Holzschnitzerei in Pontives

Lärchenholzschindeln auf einem gefalteten Flächentragwerk

Wer einem Bildhauer bei der Arbeit zusieht, kann verfolgen, wie ein roher Block allmählich konkrete Form annimmt. Abstrakt wirkende Zwischenzustände lassen die endgültige Gestalt erahnen und geben dennoch genug Spielraum für Interpretationen. Das Stadium des halb Fertigen regte die Architekten Bergmeisterwolf dazu an, den Neubau einer Holzschnitzerei in Pontives, einer Ortschaft der Südtiroler Gemeinde Lajen, als „grob behauene“ Skulptur zu realisieren.

Hölzerne Skulptur: Traditionelles Material auf einem modernen Baukörper
Stellenweise sind die hölzernen Dreiecke durch Glasflächen ersetzt
Detailpunkt: Holzschindeln treffen auf Glas

Durch experimentelle Annäherung über zahllose Kartonmodelle formten sie einen Baukörper, der sich im Gegensatz zum subtraktiven Prozess des Schnitzens aus hölzernen Dreiecken zusammensetzt. Stellenweise sind diese durch Glasflächen ersetzt, wodurch sich das Gebäude zur Umgebung öffnet und das Holz als polygonal gefaltete Hülle lesbar wird. Mit traditionellen Lärchenschindeln bekleidet, bezieht sich der expressive Bau auf den alpinen Kontext. Ist die Fassade erst einmal grau verwittert, wird die Architektur zu einem Teil der Landschaft.

Aufsehen erregt die neue Holzschnitzerei allemal, exponiert liegt sie in der Gabelung zweier Landstraßen, die durch das Grödnertal führen. Die Zeichenhaftigkeit des Firmengebäudes war gewollt: Ulrich und Daniel Perathoner, Vater und Sohn an der Spitze des traditionellen Familienunternehmens, führten einen Wettbewerb unter vier Büros durch, um das beste Ergebnis für ihren neuen Firmensitz zu erhalten.

Dem Juniorchef dient das Dachgeschoss als Wohnung, während die beiden ersten Geschosse Verkauf, Produktion, Lager und Büros aufnehmen. In der Verkaufsausstellung können Kunden Schnitzereien erwerben und den Holzschnitzern über die Schulter schauen, während sie kunstvolle Heiligenfiguren, Kruzifixe und Krippen fertigen. Das über eine hohe Glasfront zugängliche Erdgeschoss ist weitgehend offen gehalten. Lediglich ein zentraler Betonkern, der die Treppe und den Fahrstuhl aufnimmt, trennt die Verkaufsausstellung von den Räumen für Mitarbeiter und Lieferanten. Gefaltete Wandzüge umgreifen Werkstatt und Nebenräume. Im Obergeschoss, in dem sich neben einem Luftraum über dem Haupteingang weitere Arbeitsplätze und die Lager befinden, wirken die Trennwände als geschosshohe Träger zugunsten des stützenfreien Erdgeschosses. Raumhohe Fenster bieten großartige Ausblicke zu den umliegenden Berggipfeln, während kleinere Dreiecksöffnungen zwischen den auseinanderklaffenden Fassadenteilen ein überraschendes Licht- und Schattenspiel erzeugen.

Fassade
Die Außenhaut der Holzschnitzerei bildet ein selbsttragendes Flächentragwerk aus gefalteten Dreiecksflächen. Die Knicke führen dazu, dass zur Aussteifung und zur Abtragung von Vertikallasten die hölzernen Decken- und Wandscheiben im Inneren herangezogen werden.

Die Dreieckselemente sind als Holzrahmen ausgebildet, die innen mit OSB und außen mit diffusionsoffenen Wand- und Dachplatten (DWD) sowie 60 mm Holzfaserdämmung beplankt sind. Die Rahmenfelder sind mit einer 200 mm dicken Zellulosedämmung gefüllt. Als äußere Abdichtung dient eine textile Fassadenmembran, über der auf einer Latten-Unterkonstruktion Schindeln aus Lärchenholz aufgebracht sind. Die Glasflächen werden in Rahmen aus Stahlhohlprofilen gehalten. Die vollständig verglaste Eingangsfassade ist als reine Stahlkonstruktion ausgeführt. -pn

Bautafel

Architekten: Bergmeisterwolf, Brixen (Gerd Bergmeister + Michaela Wolf mit Roland Decarli und Peter Reichhalter)
Projektbeteiligte: Lignaconsult Schrentewein & Partner, Bozen (Tragwerksplanung); Planalpin, Bozen (Sicherheitstechnik)
Bauherr: Ulrich Peranthoner (Ulrich und Daniel Peranthoner) KG-SAS, St. Ulrich
Fertigstellung: 2012
Standort: Pontives, Südtirol
Bildnachweis: Ulrich Egger, Meran und Günter Richard Wett, Innsbruck

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