Kunstzentrum FRAC in Marseille

Flirrende Gebäudehülle aus vorgehängten emaillierten Glastafeln

Als eine der beiden Kulturhauptstädte Europas 2013 schmückt sich Marseille mit zahlreichen Neubauten für Kunst und Kultur. Die meisten davon entstanden im Umfeld des Vieux Port, dem weiträumigen Hafenbecken, mit dem sich die Metropole heute wieder zum Mittelmeer öffnet. Einen guten Kilometer nördlich davon, ebenfalls nicht weit vom Wasser entfernt, ist mit dem Kunstzentrum FRAC ein neues Gebäude für die Sammlung und Präsentation von Kunst entstanden. Die Institution wird vom Fonds Regional d’Art Contemporain (FRAC) geleitet – einer Organisation zur Förderung zeitgenössischer Kunst – und soll Werke aus der Region Provence-Alpes-Cote d’Azur zeigen.

Mit Rücksicht auf die umliegende Bebauung ist das Gebäude in der Seitenstraße dreigeschossig
Wie frei schwebende weiße Blätter umgeben die Glaspaneele das Gebäude
Auch in der Dunkelheit ist das Gebäude vom Boulevard Dunkerque weithin sichtbar

Entworfen wurde der Neubau vom japanischen Architekten Kengo Kuma. Sein Ziel war es, ein offen und transparent wirkendes Haus zu schaffen, in dem sich der öffentliche Raum nahtlos fortsetzt. Als Teil einer dreieckigen Blockrandbebauung erstreckt sich das Kunstzentrum entlang der kleinen Rue Vincent Leblanc und endet als Landmarke am Boulevard Dunkerque: Mit Rücksicht auf die umliegende Bebauung ist das Gebäude in der Seitenstraße in mehrere Volumen untergliedert und überwiegend dreigeschossig, zum Boulevard hingegen bildet es mit ingesamt fünf Geschossen eine markante Vertikale. Sie überragt die Nachbargebäude deutlich und ist vom Boulevard weithin sichtbar, vor allem dort, wo sich dieser vor dem Kunstzentrum zum Platz aufweitet.

Neben einem Café an der Blockecke öffnet sich der schwellenlose Zugang dem Besucher durch einen Versatz der erdgeschossigen Glasfassade. Der schmale Eingang verbreitert sich durch die ebenfalls verglaste Hofseite, wo ein vorgelagertes Wasserbecken zusätzliches Licht ins Innere spiegelt. Über ein helles Foyer mit Empfang und Shop erreicht man eine breite Treppe, die in den tiefer gelegenen Ausstellungssaal führt: ein schlichter weißer Raum, der die Dreiecksform des Blocks nachzeichnet. In einem weiteren Tiefgeschoss lagert das umfangreiche Depot.

Schlanke einläufige Treppen leiten in die Obergeschosse, in denen Ausstellungsräume unterschiedlichen Zuschnitts und das Centre de Ressources liegen. Kaum ein Geschoss gleicht dem anderen, die Höhen differieren je nach Nutzung. Im zweiten Obergeschoss gelangen die Besucher an der Spitze des Kunstzentrums wieder ins Freie: Hier ist eine große Loggia eingeschnitten, die nicht nur gerahmte Ausblicke in die Stadt bietet, sondern auch künstlerisch bespielt werden kann. Dass sie zudem einen Akzent im Stadtraum setzt, besagt die Bezeichnung Terrasse Urbaine. Auch die beiden Etagen darüber, ein Raum für Kunstpädagogik und ein weiterer Ausstellungssaal, sind öffentlich zugänglich. Böden und Decken werden von sichtbarem Beton, die Wände von flächigem Weiß bestimmt. Offen geführte Installationen unterstreichen den Werkstattcharakter. Das unterschiedlich einfallende Licht verändert die Räume in ihrer Wirkung.

Fassade
Für den hohen Wiedererkennungswert des Gebäudes sorgt nicht nur seine Höhe oder Positionierung an einem markanten Standort, sondern auch die Fassade. Von Hand emaillierte Glastafeln aus Einscheibensicherheitsglas umgeben das Gebäude wie weiße, frei schwebende Blätter. Sie wurden mittels Hinterschnittankern und Haltern aus Stabstahl in unterschiedlichen Winkeln und höhenversetzt auf einer verzinkten Stahlunterkonstruktion fixiert.

Die Glastafeln wirken wie eine Filterschicht, durch die man die dahinter liegende Außenwand erspäht. Diese besteht aus gedämmtem Beton oder Stahl und ist mit einem Witterungsschutz aus Faserzementplatten versehen. Die flirrende Schicht aus Glas verwischt Maßstab und Konturen des Gebäudes – und die Grenzen zwischen innen und außen. Damit ist ein Thema erkennbar, das den Architekten Kengo Kuma in der Transformation traditioneller japanischer Baukunst immer wieder beschäftigt. –pn

Bautafel

Architekten: Kengo Kuma and Associates, Tokio/Paris
Projektbeteiligte:
Toury Vallet, Marseille (Projektpartner), CEBAT ingénierie, Paris (Tragwerksplanung); Arcora, Arcueil; Emmanuel Barrois, Brioude (Fassade)
Bauherr:
Région Provence-Alpes-Cote d’Azur, AREA, Marseille
Fertigstellung:
2012
Standort:
20 Boulevard de Dunkerque, Marseille
Bildnachweis:
Erieta Attali, Athen/New York; Nicolas Waltefaugle, Besançon

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