Kindertagesstätte Rheindampfer in Bonn

Energieeffiziente, nachhaltige Holzbauweise

Geislar-West liegt ganz im Norden von Bonn, auf der dem Stadtzentrum gegenüberliegenden Rheinseite. Mit rund 130 Grundstücken ist es eines der größten Neubaugebiete der einstigen Bundeshauptstadt. Aufgrund der ruhigen Lage bei guter Verkehrsanbindung ist es für junge Familien attraktiv, sodass mit einem entsprechenden Betreuungsbedarf für Kinder zu rechnen war. Nach Plänen der Kölner rheintreuearchitekten entstand die vierzügige Kita Rheindampfer, ausgelegt für 52 Kinder in drei Gruppen.

Ostansicht und Eingangsseite
Ein Haus für jede Gruppe: Die Gruppen verfügen über individuelle Austritte zum Außengelände.
Durch verglaste Abschnitte mit Pfosten-Riegel-Fassade und spielerisch versetzte Fensteröffnungen gelangt viel Tageslicht in die Räume.

Ein Haus für jede Gruppe, ein Spielflur für alle

Grundlage der Planung war das „Bonner Modell”: ein städtisches Konzept, das durch modulare Konzeption eine schnelle, kostengünstige und effiziente Neuplanung von Kindertagesstätten ermöglichen soll und auf festgelegten Raumfolgen und -größen beruht. Diese übernahmen die Planerinnen und Planer als Stilmittel für die Architektur der eingeschossige Kindertagesstätte, die sich als eine Abfolge einzelner Baukörper darstellt. Gleichsam „Rücken and Rücken” sind die Gruppenbereiche aufgereiht: jede Gruppe in einem eigenen Haus aus zwei Teilen mit Pultdach – zusammengesetzten Bauklötzen ähnlich, die sich zu einem Werk fügen.

Zentrales Element ist der große Spielflur. Als Querverbindung erschließt er die einzelnen Gruppen- und Differenzierungsbereiche, bietet aber zugleich Platz zum Spielen und anderer Interaktion. Er ist gleichwertiger Bestandteil des Tagesablaufs von Kindern und Personal, neben den individuellen Gruppenräumen. Diese sind freundlich und hell gestaltet: Durch verglaste Abschnitte mit Pfosten-Riegel-Fassade und spielerisch versetzte Fensteröffnungen gelangt viel Tageslicht in die Räume. Auf abgehängte Decken wurde verzichtet; die warm anmutenden Oberflächen bestehen aus Gipsputz, Holz und Linoleum.

Bauphysikalische Aspekte: Innenraumklima, Wärme- und Schallschutz

Eine nachhaltige und kindgerechte Gebäudegestaltung war den Beteiligten wichtig. Die aufgereihten Einheiten sind in vorgefertigter Holzbauweise realisiert, was eine kurze Bauzeit ermöglichte. Das Material Holz sorgt für ein angenehmes Innenraumklima, die vertikale Holzverschalung der Fassaden für einen warmen, natürlichen Charakter in der Außenwahrnehmung.

In Zusammenarbeit mit Bauphysikern und den TGA-Fachplanern strebten die Architekten ein schlüssiges Gesamtkonzept hinsichtlich Energieeffizienz, gesundheitlichen Aspekten wie Schallschutz, sommerlichem Wärmeschutz und Schutz vor Kälte an, um Kindern, Erzieherinnen und Erziehern den täglichen Aufenthalt behaglich zu machen. Die für die Konstruktion und den Innenausbau verwendeten Materialien sollten schadstofffrei und recyclebar sein.

Energiestandard KfW-55 mit kontrollierter Lüftung

Mit dem Ziel, den KfW-55-Standard zu erreichen, wurde eine Luft-Wasser-Wärmepumpe in Verbindung mit einer kontrollierten Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingesetzt. Durch den hohen Anteil der Wärmerückgewinnung lassen sich Lüftungswärmeverluste erheblich reduzieren und ein behagliches Raumklima erzeugen. Im Sommer wird die Lüftungsanlage zudem zur Nachtauskühlung genutzt. Den gemäß EnEV notwendigen Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes erbrachten die Bauphysiker über eine thermische Simulation, bei der das Zusammenspiel von Fensterflächen, Verschattung, Speichermassen und Nachtlüftung detailliert berechnet und optimiert wurde.

Der energetisch hochwertige Energiestandard KfW-55 konnte mit den umfangreichen Maßnahmen sogar unterschritten werden. Der Jahres-Primärenergiebedarf liegt mit 141 kWh/(m²a) bei ca. 75% des Referenzwertes zum EnEV-Nachweis.

Dachdämmung aus Recyclingglas

Im Rahmen des angestrebten Energiestandards kam der Wärmedämmung der großen Dachflächen besondere Bedeutung zu. Innerhalb der Dachkonstruktion kommt eine Dämmung zum Einsatz, die überwiegend aus recyceltem Glas besteht. Die Schaumglasdämmung oberhalb der im Innenraum sichtbaren Sparren besteht zu über 60% aus wiederverwertetem Altglas, desweiteren aus natürlichen Materialien wie Sand, Dolomit und Kalk.

Ein großer Vorteil des Dämmstoffes ist dessen hohe Druckfestigkeit; zudem ist er wasser- und dampfdiffusionsdicht, nimmt also selbst keine Feuchtigkeit auf. Mit einem Lambdawert von λD = 0,036 W/(m·K) bietet das Material eine konstant hohe Wärmedämmleistung. Die Platten sind nicht brennbar (Brandschutzklasse A1) – ein wichtiger Aspekt bei einer öffentlichen Einrichtung.

Holzständerwände mit hohem Schallschutz

Für die Behaglichkeit des Spiel- und Arbeitsumfeldes in einer Kindertagesstätte sind Schallschutz und Raumakustik elementar, ihnen kommt also eine enorme Bedeutung zu. Ausgangspunkt für die beratenden Bauphysiker war die Gewährleistung einer Raumakustik in den Spielfluren und Gruppenräumen nach den hochwertigen Anforderungen für Inklusion entsprechend DIN 18041: Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung.

Über Simulationen des Schallverhaltens wurden die Anforderungen für die jeweiligen Innenwände einzeln ermittelt. Für den Aufbau der Holzständerwände war das Zusammenspiel von Schallschutzanforderungen, statisch notwendiger Aussteifung und raumakustisch wirksamer Wandbekleidung entscheidend und wurde individuell festgelegt. Im Ergebnis entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Wandaufbauten – teils aufwendig mit akustisch entkoppelten Vorsatzschalen – um ein angenehmes, gesundes Umfeld für Kinder und Erwachsene zu gewährleisten.

Bautafel

Architektur: rheintreuearchitekten, Köln; Ulrich Graffelder und Anne Koch
Projektbeteiligte: K. Holz, D. Jordan (Mitarbeiter);  Ingenieurbüro Peter Kraemer, Niederkassel (Tragwerksplanung); Henneker Zillinger Ingenieure, Bonn (Bauphysik); Lill und Sparla, Köln (Landschaftsplanung); Foamglas, Hilden (Hersteller Dachdämmung)
Bauherr: Städtisches Gebäudemanagement Bonn
Fertigstellung: 2019
Standort: Auf der Rötschen 76, 53225 Bonn
Bildnachweis: Patrik Prior, Köln

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