Innenhofüberdachung für Universitätsbibliothek in Monterrey

Pause unterm Blätterdach

Herbst das ganze Jahr – das suggeriert die nachträglich eingebaute Innenhofüberdachung der 2017 eröffneten Bibliothek auf dem Campus der Universität Tecnológico de Monterrey in Mexiko. Um das Atrium nicht nur vor Regen und Wind zu schützen, sondern auch den Sonneneintrag zu verringern, wurde das Schutzdach aus Stahl und ETFE-Folie mit einem Blättermotiv bedruckt. Aus der Ferne betrachtet wirkt das filigrane Muster, als hätte ein herbstlicher Wind echtes Laub auf das Dach geweht. Benannt nach dem spanischen Wort für „Blatt“, wurde die ultraleichte Konstruktion La Hoja vom Chicagoer Architekturbüro FGP Atelier entwickelt.

Die Überdachung war notwendig geworden, weil Wind, Regen und Sonne den Ort zum Aufenthalt unattraktiv gemacht hatten.
Für den Entwurf der Bibliothek selbst zeichnet das amerikanische Architekturbüro Sasaki Associates verantwortlich.
Die geradlinige Architektur, in der Stein- und Glasflächen dominieren, wird im Innenhof durch eine Reihe von Brücken und Treppen aufgelockert.

Skurriles Zusatzelement

Für den Entwurf der Bibliothek zeichnet das US-amerikanische Architekturbüro Sasaki Associates verantwortlich. Die geradlinige Architektur, in der Stein- und Glasflächen dominieren, wird im Innenhof durch eine Reihe von Brücken und Treppen aufgelockert, die den Raum in verschiedenen Winkeln und über mehrere Ebenen durchqueren. Mit dem nachträglich ergänzten Dach wollte Francisco Gonzalez-Pulido von FGP dem Raum ein skurriles Element hinzufügen, das jedoch gleichzeitig die Kompositionslinien der Bestandsarchitektur aufnimmt. Das sollte dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Studierenden zu wecken, sodass der ehemalige Innenhof zu einem zentralen Treffpunkt auf dem Campus werden kann.

Ziel war es, in diesen zentralen Raum der Bibliothek eine ganzjährige Nutzung zu ermöglichen. Das Dach musste also neben Regen und Wind auch der sommerlichen Hitze standhalten. Der Hof war zuvor aufgrund der unangenehmen klimatischen Bedingungen nicht ausreichend genutzt worden. Mehr noch: Der Aufenthalt war zur Gefahr geworden, denn aufgrund der fehlenden Überdachung hatten Stürme das Gebäude in diesem Bereich wiederholt beschädigt.

Ultraleichtkonstruktion mit diagonaler Firstlinie

Die Konstruktion des etwa 600 Quadratmeter großen Daches besteht aus zwölf Stahlfachwerkträgern, die diagonal in Reihe gesetzt sind, sodass der Grundriss des Daches einem Parallelogramm entspricht. Der Grundriss des Hofes ist rechteckig, sodass das Dach übersteht und die zusätzliche Last auf einer größeren Fläche über die Mauern des Gebäudes abgetragen werden kann. Die zur Geometrie des Hofes diagonal ausgerichteten Fachwerkträger sind eine Antwort auf die Brücken und Treppenläufe, die den Hof auf mehreren Ebenen queren und in ihrem Verlauf die Dachstruktur komplementieren.

Die dreieckigen Traversen haben variierende Spitzpunkte, die auf einer diagonalen Linie von einer Ecke des Atriums zur anderen liegen. Ein langes Stahlelement, dass genau perpendikular zu den Traversen steht, verläuft an dieser Firstlinie. Die ETFE-Membran wurde entlang des Trapezumrisses über die Konstruktion gespannt. Ein Netzwerk von unterhalb der Membran angebrachten Spannkabeln versteift das Tragwerk zusätzlich.

Sonnenschutz: Blattmotiv mit artifizieller Willkür

ETFE-Verkleidungsmaterial eignet sich aufgrund des geringen Gewichts im Gegensatz zu Glas gut zur nachträglichen Überdachung eines natürlich belichteten Innenhofes, denn seine Transparenz erlaubt eine großzügige Tageslichtzufuhr. Um dem dadurch erhöhten Potenzial an Wärmegewinn im Raum durch eindringendes Sonnenlicht entgegenzuwirken, kann das Material bedruckt werden.

Bei der Gestaltung der spezifischen Membranbedruckung wurde eine Vielzahl möglicher Muster und Motive untersucht. Um Wind zu simulieren, der die Blätter über die Dachoberfläche bläst, wurden Computerprogramme mit parametrischen Modellierungswerkzeugen verwendet. Die so hergestellte artifizielle Zufälligkeit verstärkt den Eindruck, es handele sich bei den weißen Motiven um echte Blätter. Im Digitaldruckverfahren wurden die so erstellten, scheinbar willkürlichen Muster auf die Membran übertragen.

Inspiration für das Blattmotiv war die üppige Vegetation auf dem Campus. Sogar zur Motivation der Studierenden soll das Design symbolisch beitragen: So sollen die scheinbar soeben herabgefallenen Blätter den Herbst simulieren, die Zeit im Jahr, in der die Studierenden erwartungsvoll und positiv in das neue Semester starten. Durch die Transparenz der ultraleichten Konstruktion erzeugen die Blattmotive ein Schattenmuster auf den darunterliegenden Gebäudeteilen, das sich den Tag über verändert. Den Studierenden, die hier viel Zeit zum Lernen verbringen, sollen die durch den Sonnenlauf wandernden Schatten ein natürliches Zeitgefühl vermitteln. -sr

Bautafel

Architektur: FGP Atelier, Chicago
Projektteam: Francisco Gonzalez Pulido, Matthew Stymiest, Joseph Larson Billeaud, Danilo Medina
Projektbeteiligte: Werner Sobeck, Stuttgart (Tragwerksplanung); Dünn Lightweight Structures, Pto. Vallarta / Guadalajara (Bauleitung); Delectric, Neuenhof (Elektroplanung); Nowofol, Siegsdorf (ETFE-Folie)
Bauherrschaft: Tecnológico de Monterrey (Monterrey Tec)
Fertigstellung: 2019
Standort: Av. Eugenio Garza Sada 2501 Sur, Tecnológico, 64849 Monterrey, N.L., Mexiko
Bildnachweis: Rafael Gamo, Mexiko-Stadt / New York

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