Konzernzentrale in Bangkok

Terrassen im Großstadtdschungel

Reis wird nicht nur auf Feldern in der Ebene, sondern auch an steilen Hängen angebaut. Seit Jahrhunderten gehören Reisterrassen in Südostasien und China zum landschaftlichen Erscheinungsbild. Einige der treppenartig am Hang angelegten Äcker wurden als kostbare Relikte von bis zu 2.000 Jahre alten Kulturlandschaften von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

In Höhe, Form und Farbigkeit hebt sich das Bauwerk von seiner Umgebung ab.
Vorbild für den charakteristisch geschichteten Baukörper waren Reisterrassen.
Die Geschosse kragen über das jeweils darunter liegende abwechselnd in östliche und nördliche Richtung aus.

Dem thailändischen Planungsbüro Stu/D/O Architects dienten sie beim Entwurf eines Bürogebäudes in Bangkok als Inspiration. Das passt, denn es handelt sich bei dem auffällig geschichteten Neubau um den Hauptsitz eines im Landwirtschaftssektor tätigen Handelsunternehmens. Neben dem auffälligen Baukörper prägt eine Fassade mit Sonnenschutz aus holzfarbenen Aluminiumlamellen das Inter Crop Office. Letztere gehören zu einer Reihe von Maßnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes, mit denen das Gebäude passiv gekühlt wird.

Versetzte Geschossscheiben
Das sieben Geschosse zählende Gebäude verfügt über 3.500 Quadratmeter Gesamtnutzfläche. Es befindet sich inmitten eines Wohngebiets, aus dem es aufgrund seiner Höhe, Farbigkeit und Form herausragt. Ein großer Teil des 2.450 Quadratmeter großen Grundstücks wird als Zufahrt genutzt, denn das Gebäude ist von der Straße zurückversetzt. Im öffentlich zugänglichen Erdgeschoss befindet sich die Empfangshalle, darüber ein Bereich für Kunden sowie die Kantine. In den Obergeschossen zwei bis vier sind Büros untergebracht, darüber eine Ebene für Konferenzen und ganz oben schließlich die Etage mit Büros des Managements.

Form nach Vorschrift

Erd- und erstes Obergeschoss haben einen U-förmigen Grundriss und bilden auf der Ostseite einen Hof. Die darüber liegenden Geschosse haben rechteckige und L-förmige Grundrisse, die in Größe und Umriss variieren. Zusätzlich sind sie jeweils gegen die darunterliegende Ebene versetzt, sodass sie teilweise weit darüber hinaus auskragen. Demgegenüber werden freiliegende Geschossdecken als ausladende Terrassenflächen genutzt, die – üppig begrünt – das Gebäude auf ganzer Höhe umgeben. Ihre freie Zugänglichkeit soll den Gemeinschaftssinn der Belegschaft fördern. Vorbild für den Baukörper waren nicht nur die traditionsreichen Reisterrassen. Auch diverse Restriktionen am Standort führten zum eigentümlich verschachtelten Volumen. Die ungewöhnliche Grundstücksform, eine Bauhöhenbeschränkung sowie eine Vorgabe zu Staffelgeschossen flossen formgebend in den Entwurf ein.

Sonnenschutz: Aluminiumlamellen, Überkopfverschattung und natürlicher Sonnenschutz
Auch der Faktor Klima spiegelt sich im Entwurf wider. In Thailand ist es tropisch: Die Luftfeuchtigkeit ist hoch und in den Sommermonaten unterschreiten die Temperaturen tagsüber kaum jemals 30 Grad Celsius. Die vertikal angeordneten Lamellen sind einem Großteil der vollverglasten Fassade vorgeblendet. Ihre Pulverbeschichtung in einem Braunton erinnert an Holz und verleiht dem Gebäude ein scheinbar natürliches Äußeres. Aufgrund der klimatischen Bedingungen bestehen sie aus Aluminium, welches ungleich haltbarer ist als Holz.

Die Anzahl der Lamellen variiert je nach Gebäudeausrichtung. So verfügt die Ostfassade über mehr Lamellen als die Süd- und die Nordfassaden, die – aufgrund des Sonnenstandes – weniger direktem Tageslicht ausgesetzt sind. Die offene Struktur der Lamellenhülle ermöglicht eine stetige Durchlüftung des Gebäudes. Neben der Beschattung dienen die Lamellen auch als Sichtschutz gegenüber den benachbarten Wohnhäusern. Vor allem aber sollen sie sie dazu beitragen, die Abhängigkeit von Klimaanlagen erheblich zu verringern, indem sie den Innenraum vor Aufheizung durch direktes Sonnenlicht bewahren.

Gleiches bewirken auch die weit auskragenden Geschosse, die den darunterliegenden Terrassen und Fensterflächen – hier kann zumeist auf die Lamellenhülle verzichtet werden – als Überkopfverschattung dienen. Die Begrünung der „Reisterrassen“ auf jeder Etage trägt ebenfalls dazu bei, die Kühllast des Gebäudes zu mildern. Pflanzen dienen als natürliche Isolierung gegen den direkten Wärmegewinn. Über die Blätter verdunstet Wasser, wodurch Kälte entsteht. Dies führt zur Schaffung eines Mikroklimas für das Gebäude, das etwas kälter ist als der Rest der Stadt und der Entstehung von Hitzeinseln vorbeugen soll.

Bautafel

Architektur: Stu/D/O Architects, Bangkok
Projektbeteiligte: Apichart Srirojanapinyo, Chanasit Cholasuek, Supachart Boontang, Patompong Songpracha (Projektteam Stu/D/O); Field Landscape Studio, Bangkok (Landschaftsarchitektur); Wasan Thongpoon, Bangkok (Tragwerksplanung); MEE Consultants, Bangkok (Technische Beratung); Chaiwat Construction, Bangkok (Bauleitung)
Bauherrschaft: Inter Crop, Bangkok
Standort: 22 Rama 6 Road, Samsennai, Phyathai, Bangkok 10400, Thailand
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Chaovalith Poonphol, Bangkok; Stu/D/O, Bangkok

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Arten und Formen

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Materialien

Glas und Metall

Sonnenstandsberechnungen sind grundlegend, um Gebäudeausrichtung, Verschattung und Sonnenschutzelemnte planen zu können. Im Bild zu sehen ist das Hochhaus im Bremer Stadtteil Neue Vahr, dessen 189 Apartments alle der „Feierabendsonne“ zugewandt sind.

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Bauphysik

Sonnenstandsdiagramm

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