Haus Schminke in Löbau

Revitalisierung eines Wohnbauklassikers

Im Rahmen ihres Denkmalprogramms für die neuen Bundesländer bemüht sich die Wüstenrot Stiftung insbesondere um die Revitalisierung von Klassikern der Moderne. Viel Beachtung findet die Restaurierung der Meisterhäuser Muche/Schlemmer in Dessau. Auch Mendelsohns Einsteinturm auf dem Potsdamer Telegrafenberg gehört zu den geförderten und fertiggestellten Projekten ebenso wie das Haus Schminke von Hans Scharoun in Löbau.

Haus Schminke in Löbau
Ansicht aus Nordosten, August 1933
Ansicht der Nordostecke, August 1933

"Das Haus, das mir das liebste war, ließ sich der Fabrikant Schminke in Löbau, Sachsen, bauen" sagte Hans Scharoun einmal. Und auch Julius Posener sah in dem Haus "eine der subtilsten Schöpfungen der Architektur unserer Epoche". Fremd und futuristisch muss das Domizil des Fabrikantenehepaares Fritz und Charlotte Schminke dagegen auf die Bewohner von Löbau gewirkt haben, brachte man zu der Zeit Bürgerlich-Repräsentatives doch eher durch herrschaftliche Gründerzeitvillen zum Ausdruck.

Angeregt durch die Bauausstellungen in Breslau und Stuttgart an moderner Architektur interessiert, fand das Ehepaar Schminke in Hans Scharoun den idealen Partner auf ihrer Suche nach neuen Wohnformen. Für Scharoun seinerseits muss es der entscheidende Auftrag gewesen sein, seine Vorstellungen vom Neuen Wohnen umzusetzen. Als vorbildliche Bauherren formulierten die Schminkes ihre Vorgaben: "Ein modernes Haus für 2 Eltern, 4 Kinder und gelegentlich 1-2 Gäste; (...) leichte Bewirtschaftung, nur eine Gehilfin für die Hausfrau; praktische Fußböden, einfach und leicht zu reinigende Bäder, Schlaf- und Waschräume; Möglichkeiten zur Blumenpflege (...)". Entstanden war nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit (1931-1933) ein offenes, großzügiges Haus mit wechselnden, spannenden Raumbeziehungen, großen Glasflächen und einem Garten als natürliche Erweiterung des Wohnbereiches.

Bis 1945 bewohnte die Familie Schminke das Haus, danach wurde es für Kinder- und Jugendarbeit genutzt. Heute ist das Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich, steht aber weiter - ganz im Sinne der Schminke-Erben - der Jugendarbeit zur Verfügung. Die Sächsische Kulturstiftung veranstaltet hier ausgewählte Kulturprogramme.

Mauerwerk/Sanierung
Ziel aller Beteiligten war der maximale Erhalt der Originalsubstanz unter Berücksichtigung der Spuren der Bau- und Nutzungsgeschichte des Hauses. Entscheidend für den Sanierungserfolg war das denkmalverträgliche Nutzungskonzept, das nur im Kellergeschoss Umbauten vorsah. Die minimierte Bauweise und unsachgemäße Reparaturen hatten im Laufe der Jahre zu Feuchteschäden am gesamten Gebäude geführt.

Das Haus ist ein äußerst reduzierter Stahlskelettbau, ausgefacht mit Bimsbetonsteinen. Die großflächigen Fenster bestehen aus schlanken Stahlrahmen mit Einscheibenverglasung. Das ursprüngliche Dach bestand aus einer 10 cm dicken Decke aus Hohlsteinen mit 4 cm Aufbau aus Schlackenbeton, 11 mm Celotex-Dämmung und einem Doppelpappdach mit aufgewalzter Natursteinbestreuung. Wärmetechnisch gesehen nach heutigen Maßstäben eine Sünde, unterstreicht diese Konstruktion natürlich die Leichtigkeit der Decken- und Terrassenplatten. Die ursprüngliche, in den siebziger Jahren wegsanierte, rundgezogene Verblechung des Dachrands betonte die geschwungene Linienführung und konnte dank moderner Dämmstoffe wieder hergestellt werden.

Untersuchungen ergaben, dass der originale Außenputz zwar vielfältige Schäden aufwies, insgesamt betrachtet aber doch erhaltenswert war. Das Haus wurde seinerzeit mit einem weiß durchgefärbten Edelkratzputz versehen, der durch Zuschläge von Sand, Kalkstein und Glimmer den Fassaden eine je nach Lichteinfall reflektierende, lebendige Oberfläche gab. Dieser Eindruck konnte durch die Entscheidung zur Instandsetzung zum Glück bewahrt werden, durch einen weißen Anstrich wäre möglicherweise die Ausstrahlung des Gebäudes verloren gegangen. Durch Reinigung des Putzes erzielte man zwar kein strahlendes Weiß, aber die zuvor grauen bis dunkelgrauen Flächen sind stark aufgehellt. Schadhafte Stellen wurden mit einer Mörtelnachmischung, die sich an die ursprüngliche Zusammensetzung des Putzes anlehnt, ausgebessert. Noch bestehende Helligkeitsunterschiede werden im Laufe der Zeit durch Verwitterung verschwinden. Auch die Stahlfenster blieben erhalten, sie wurden, um die Bausubstanz nicht weiter zu schädigen, in eingebautem Zustand aufgearbeitet. Lüftungsflügel, Vorhänge, Rollläden und Schilfmatten regeln das Raumklima, seinerzeit schon von Hans Scharoun so geplant.

Das Haus Schminke kann Di. - So. von 10 – 17 Uhr (auch feiertags) besichtigt werden.

Bautafel

Architekt: Hans Scharoun; Sanierung: Pitz & Hoh, Berlin
Projektbeteiligte: Pichler Ingenieure, Berlin; IBB Welden/Augsburg; H.F. Reichwald, Stuttgart; Ingenieurbüro Lobers & Partner, Dresden: Büro Haufe Lohse Pätzig, Dresden
Bauherr: Stadt Löbau und Wüstenrot Stiftung in Bauherrengemeinschaft
Fertigstellung: 1933; Sanierung: Dezember 2000
Standort: Kirschallee 1 b, 02708 Löbau
Bildnachweis: Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg; Alice Kerling, August 1933

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