Grundschule Infanteriestraße in München

Klimaschutz und Kindeswohl

Südlich des Münchner Olympiaparks befindet sich ein Relikt deutscher Militärgeschichte: In der Kaiserzeit errichtet und von den Nazis erweitert, diente die Luitpoldkaserne nach dem Zweiten Weltkrieg der US Army als Stützpunkt, bis 1955 die neu gegründete Bundeswehr einzog. Seit 2004 wird das teilweise denkmalgeschützte Areal nicht mehr militärisch genutzt. Obwohl zentral gelegen, wirkt die üppig durchgrünte Gegend um die Kaserne suburban. Durch Umwandlung in Wohnraum und Ansiedlung von Einzelhandel und kulturellen Einrichtungen soll sie an Urbanität gewinnen. Von Behnisch Architekten stammt der Entwurf für die Grundschule des neuen Quartiers.

Die Schule ist von Gebäuden der ehemaligen Luitpoldkaserne umstellt und liegt unweit des Olympiaparks.
Der Zugang zum Schulgebäude befindet sich an der Infanteriestraße.
Lange Fensterbänder gliedern die Fassade horizontal. Umlaufende Fluchtbalkone dienen als Überkopfverschattung.

Der Schulneubau für 500 Kinder liegt an der Infanteriestraße. Der zwei- bis dreigeschossige Komplex fügt sich aus mehreren Teilen zusammen: Zentral erhebt sich mit drei Geschossen das eigentliche Schulhaus über sternförmigem Grundriss. Drei Gebäudeflügel weisen in nördliche, westliche bzw. südöstliche Richtung. Im Zentrum befindet sich der Versorgungskern mit Treppenhaus. Dieses „Herzstück der Schule“ hat das Planungsteam als „vertikale sowie horizontale Orientierungsachse des Gebäudes“ konzipiert. Nordwestlich schließt die Sporthalle an, südöstlich das zweigeschossige, sogenannte Haus für Kinder, eine Ganztageseinrichtung für hundert Kleinkinder im Alter von 0 bis 6 Jahren.

Gestaltet nach dem Münchner Lernhauskonzept

Das viele Grün der Umgebung diente als Inspiration bei der Gestaltung der Fassade: Putzflächen in drei abgestuften Grüntönen zieren die Verkleidungselemente der Vorhangfassade und geben die changierende Farbskala der Bäume wieder. Die Tragstruktur bildet eine aus Holz errichtete Pfostenriegelfassade, in die nahezu vollständig umlaufende Fensterbänder integriert sind. Diesen vorgelagert, umgeben Fluchtbalkone das gesamte Gebäude und unterstreichen dessen horizontale Gliederung.

Die Schule ist nach dem Prinzip des Münchner Lernhauskonzepts gestaltet. Dieses sieht eine Aufgliederung der Schülerinnen und Schüler in kleinere, überschaubare Einheiten vor. In der Infanteriestraßenschule gibt es davon fünf. Sie verteilen sich auf die zwei Geschosse der sternförmig angeordneten Gebäudeflügel. Die Grundrisse und Raumstrukturen sind offen gestaltet. Neben der „Gemeinsamen Mitte“, also dem Versorgungskern im Zentrum, teilen alle Schülerinnen und Schüler die Räumlichkeiten im Erdgeschoss, wo etwa Speisesaal und Mehrzweckräume untergebracht sind.

Innen und außen, viel zu entdecken

Die Materialien im Innenraum sind unter der Gestaltungsvorgabe eines „wohnlichen Zuhauses“ ausgewählt: Helle Farbtöne, Sichtbeton und Holzoberflächen sollen Schlichtheit Ruhe und Behaglichkeit ausstrahlen. Wandverkleidungen, Einbauregale, Trennwände und Fassadenelemente bestehen aus Weißtanne. Blickfang und Orientierungshilfe sind die leuchtend gelben Oberflächen der Treppenbrüstung im Versorgungskern: Die helle Farbe reflektiert das Sonnenlicht vom Oberlicht bis in die Tiefe des Raums. In der Turnhalle dominiert die Farbe Rot. Das soll im Sportunterricht animierend wirken. Belichtet wird der Raum über umlaufende Fensterbänder mit reichlich natürlichem Tageslicht.

Neben dem durchdachten Innenraumkonzept, gibt es für die Kinder im Außenraum viel zu entdecken: Ein Teil des Sporthallendaches ist als Dachgarten gestaltet. Die hier angelegten Beete eignen sich für Anschauungsunterricht. Sonnensegel spenden Schatten für darunter platzierte Sitzgelegenheiten. Weitere Freiraumflächen, die den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen, umgeben das Schulgebäude im Erdgeschoss: Hier lädt ein Verkehrsparcours die Kinder zu Aktivität ein. Ebenso animieren eine Laufbahn, Weitsprunganlage und Kletterlandschaft, ein Rasenplatz und ein Allwettersportplatz zu Bewegung. Unter einem weit auskragenden Gebäudeflügel können die Kinder auch bei Regen draußen spielen. In der Untersicht ziert das auskragende Dach Kunst am Bau: Ein Deckengemälde der Künstlerin Ruth May gibt in weißer Farbe auf schwarzem Grund Sternenbilder, Tierkreiszeichen und andere Himmelssymbolik wieder.

Sonnenschutz: Überkopfverschattungen, Lightshelves und Raffstores

Der Schulneubau sollte mit möglichst geringem Technikeinsatz auskommen ohne Einbußen in Bezug auf Luftqualität, Raumtemperatur und natürliche Belichtung. Das mit Transsolar entwickelte Energiekonzept sieht unter anderem eine auf dem Dach installierte PV-Anlage mit einer Leistung von 100 KWp vor. Frische Außenluft wird über fassadenintegrierte Zuluftelemente mit manuell-selbstregelnden Volumenstromreglern sowie einer Nacherwärmung über einfache Heizkonvektoren zugluftfrei in die Klassenräume eingebracht. Eine intensive Dachbegrünung verbessert das Mikroklima, bietet Retentionsflächen und fördert die Biodiversität.

Ergänzt werden diese Maßnahmen durch ein umfassendes Tageslicht- und Sonnenschutzkonzept. In dessen Zentrum stehen sogenannte Lightshelves, die an der Pfosten-Riegel-Fassade montiert sind und gemeinsam mit den Fluchtbalkonen den Fensterbändern als Überkopfverschattung, aber auch als Tageslichtreflektor dienen. Diesen feststehenden Sonnenschutz ergänzen bewegliche Jalousien, um optimalen sommerlichen Wärmeschutz und Blendschutz zu ermöglichen: Die elektrisch betriebenen und über Schienen geführten Raffstores sind nur unterhalb der Lightshelves vorgesehen, sodass über das darüber liegende Lichtband diffuses Tageslicht einfallen kann und Ausblicke in den Himmel frei bleiben. Die Jalousien können im Klassenraum über Taster an der Tür oder Mediensäulen gesteuert werden, sodass zusätzlich zum Wärmeschutz eine gute, individuell zu regulierende Tageslichtversorgung möglich ist. Die Anlage ist mit einer Wetterstation gekoppelt, um Störungen und Schäden durch Unwetter zu vermeiden.

Bautafel

Architektur: Behnisch Architekten, München
Projektbeteiligte: Treibhaus, Hamburg / mk Landschaft, München / SH Landschaftsarchitektur, München (Landschaftsarchitektur); WH-P Beratende Ingenieure, Stuttgart (Tragwerksplanung); Enco Energie Consulting, München (Gebäudetechnik); Transsolar Energietechnik, München (Energie- und Umwelttechnik); Bartenbach, Aldrans (Beratung Tageslicht); Ingenierubüro Benesch Maier, München (Elektro); Brandschutz Consulting, München (Brandschutz); Accon Environmental Consultants, Greifenberg (Bauphysik); HW Ingenieur Consult, Grafschaft-Ringen (Bauleitung)
Bauherrschaft: Landeshauptstadt München, Referat für Bildung und Sport, Baureferat (Projektleitung)
Fertigstellung: 2021
Standort: Infanteriestraße 21 - 27, 80797 München
Bildnachweis: David Matthiessen; Behnisch Architekten, München

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