Kita und Ausstellungsraum in Winterthur

Tragendes Sichtmauerwerk aus Zementsteinen

Der Grüngürtel um die Altstadt von Winterthur umfasst nicht nur den Stadtgarten, sondern auch mehrere kleinere Villenparks. In prominenter Lage zwischen Theater und Kunstmuseum liegen die Villen „Sträuli“ und „Zur Klausen“ – repräsentative Bauten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhunderts – in einer solchen historischen, parkähnlichen Anlage. Darin beheimatet sind die Stiftung Sulzberg, die im Kulturbereich tätig ist, sowie die Buchmann-Kollbrunner Stiftung, die sich für geistig und körperlich behinderte Menschen engagiert. Sie haben ihre zwei benachbarten Parzellen zusammengelegt, um einen Wettbewerb für eine integrative Kindertagesstätte sowie einen Ausstellungsraum auszuschreiben, der vielseitig als Atelier, Galerie oder Performanceraum genutzt werden kann. Mit einem kreuzförmigen Grundriss, der sich umsichtig in das Ensemble aus Park und Villen einfügt, hatte das Winterthurer Architekturbüro Marazzi Reinhardt den Wettbewerb für sich entschieden.

Durch den kreuzförmigen Grundriss wirkt das Gebäude kleiner und passt sich so in die Situation zwischen den historischen Prachtvillen ein, ohne in Konkurrenz zu diesen zu treten.
Zwischen den vier Armen des Neubaus und dem Bestand formen sich Höfe, die von den Kindern der Kita oder vom Kulturbetrieb genutzt werden.
Zahlreiche, geschosshohe Verglasungen lassen viel Tageslicht in die Innenräume fallen und verbinden diese mit dem Außenraum.

Den Bestand in die Arme genommen

Um Platz für den Neubau zu schaffen, wurden das ursprüngliche Waschhaus und eine Garage abgerissen. Gestalterisch ordnet sich das flache, teilunterkellerte, ein- bis zweigeschossige Gebäude den historischen Prachtvillen unter. Um das umfangreiche Raumprogramm dennoch unterbringen zu können, entwickelten die Architekturschaffenden ein kreuzförmiges Volumen, dessen westlicher und östlicher Arm von der Mitte beider Grundstücke ausgehend tief in die in die Gartenanlage reichen und sich mit dieser verzahnen. Da aufgrund des ungewöhnlichen Grundrisses aber immer nur ein Teil des Gebäudes erfasst werden kann, scheint es deutlich kleiner als es tatsächlich ist.

Zwischen Bestand und Neubau entstehen dadurch hofartige Außenräume, die als Vorgarten und Spielplatz für die Kinder auf der einen Seite und als Kunsthof und Performancebühne auf der anderen Seite dienen. Ein umlaufendes Band aus Ortbeton zwischen erstem und zweitem Geschoss fungiert als verbindendes Element und hält die Arme optisch zusammen. Zugleich zeigt es durch variierende Höhen die unterschiedlichen Nutzungen im Erdgeschoss an.

Materialsichtigkeit als Gestaltungskonzept

Neben der besonderen Situation war auch das straffe Budget ein maßgeblicher Gestaltungsfaktor. Die Verantwortlichen machten jedoch aus der Not eine Tugend und versuchten gar nicht erst dies zu kaschieren, sondern entschieden sich bewusst für sichtbar belassene, einfache Materialien. Letztlich stärkte dies das Konzept und lässt den Bau gegenüber den Villen als „selbstbewusst zweitrangig“ in Erscheinung treten.

Das Erdgeschoss wurde aus unverputztem, zweischaligem Mauerwerk aus Zementsteinen im mittleren Läuferverband konstruiert. Die innere Schale des Mauerwerks hat eine Stärke von 15 cm, während die äußere Steinschicht 12 cm misst. Dazwischen befinden sich 16 cm dicke Steinwolle als Dämmschicht und eine Hinterlüftung von 5 cm Breite. Das Ortbetonband schließt das Stockwerk nach oben hin ab. Zahlreiche, geschosshohe Verglasungen lassen viel Tageslicht in die Innenräume und verbinden diese mit dem Außenraum.

Auf die Nord-Süd-Achse des Gebäudes, in welcher die Kita untergebracht ist, setzten Marazzi Reinhardt ein zweites Geschoss in Holzbauweise auf. Vor die thermische Gebäudehülle stellten sie eine Fassade aus vertikal angeordneten, sägerauen Tannenholzlamellen, die Licht und Einblicke ins Innere filtern. An der Südwest-Ecke entstand eine Loggia.

Innen wie außen

Auch in den Innenräumen wurden das raue, zementgraue Mauerwerk der Außen- und Zwischenwände sowie der Beton der Decken sichtbar belassen. Einbauten aus Eichenholz, die mit den hölzernen Fensterrahmen korrespondieren, fügen eine warme Note hinzu. In den Fluren wurden schwarz-weiße Fiesen in Terrazzooptik verlegt, in den anderen Räumen ein terrakottafarbener Linoleumboden. Der Ausstellungsraum, der einen Großteil des Ostflügels einnimmt, erhielt als einziger weiß verputzte Wände, sodass er für unterschiedlichste Zwecke genutzt werden kann. Im Obergeschoss ist die Holzkonstruktion an Wänden und Decken ebenfalls sichtbar geblieben.

Mit ihrem sensiblen Gespür für Material und Kontext zeigen die Architekturschaffenden, wie man mit raffinierten Lösungen zu einem gelungenen, vielseitigen Projekt gelangt, das trotz geringem Budget gestalterisch überzeugt. -sh

Bautafel

Architekten: Marazzi Reinhardt, Winterthur
Projektbeteiligte: Oberli Ingenieurbüro, Winterthur (Bauingenieur); Holzbaubüro, Winterthur (Holzbauingenieur); Scherler, Winterthur (Elektroingenieur); Russo, Winterthur (Haustechnikplaner); BWS Bauphysik, Winterthur (Bauphysik); Atelier Oriri, Buchsiten (Landschaftsbau)
Bauherrschaft: Buchmann-Kollbrunner Stiftung, Winterthur; Stiftung Sulzberg, Winterthur
Fertigstellung: 2020
Standort: Sträulistrasse 6 / Museumstrasse 60, 8400 Winterthur, Schweiz
Bildnachweis: Ladina Bischof, St. Gallen

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