudes. Die Gestaltung der Innenräume ordnet sich ganz der Funktion als Labor- und Versuchsfläche unter. Die Wände sind aus Sichtbeton, die Böden bestehen aus geschliffenem Estrich.

Gebäudetechnik: Komplette Palette an haustechnischen Anlagen

Das neue Laborgebäude ist mit 35 Versuchsständen zur Wärme-, Kälte und Stromerzeugung ausgestattet. Zu den Demonstrations- und Lehranlagen zählen Wärmepumpen, unterschiedliche Blockheizkraftwerke, ein Brennstoffzellenheizgerät, Heizkessel mit Messeinrichtungen für Wärme-, Abgas- und Energieströme, Kältemaschinen, Lüftungsgeräte sowie eine Klimakammer zur Visualisierung der Raumluftströmung. In die Decken der Laborräume ist eine Betonkernaktivierung zur Beheizung und Kühlung der Räume integriert. Auf Teilen des Dachs sind eine Photovoltaik-Hybrid-Anlage und eine Solarthermieanlage installiert. Einen Großteil des Foyers belegt ein Hallraum, in dem die Schallleistung, beispielsweise von Lüftungsgeräten, gemessen werden kann. Alle Rohre und Leitungen sind sichtbar verlegt. Die Installationen werden so für die Studierenden erlebbar und lassen sich außerdem bei Bedarf jederzeit ohne großen Aufwand verändern. Die Versuchsanlagen werden ergänzt durch eine IT-Infrastruktur und Geräte für die Gebäudeautomation sowie zum energetischen Monitoring des Gebäudes.

Selbstversorgung mit Strom- und Wärme

Sämtliche Demonstrationsanlagen dienen nicht nur als Lehr- und Versuchsobjekte für die Studierenden, sondern versorgen auch das Gebäude selbst. Im Mittelpunkt des Haustechnikkonzepts steht ein zehn Meter hoher, speziell angefertigter Pufferspeicher mit 30.000 Liter Fassungsvermögen. In ihn speisen alle Wärmeerzeuger ein. Eine Sole-Wasser-Wärmepumpe und die Solarkollektoren auf dem Dach sind so ausgelegt, dass sie den Wärmebedarf des Laborgebäudes nahezu vollständig decken. Zusätzlich wird Abwärme genutzt, die bei den Laborversuchen anfällt. Über den Pufferspeicher werden auch zwei benachbarte Gebäude der Hochschule mit beheizt. Eine auf dem Grundstück vorhandene Fernwärmeanbindung dient als zusätzliche Heizlösung, falls an besonders kalten Tagen Spitzenlasten abgedeckt werden müssen oder die anderen Wärmeerzeuger nicht in Betrieb sind. In leerem Zustand lässt sich der Pufferspeicher begehen, um gegebenenfalls Umbauten im Speicherinneren vorzunehmen.

Im Untergeschoss ist ein Eisspeicher mit vierzig Kubikmeter Volumen vorgesehen. Im Winter wird dem darin enthaltenen Wasser solange die gespeicherte Wärmeenergie entzogen, bis es gefriert. Der Phasenwechsel von Wasser zu Eis bringt einen zusätzlichen Energiegewinn, der ebenfalls zum Heizen genutzt wird. In den warmen Sommermonaten wird das Eis im Speicher für die Gebäudekühlung und für Laborversuche genutzt. Das Eis schmilzt nach und nach, bis letztlich nur noch Wasser im Speicher ist. Das System hat sich regeneriert und der Kreislauf beginnt erneut.

Die Be- und Entlüftung der Räume erfolgt über eine hocheffiziente Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Strom für den Betrieb der Lüftungs-, Kälte- und Heizanlagen sowie für die Beleuchtung liefern die Photovoltaikmodule auf dem Gebäudedach. Das Gebäude wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert und mit der Auszeichnung in Gold versehen.

Bautafel

Architekten: Knoche Architekten, Leipzig
Projektbeteiligte: Duschl Ingenieure, Rosenheim (Planung TGA), GBI Gackstatter Beratende Ingenieure, Stuttgart (Planung Elektrotechnik); Fischer Baustatik, Weinstadt (Tragwerksplanung); Seeberger + Partner IB, Bietigheim-Bissingen (Bauphysik); Hemminger IB (Vermessung)
Bauherr: Land Baden-Württemberg, vertreten durch den Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden Württemberg, Amt Ludwigsburg
Fertigstellung: 2017
Standort: Mühlstraße 16, 73728 Esslingen am Neckar
Bildnachweis: Knoche Architekten, Leipzig / Hochschule Esslingen

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