Glass Farm in Schijndel

Auf Glas gedruckter Bauernhof

Lange hat es gedauert, bis der Marktplatz der niederländischen Gemeinde Schijndel wieder ein Ort geworden ist, der seinen Namen verdient. Durch Bomben im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, blieben bauliche Lücken zurück, die den zentralen Platz zwischen Hauptstraße, Kirche und Rathaus in eine unwirtlich große Fläche verwandelten. Das störte vor allem die Bewohner, unter anderem den in Schijndel geborenen Winy Maas, Architekt und Partner des niederländischen Architekturbüros MVRDV. Bereits 1980 schlug er dem Stadtrat vor, den Marktplatz neu zu bebauen. Zwanzig Jahre später stimmte dieser zu, danach unterbreiteten die Architekten unermüdlich neue Bebauungsvorschläge, die jeweils hitzige Debatten auslösten. Schließlich entschied man sich für den mittlerweile siebten Entwurf des Büros, in dessen Folge die Glass Farm entstand, ein als Bauernhof getarnter Neubau, der Büros, Restaurants, Läden und ein Fitnessstudio beherbergt.

Die Gebäudehülle ist als Structural-Glazing-Fassade ausgeführt
Die komplette Fassade besteht aus bedrucktem Glas
Das Geschäftshaus schließt die lange unbebaute Lücke im Stadtgrundriss

Das Besondere: Für die Fassade kamen nicht die traditionell üblichen Baustoffe wie Backstein, Holz oder Reet zum Einsatz, sondern einzig und allein Glas, das mit Fotos dieser Materialen bedruckt ist. Selbst die Schornsteine sind damit verkleidet. Die Bedruckung zeigt ein typisches Bauernhaus der Region. Die dafür verwendeten Bilder stammen von dem niederländischen Fotografen Frank van der Salm, der sie gemeinsam mit den Architekten zu einer der 1.800 Quadratmeter großen Bauernhausfassade zusammenstellte. Da jede einzelne Scheibe ein anderes Muster aufweist und die Bildwiedergabe fotorealistisch sein sollte, kam dafür nur das Digitaldruckverfahren in Flachbettdrucktechnik infrage. Das Verfahren ähnelt dem eines Inkjet-Druckers, wie er in Büros üblich ist. Dabei werden die Grundfarben Cyan, Magenta und Yellow sowie der Schwarzanteil des CYMK-Farbraums in einem Druckkopf zur gewünschten Farbe gemischt und anschließend auf die zu bedruckende Fläche, in diesem Fall Glas, appliziert. Der Vorteil gegenüber des Siebdruckverfahrens besteht darin, dass der Druckvorgang schnell, kostengünstig und individuell für jede Glasscheibe erfolgen kann.

In seinen Proportionen entspricht der Neubau denen eines realen Bauernhauses, ist jedoch um das 1,6-fache größer. Auch die aufgedruckten Bilder entsprechen diesen Größenverhältnissen, was dazu führt, dass Erwachsene das Gebäude aus der Perspektive eines Kleinkindes wahrnehmen. Es besitzt drei Geschosse und eine Nutzfläche von insgesamt 1.600 Quadratmetern. Lufträume an den beiden Schmalseiten reichen vom Erdgeschoss bis ins geneigte Dach, das an seiner höchsten Stelle 14 Meter misst. Wie in allen Räumen fällt auch hier viel Tageslicht durch die transluzente Glashülle. Von außen erzeugt das Gebäude leichte Irritationen, denn auf den ersten Blick sieht es aus wie ein typisches Bauernhaus – zumindest solange, bis sich Spiegelungen auf der Glashülle zeigen. Mit beginnender Dunkelheit verwandelt es sich in ein von innen heraus leuchtendes Denkmal für die Bauernhäuser der Region.

Glas
Die als Structural-Glazing-Fassade ausgeführte Außenhülle besteht aus insgesamt rund 500 Glasscheiben aus zweifach Isolierglas. Eingeschobene Aluminiumelemente im Bereich der Randabstandhalter sichern sie für den Lastfall Windsog gegen Abheben. Die fotorealistische Bedruckung erfolgte auf der Innenseite der Außenscheibe (Position 2). Nachdem die Farbe getrocknet war, wurden sie zu Einscheibensicherheitsglas weiterverarbeitet. Die Außenscheibe des Isolierglases ist als thermisch vorgespanntes Glas ausgeführt, während die Innenseite als Verbundsicherheitsglas aus 2 x 4 mm Floatglas besteht. Im Überkopfbereich waren aus statischen Gründen 2 x 8 mm starke Scheiben Floatglas notwendig.

Bautafel

Architekten: MVRDV, Rotterdam
Porjektbeteiligte: Frank van der Salm, Rotterdam (Fotograf); Hooijen Konstruktiebureau, Tilburg (Tragwerksplanung); IOC, Ridderkerk (Gebäudetechnik); AGC Mirodan, Heule (Digitaldruck auf Glas); Brakel Atmos, Uden (Fassadentechnik)
Bauherr:
Rembrand (Van Den Brand Real Estate & Remmers Construction Group), Baarn
Fertigstellung: 2013
Standort:
Markt, 5482 Schijndel, Niederlande
Bildnachweis: Persbureau van Eijndhoven, Tilburg; MVRDV, Rotterdam; Brakel Atmos, Uden

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Glasbearbeitung

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Isolierglas

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