Kinder- und Familienzentrum Kifaz in Ludwigsburg

Fünf Satteldächer unter einem Dach

Der Neubau übernimmt die Traufhöhe des Bestandsgebäudes
Die Nordseite des neuen Kinder- und Familienzentrums öffnet sich mit großzügigen Fensterflächen zum bespielbaren Freigelände
Die Holzlamellen bilden einen Sonnenschutz für die Fensterflächen

Prägend für den Ludwigsburger Stadtteil Poppenweiler ist bis heute sein ländlicher Charakter mit Fachwerkhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. In deren Nachbarschaft befinden sich Liegenschaften und Gebäude für schulische und sportliche Aktivitäten, die im Sommer 2015 um ein Kinder- und Familienzentrum, kurz Kifaz, erweitert wurden. Für das Projekt erwarb die Stadt Ludwigsburg ein bestehendes Wohngebäude aus den 1990er Jahren. Dessen Platz reichte jedoch für das Vorhaben nicht aus, weshalb es um einen Neubau ergänzt wurde. Mit der Umsetzung des Projekts beauftragte man das Stuttgarter Architektenteam VON M, das ein modernes Gebäudeensemble in zurückgenommener Kubatur entwarf, das sich in die umgebende ländliche Architektur mit Bauernhöfen und Scheunen einfügt, indem es deren Elemente abstrahierend aufnimmt.

Zugunsten einer klaren und prägnanten Erscheinungsform wurde der bestehende Massivbau bis auf die tragende Substanz zurückgebaut und und tritt jetzt als solider Putzbau in Erscheinung. Die Fensteröffnungen wurden auf ein einheitliches, bodentiefes Format gebracht. Für den als Holzständerkonstruktion in Schottenbauweise umgesetzten Neubau übernahm man die Traufhöhe des Wohngebäudes. Die Wahl von Holz als Baustoff für die Konstruktion und die Fassadengestaltung mit einer Boden-Deckelschalung nimmt Bezug zu den landwirtschaftlichen Bauten der Region. Auch die fünf Einzelkubaturen, deren Segmente sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen, greifen die kleinteilige Baustruktur der Umgebung auf.

Die vertikale Holzlattung aus Fichte wird an der straßenseitig gelegenen Südfassade selbst vor den Fensteröffnungen als semipermeable Variante fortgeführt. Dies dient aber nicht der Abschottung nach außen, vielmehr bilden die Lamellen für die dahinter liegenden großformatigen Fenster einen außenliegenden Sonnenschutz. Von dem einfallenden Tageslicht profitieren der dahinterliegende, zum Teil in den Hang gegrabene, Erschließungsbereich sowie – dank verglaster Innenwände – auch die zur nördlichen Gartenseite ausgerichteten Gruppenräume. Die Holzlatten wurden mit einer Lasur behandelt, die das Vergrauen des Materials vorwegnimmt und somit optisch ein fließender Übergang zwischen Fassade und Dachbereich geschaffen.

Im Inneren des Kifaz-Gebäudeensembles wurden auf 1.425 Quadratmetern neben Funktionsräumen für die Betreuung von bis zu hundert Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren auch Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Beratung von Eltern geschaffen. Für das im Altbau angesiedelte Familienzentrum behielt man die vorhandenen Raumstrukturen größtenteils bei. Das bestehende Treppenhaus musste jedoch zugunsten eines neuen Erschließungskerns weichen. Dieser verbindet den Bestandsbau und den Neubau auf versetzten Ebenen miteinander. Dem Neubau vorbehalten sind die Bereiche für die Kinder. Hier finden sich auch die Aufenthaltsräume, die nicht nach Gruppen, sondern thematisch gegliedert sind. So gibt es u.a. einen Raum zum Spielen, einen für Theater und Kunst, einen fürs Werken.

Sämtliche Oberflächen wurden in hell lasierten Dreischichtplatten aus Fichte ausgeführt. Allein bei den Schlafkojen und den Sanitärräumen wurden farbig gestrichene Gipskartonplatten verwendet. Möbel und Einbauten wurden vom Architektenteam entworfen, weshalb es nicht verwundert, dass dabei mitunter die Kubatur des Gebäudes z.B. als Regal oder Kuschelecke in Häuschenform wieder auftaucht. Alle Räume sind zum Dach hin offen gestaltet, was die wechselnden Dachformen auch im Innern erlebbar macht. Drei Galerien im Dachgeschoss sind über einen Gang miteinander verbunden. Sie wurden in der Fläche so konzipiert, dass sie baurechtlich nicht als Dachgeschoss gewertet werden, was nicht zuletzt den Brandschutz vereinfacht.

Dach
Durch alternierende Dächer mit unterschiedlichen Neigungen entstand beim Neubau eine abwechslungsreiche Dachlandschaft, der diesen von den üblichen Satteldächern absetzt. Auch im Gebäudeinnern erzeugen die Dächer in den teilweise zweigeschossig angelegten und zum Dach hin offenen Räumlichkeiten interessante Raumwirkungen durch den Wechsel der Dachneigung und der Folge wiederkehrender Giebelflächen. Dach und Wand sind im Außenbereich optisch nicht klar voneinander abgegrenzt. Das Blech als Dacheindeckung wirkt vielmehr wie eine harmonische Fortsetzung der grau lasierten Holzoberflächen. Die Struktur der Boden-Deckelschalung wird im Dach durch die gewählte Trapezblechform weiter geführt.

Dachaufbau:

  • Trapezblecheindeckung
  • Hinterlüftung
  • Stehfalzeindeckung
  • Dämmung, 20 cm
  • Dampfsperre und Notdach
  • Brettsperrholzdecke, 18,6 cm
  • Abhangdecke, 1,5 cm

Bautafel

Architekten: VON M, Stuttgart
Projektbeteiligte: Ingenieurgemeinschaft Klein/Kubasch, Sachsenheim (Tragwerksplanung); IGP, Pforzheim (TGA); BBI Bayer Bauphysik, Fellbach (Bauphysik); Schmöller Brandschutz - Ingenieurbüro für bautechnischen Brandschutz, Leipzig (Brandschutz); Bauservice Vogt, Korb (Rohbauarbeiten); Holzbau Merkle, Bissingen / Teck (Holzbauarbeiten); Holzbau Link, Ludwigsburg (Vorhangfassade, Dach Altbau); Holzbau Hübner, Lößnitz (Fenster); Güther Metallbedachungen, Nürnberg (Metalldach); Tischlerei Dreier, Iffezheim (Tischlerarbeiten, Möbel); Heinz Lohmar GmbH, Hameln (Bodenbeläge); R.N. Estrichservice, Lichtenstein(Estricharbeiten)
Bauherr: Stadt Ludwigsburg, Hochbauamt
Fertigstellung: 2015
Standort:
Erdmannhäuser Straße 7, 71642 Ludwigsburg-Poppenweiler
Bildnachweis: Zooey Braun, Stuttgart

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