IOC-Hauptsitz in Lausanne
Nachhaltiger Neubau mit cleverem Energiekonzept
Zu einem gelungenen Entwurf gehört auch der respektvolle Umgang
mit dem gewachsenen, historischen Umfeld des zu schaffenden
Gebäudes. Da Raumprogramm oder verbaute Technik nicht die
Wahrnehmung der Architektur im Stadtraum bestimmen, ist es eine
besondere Entwurfsaufgabe, eine angemessene Eingliederung im
Kontext zu erreichen. Die Planenden von 3XN und Itten Brechbühl
sahen sich beim Hauptsitz des Internationalen Olympischen Komittees
(IOC) im historischen Park des Schlosses von Vidy in Lausanne mit
der Aufgabe konfrontiert, die geforderte Baumasse in Korrespondenz
mit dem altehrwürdigen Schloss auf dem Grundstück zu setzen. Das
Schloss, nur wenige Meter entfernt vom Genfer See, ist ein
historisches Denkmal, das parallel zum Neubau des IOC-Sitzes
umfassend denkmalschutzgerecht saniert wurde. Das
Planungskonsortium 3XN und Itten Brechbühl war 2014 aus einem
mehrstufigen Architekturwettbewerb hervorgegangen. Im Sommer 2016
begannen die Bauarbeiten, die Fertigstellung erfolgte im Juni
2019.
Olympische Werte transportieren
Das Olympische Haus, so der offizielle Titel, sollte nach
Wünschen der Bauherrschaft fünf wichtige Werte des globalen
olympischen Gedankens verkörpern: Bewegung, Transparenz,
Flexibilität, Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit. Die Architektur
ist damit aufgeladen: Das Planungsteam greift diese Motive in
Konstruktion, Technik und Büroorganisation mehrfach auf. So sind
die dynamisch geschwungenen Fassaden vom Boden bis in die oberste
Etage verglast, um Transparenz und Offenheit zu suggerieren und
eine Korrespondenz zwischen Innen- und Außenraum herzustellen. Das
lässt sich darauf zurückführen, dass die IOC selbst mit der
„Olympischen Agenda 2020“ in Zukunft mehr Transparenz, auch bei
seinen Entscheidungen zulassen will.
Treppenskulptur markiert Kommunikationszone
Die Fassade wirkt, als wäre sie in Bewegung. Ihre fließende Form
nimmt dem Olympischen Haus, trotz seiner beachtlichen Größe, die
Massivität auf dem Grundstück und symbolisiert die Dynamik des
Sports und der Olympischen Bewegung. Ein weiteres,
charakterbildendes Element ist die zentrale Treppenskulptur im
Innenraum. Als Referenz an die fünf Olympischen Ringe, schraubt sie
sich das lichtdurchflutete, kreisförmige Atrium mit 16m Durchmesser
über alle sechs Geschosse hinauf. Jede Treppe besteht aus zwei
halbkreisförmigen Läufen, die zu einem vollständigen Kreis
zusammengefügt die Geschosse über zwei Wege miteinander verbinden.
Die Bereiche um den Treppenraum fungieren als interne
Kommunikationszonen, die das Gemeinschaftsgefühl der insgesamt 500
Mitarbeiter fördern soll. So befinden sich hier Ausstellungs- und
Sitzungsräume sowie die Cafeteria.
Die Flexibilität im Inneren des IOC-Neubaus ist beispielhaft.
Durch das weitspannende Tragsystem mit nur wenigen statisch
notwendigen Stützen können sowohl Open-Space-Büros als auch
Zellenbüros und großzügige Gemeinschaftsflächen für die Mitarbeiter
geschaffen werde. Das Konzept soll auch in Zukunft ermöglichen, die
Büros, Konferenzbereiche und Freiflächen entsprechend veränderter
Anforderungen räumlich anzupassen. Flexibilität und Modularität
stehen hierbei im Vordergrund.
Nachhaltigkeit im Fokus
Das Betriebskonzept sieht vor, die CO2-Emissionen möglichst
gering zu halten. So wird das Gebäude weitestgehend mit
erneuerbaren Energien betrieben, bedient sich Systemen zur
Wärmerückgewinnung und nutzt das anfallende Regenwasser. Zur
Stromerzeugung wurde auf dem Dach mehr als 1.000 m² Fläche mit
Photovoltaikmodulen belegt. Hinzu kommt die Einbindung des Genfer
Sees: Über das Free-Cooling-Prinzip wird mittels Wärmepumpen und
Wärmetauscher das Seewasser aus 60 m Tiefe ganzjährig zur
Klimatisierung des Gebäudes genutzt. Neben LEED Platinum Standard
ist das Olympische Haus unter anderem mit dem Platin-Level des
strengen Schweizer Nachhaltigkeitssiegels SNBS
ausgezeichnet.
Fassade aus individuellen Einzelelementen fordert BIM-Einsatz
Die komplette Architekturplanung erfolgte bis zu einer Darstellung im Maßstab 1:50 in BIM. Dafür wurden vorab die BIM-Ziele definiert, die anschließend projektspezifisch in einem BIM-Projektabwicklungsplan festgehalten wurden. Hierbei ist es generell entscheidend, die Ziele, vor allem für die Betriebsphase konkret zu formulieren, um eine passende BIM-Struktur für das Projekt aufbauen zu können. In diesem Fall wäre allein die komplexe Geometrie der Fassade, die aus vielen individuellen Einzelteilen besteht, ohne den Einsatz digitaler Planungsmethoden nicht umsetzbar gewesen. Für die Produktion dieser Fassadenelemente und der Treppe im Innenraum flossen die BIM-Daten aus dem Modell direkt ins Werk.
Itten Brechbühl und 3XN arbeiteten zeitgleich mit bis zu 15 Personen in Kopenhagen und Lausanne am gleichen BIM-Modell. Hierzu wurden die Server mit einer VPN Leitung verbunden – das Modell wurde so quasi in Echtzeit zwischen Lausanne und Kopenhagen synchronisiert. Um eine büroübergreifende Bearbeitung möglich zu machen, erarbeiten beide Teams gemeinsam notwendige Modellierungsrichtlinien und Standards für den Daten- und Informationsaustausch. Die Arbeits- und Übergabeprozesse, Bauteilnomenklaturen und Standards für das Grafikrendering beim Olympischen Haus definierten sie vorab ebenfalls gemeinsam. Darüber hinaus wurden mithilfe von BIM Haustechnik und Statik im 3D-Modell koordiniert und alle Planungsdaten an die ausführenden Firmen weitergegeben. Auch Mengenermittlung, Kostenplanung und Ausschreibung konnten in den digitalen Planungsprozess integriert werden. -tw
Bautafel
Architektur: 3XN, Kopenhagen; Itten Brechbühl, Lausanne
Projektbeteiligte: Ingeni, Lausanne (Bauingenieure); Transsolar, Stuttgart, CSD Ingénieurs, Lausanne und ThemaVerde, Paris, Weinmann Energies, Echallens (Nachhaltigkeit); RESO, Prilly und Courdesse & Associès, Echallens (Vermesser); Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein (Fassadeningenieur); Frener und Reifer, Brixen (Fassade Obergeschosse Neubau); Roschmann, Gersthofen (Fassade Erdgeschoss); MAB, Morges (Elektroingenieur); Weinmann Energies, Echallens (HLKS Planung); D’Silence acoustique, Lausanne (Akustik Neubau); Architecture & Acoustique, Genf (Akustik Schloss); Ignis Salutem, St-Légier (Brandschutzsachverständiger) und Weinmann Energies (Sachverständiger Rauchabzugssysteme); Catherine Bonnet Workplaces, Lausanne (Arbeitsplatzstrategie); UXUS (Vorprojekt); Amsterdam und RBS GROUP, Mailand (Innenausstatter); Base design (Grafik Design); Schéma-Tec, Rolle (Kücheningenieur); IMMA Construction, Vevey (Planungsingenieur/Lean Construction); OMA Consulting, Chamby/Montreux (Baustellensicherheit); Hüsler & Associés, Lausanne (Landschaftsplaner); Rhino, Barcelona (3D-Modellierungssoftware in Entwurfsphase; Rhinoceros und Grasshopper); Revit, München (3D-Modellierungssoftware in Ausführungsplanung; Autodesk Revit und Navisworks); Marie Sallois (Leiterin des Programms); Thierry Tribolet (verantwortlich für den Betrieb der Gebäude); Nicolas Rogemond (Programm-Chef)
Bauherrschaft: Internationales Olympisches Komitee, Lausanne
Fertigstellung: 2019
Standort: Route de Vidy 9 und 11, 1006 Lausanne, Schweiz
Bildnachweis: International Olympic Committee (IOC); Adam Mørk / Luca Delachaux
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