Kultur- und Kreativzentrum in Barcelona

Denkmalgeschützte Mauerwerksbauten und orangefarbene Stahlträger

Barcelona 1929: Bei diesem Stichwort denken wir unmittelbar an die Weltausstellung und Mies van der Rohes Pavillon. Weniger klar vor Augen hat man vielleicht die Stadtentwicklungsprozesse, die mit der 1925 getroffenen Entscheidung, die Ausstellung in der katalonische Hauptstadt zu organisieren, für Barcelona einhergingen. U-Bahnlinien entstanden, der Bahnhof Barcelona-França wurde ausgebaut und der ehemalige Vorort Sants, der plötzlich zwischen Altstadt, Cerdàs Planstadtquadrate und das neue Ausstellungsgelände gerückt ­ist, wurde durch große Achsen überformt. Ein Lagerkomplex, 1926 hier entstanden, wurde 2018/19 in ein Kultur- und Kreativzentrum umgewandelt. LACOL, das Planungsteam des Projekts, hat selbst hier Quartier bezogen und ist wie das Zentrum insgesamt genossenschaftlich organisiert. Das denkmalgeschützte Ensemble teilt sich das Architekturbüro mit einem Menschenrechtsverein, weiteren Arbeitskollektiven aus den Bereichen Sprachunterricht, Direktjournalismus, Tontechnik und Webdesign sowie einem Buchladen, einem Bekleidungsgeschäft und einem Club mit Restaurant.

Das Ensemble von 1926 steht unter Denkmalschutz.
Die Hallen stehen versetzt auf dem unregelmäßigen Grundstück.
Hinzufügungen sind durch Materialkontraste ablesbar.

Der überwiegend zweigeschossige Gebäudekomplex gut sieben Fahrradminuten nordwestlich vom Mies-Pavillon bildet den Nordteil eines unregelmäßigen, trapezförmigen Blocks. Das Grundstück grenzt im Süden an eine drei- bis fünfgeschosssige Nachbarbebauung und an den übrigen Seiten an schmale Gassen, die sich an der Nordwestecke im spitzen Winkel schneiden. Im Laufe der Nutzungsgeschichte waren hier nach der anfänglichen Lagernutzung unter anderem eine katholische Schule und verschiedene Werkstätten für Markisen und Segel beheimatet. Durch mehrere Erweiterungen war schließlich die gesamte Grundstücksfläche überbaut worden.

Im ersten Konversionsschritt hat das Planungsteam die denkmalwerte Substanz freigestellt. Diese besteht aus drei unterschiedlich langen, rechteckigen Mauerwerkshallen mit flachen Holz-Satteldächern, die giebelständig nach Nordosten ausgerichtet sind, einem kleinen, zweigeschossigen Wohnbau an der Nordwestecke sowie einem schräg an die südliche Halle angesetzten, weiteren Hallenbau, der traufständig nach Osten ausgerichtet ist. Zwei schmale Zugänge zwischen den drei, mittlerweile komplett zweigeschossigen Hallen waren ebenfalls bis zu den Traufen überbaut und wurden durch zurückversetzte, voll verglaste Treppenhäuser ersetzt. Diese dienen gleichzeitig als Serverräume und haben zudem eine energetische und raumklimatische Funktion.

An der Westseite ergeben sich aus den Gebäude- und Grundstücksgeometrien zwei dreiecksförmige Öffnungen der schmalen Gasse mit schräg gestellten Giebeln, sowie eine Hofsituation, die durch einen kleinen Neubauteil nach Süden geschlossen wurde. Letzterer ist in seiner Höhe an die Nachbarbebauung angepasst und beherbergt auf drei geschossen Büro- und Besprechungsräume zuzüglich Technik und Dachterrasse. Laubengänge verbinden Neubau-Teil und Bestand. Im Neubau-Teil befindet sich die Sprachschule, in der östlichen, traufständigen Halle der Club mit Restaurant, während sich die Büros der weiteren Arbeitskollektive sowie Buchladen und Bekleidungsgeschäft auf die anderen drei Hallen verteilen. Der Innenhof soll noch begrünt werden und so einen Beitrag zum Mikroklima des Quartiers leisten. 
 
Fassade: Eine Mischung aus alt und neu
Die nach Nordosten ausgerichteten, historischen Blendgiebel verweisen mit Ritzquaderung, schlichten Gesimsen und Fensterfaschen noch auf die ursprüngliche Eingeschossigkeit, während die Fensterteilung die Lage einer eingezogenen Zwischendecke verrät. Der restauratorische Fassadenbefund hatte eine Überlagerung von Bauschmuckelementen der 1920er und 1940er-Jahre ergeben. Bei der Restaurierung entschied man sich für eine Rückführung auf die Zeitschicht von 1926. Die rückwärtigen nach Westen ausgerichteten Fassaden mit schlichtem Giebelgesims wurden glatt verputzt. Die Lochfenster verweisen hier auch von außen klar auf das zweite, von einer Kappendecke getragene Geschoss. Vor den graublau gefassten Holzfenstern wurden verzinkte Faltgitterläden angebracht. Durch Kalk- und Korkmörtel wurden die Außenwände isoliert, Wärmebrücken vermieden und eine hohe Wärmeträgheit im Inneren erreicht. Die asbesthaltige Faserzement-Deckung der flachen Satteldächer wurde durch verzinktes Wellblech ersetzt, die ursprünglichen Dachbalken in der Dämmebene wiederverwendet.

Die Neubaufassaden bestehen zum Teil aus unverputztem Betonstein-Mauerwerk, zum Teil aus einer orangefarben gefassten Stahlkonstruktion, die mit Holz-Glas-Elementen ausgefacht ist. Auch die Laubengänge und das offene Treppenhaus wurden in einer orangenen Stahlkonstruktion ausgeführt. Brüstungen und Treppenhausfassade bestehen aus verzinkten Stahlgitterrosten.

Bautafel

Architektur: Architektengenossenschaft LACOL, Barcelona
Projektbeteiligte: Vinclament, Barcelona (Bauleitung); Arkenova, Barcelona (Installationen); Àurea Acústica, Barcelona (Raumakustik); Societat Orgànica, Barcelona (Umweltconsulting); AE-T Ingeniería, Barcelona (Genehmigungsplanung); Chroma Restauració, Barcelona (Denkmalrestaurierung)
Bauherr/in: La Comunal, espai cultural cooperatiu, Barcelona
Fertigstellung: 2019
Standort: Riera d’Escuder 38, 08028 Barcelona, Spanien
Bildnachweis: Álvaro Valdecantos, Barcelona

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