Hotel des European Southern Observatory am Cerro Paranal/RCH

Oase unter großer Kuppel

Auf dem Gipfel des Cerro Paranal in der chilenischen Atacamawüste errichtete die ESO - Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre - in etwa 2.600 m Höhe das sogenannte Very Large Telescope. Mit ihm sind astronomische Beobachtungen in einem vorher nicht gekannten Ausmaß und Genauigkeitsgrad möglich.

Fassade in rötlich eingefärbtem Sichtbeton

Im Zusammenhang mit diesem Projekt benötigen die etwa 100 Wissenschaftler und Techniker, die hier jeweils rotierend arbeiten, für die Zeit ihres Aufenthaltes unter außergewöhnlichen Bedingungen mit intensiver Solarstrahlung, extremer Trockenheit und abseits jeglicher Zivilisation, eine Unterkunft. Diese muss die notwendige Regeneration zwischen den anstrengenden Arbeitsphasen ermöglichen und im Sinne einer „Oase" die notwendigen Annehmlichkeiten bieten.

Unter dem Arbeitstitel Architecture as Land Art spannt sich die Hotelanlage als künstliche Stützmauer zwischen die Flanken einer Geländemulde, auf diese Weise den unverbauten Horizont bis zum Pazifik respektierend. Das Bauwerk ist durchgehend aus in den Tönen der Wüste eingefärbtem Sichtbeton errichtet. Der zentrale Aufenthalts- und Erholungsbereich wird von einer flach gewölbten Stahlgitterkuppel überspannt. In die Geländeoberfläche sind begrünte Höfe eingestanzt. Sie dienen der Regulierung des Feuchtehaushaltes.

Flachdach
Der flache Bau wurde aufgrund der hohen seismischen Aktivitäten nicht nur stark bewehrt, sondern zudem in verschiedene, voneinander unabhängige Sektionen unterteilt. Diese ziehen sich bis hin zu den Dehnungsfugen im bekiesten Warmdachaufbau. Wärmedämmung war hier, in der Wüste Atacamas, nur mit geringer Stärke notwendig; der Sichtbeton speichert größere Mengen an thermischer Energie, die in der kalten Nacht im Gebäudeinneren freigesetzt wird.

Oberhalb des langen Hotelzimmer-Flures sind in regelmäßigen Abständen Lichtkuppeln bzw. RWAs angeordnet. Das eigentliche Herz des Gebäudes bildet jedoch der großzügige Eingangsbereich mit Galerie zum Schwimmbecken. In diesem tropischen Garten treffen sich Wissenschaftler und Techniker, um sich von dem anstrengenden, trockenen Wüstenklima physisch und psychisch zu erholen. Überspannt wird dieser Bereich von einer Kuppel aus Stahl und Polycarbonat (transluzente, UV-beständige Mehrfachstehplatten) mit einem Durchmesser von 35 Metern.

Um das reibungslose Funktionieren der nah gelegenen Teleskope zu gewährleisten, muss jede Lichtemission vermieden werden. Sämtliche Öffnungen werden deshalb abends über einen zentralen Mechanismus geschlossen. Unter der Glaskuppel wurde dafür ein radial fahrbarer textiler Sonnenschutz, eine so genannte „Textilwolke", angebracht. Stabilisiert wird der separate Sonnenschutz über Seilzüge und einen mittig aufgestellten, geneigten Pylon. Unter einem rechteckigen Glasdach befindet sich ein weiterer begrünter Hof, der ebenfalls der Regulierung des Feuchtegehaltes dient.

Bautafel

Architekten: Auer + Weber + Assoziierte, München
Projektbeteiligte: Dominik Schenkirz, Philipp Auer (Projektleitung); Robert Giessl, Michael Krüger, Charles Martin (Mitarbeiter); Mayr + Ludescher, München (Tragwerk); HL-Technik, München (Haustechnik)
Bauherr: ESO European Southern Observatory, München
Fertigstellung: 2001
Standort: Area Cerro Paranal/RCH
Bildnachweis: Roland Halbe, Stuttgart

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