Givaudan Business Center in Kemptthal/Lindau

Aufstockung einer ehemaligen Suppenabfüllerei

Das ehemalige Industrieareal der Firma Maggi mit seiner einheitlichen, markanten Backsteinarchitektur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein wichtiger Zeitzeuge der industriellen Geschichte der Schweiz. Dem Zürcher Büro Ernst Niklaus Fausch Partner kam die Aufgabe zu, einen Masterplan für das denkmalgeschützte Areal in Kemptthal/Lindau zu entwickeln und daraus einen Gestaltungsplan für ein Gebiet mit hochwertigen Arbeitsplätzen abzuleiten. Durch Neubauten und Aufstockungen sollten die bestehenden architektonischen Qualitäten geschärft und eine bauliche Dichte entsprechend der 1940er-Jahre wiederhergestellt werden.

Südfassade: Optisch setzt sich die Klinkerfassade im Bereich der Aufstockung zwar fort – im Gegensatz zu den massiven Backsteinmauern des Altbaus kommt hier jedoch eine Hybridkonstruktion zum Einsatz.
Ostseite des Givaudan Business Centers im Kontext des einstigen Maggi-Areals
Ostfassade: Eingangssituation Fabrikstraße

Am Beispiel des Bürogebäudes „Brick”, dem Givaudan Business Center, ist zu sehen, was für eine außergewöhnliche, hochwertige Architektur durch eine solche Umnutzung entstehen kann. Das im Jahr 1931 nach Plänen von Debrunner+Blankart Architekten (als „Hausarchitekten” des Maggi-Areals) errichtete Gebäude Nr. 1246 diente als Kistennaglerei. Bereits 1940 wurde es um zwei Geschosse aufgestockt – um eine Suppenabfüllerei. Dabei wurden der helle Backstein als Baumaterial, die Proportionen und Statik des kantigen Bauwerks mit eckbetonenden Treppenhäusern weitergeführt. Innen spiegeln Galeriegeschosse die ehemaligen Produktionsabläufe: Über die oberen Galerien wurde das Material angeliefert, in den unteren Hallen wurde abgefüllt.

Aufstockung um zwei Geschosse

Eine Umnutzung stellt immer eine besondere Herausforderung für die Architekten dar. In diesem Fall galt es aufgrund des Denkmalschutzes, das Äußere zu wahren und das Innere jedenfalls in den Grundstrukturen zu erhalten. Zugleich sollte Raum entstehen für knapp 200 hochinstallierte Arbeitsplätze des Unternehmens Givaudan, einem führenden Hersteller von Aromen und Duftstoffen.

Dafür wurde das Gebäude um zwei weitere Geschosse aufgestockt und in der Grundstruktur fortgeführt. Auf den „alten“ Etagen befinden sich in der Halle offene Arbeitsbereiche als kompakte Bürocluster, auf der Zwischenebene geschlossene Bereiche für informellen Austausch und eher zurückgezogenes Arbeiten. Die Ebenen sind über eine geradlinige, interne Erschließungstreppe verbunden. In der neuen Aufstockung befinden sich entlang der Fassade überhohe Räume, die als Orangerien ausgeführt wichtige Pflanzen zur Aromaproduktion beherbergen und als Ort des Austausches dem Kontakt der Mitarbeiter untereinander dienen. In zwei Zwischenebenen befinden sich eine Caféteria, Sitzungsbereiche und Büros der Geschäftsführung.

Hybridkonstruktion und Klinkerverkleidung auf Backsteinmauern

Optisch setzt sich die Klinkerfassade im Bereich der Aufstockung zwar fort – im Gegensatz zu den massiven Backsteinmauern des Altbaus kommt hier jedoch eine Hybridkonstruktion zum Einsatz. Die Tragstruktur inklusive Dach wurde als Stützen-Platten-System in Betonelementen vorgefertigt, die Stützen dabei auf die bestehende Struktur abgestimmt. Die Außenfassade besteht aus vorgefertigten, gedämmten Holzelementen mit hinterlüfteten Klinkerverkleidungen auf Trägerplatten.

Für das Nutzungs- und Möblierungskonzept war die Innenarchitektin Verena Frey aus Aarau verantwortlich, ebenso wie für die dezente Farbgebung der Oberflächen, hauptsächlich in verschiedenen Grautönen. Um das ursprüngliche Raumgefühl zu erhalten und nicht beispielsweise durch abgehängte Decken zu beeinträchtigen, wurden alle technischen Installationsleitungen in einem extra entwickelten horizontalen Brüstungselement verlegt, die vertikale Verteilung erfolgt im Bereich der Treppenhäuser. So ließ sich das gesamte Gebäude technisch auf den neuesten Stand bringen, ohne dass die Innenraumgestaltung davon beeinflusst wurde.

3-fach verglaste Holzfenster und Nachbau der Originale

Vor allem in Bezug auf den Schall- und Wärmeschutz stellt die Sanierung und Umnutzung eines denkmalgeschützten Gebäudes eine Herausforderung dar. Die prägnanten Fenster erwiesen sich bei der Bestandsaufnahme schnell als nicht sanierbar und wurden originalgetreu nachgebaut. Die Nachfertigungen bilden die äußere Schicht eines Kastenfensters – auf der Innenseite wurden 3-fach verglaste Holzfenster ergänzt. Zwischen den beiden Fenstern befindet sich ein textiler Sonnenschutz mit UV-Absorbern. Denn tatsächlich stand weniger der Schutz vor Kälte, als vielmehr der Schutz vor einer Überhitzung der Räume im Fokus der Architekten. Notwendig war zusätzlich technische Unterstützung in Form einer Kühlung über Konvektoren (mittels Wärmepumpen, die Strom über die PV-Anlage auf dem Dach beziehen) und einer kontrollierten mechanischen Lüftung.

Im Zuge der Schall- und Wärmeschutzproblematik musste ein anderes Thema überraschend bearbeitet und gelöst werden. Die intensiven Gerüche aus der Suppenproduktion, die über Jahrzehnte in alle Bauteile eingedrungen waren, ließen sich durch Sanierungsmaßnahmen nicht entfernen. Somit gab es zwei Lösungsansätze: entfernen oder versiegeln. Im Bereich der Außenwände, die ohnehin von innen gedämmt werden mussten, erfolgte dies über 160 mm mineralische Dämmung und eine zusätzliche Kohlenstoffmatte als Geruchsisolierung. Die Zwischenräume der Lattungen für die Holzverkleidungen wurden mit Mineralfaser ausgedämmt. Die Wärmedämmung als Innendämmung erzielt durch diesen Aufbau Neubaustandard.

Neue Fußböden mit mehrschichtigem Aufbau

Auch die bestehenden Holzzement- und Estrichböden waren durch Produktionsgerüche schwer belastet. Sie wurden vollständig abgebrochen. Der Neuaufbau der Fußböden musste hohe Anforderungen an den Schallschutz erfüllen, insbesondere durch das offene Raumgefüge von Hallen und Galeriegeschossen in Verbindung mit offenen Arbeitsplätzen. Mit einem mehrschichtigem Aufbau und textilen Bodenbelägen auf den Galerien ließen sich die strengen gesetzlichen Vorgaben einhalten bzw. deutlich unterschreiten. In die speziell für das Objekt entwickelten Kugelleuchten mit textiler Bespannung sind Elemente zur Schalldämmung integriert. Das Gebäude erhielt als einer der ersten Umbauten in der Schweiz eine LEED-Zertifizierung in Gold.

Bautafel

Architekten: Ernst Niklaus Fausch Partner, Zürich
Projektbeteiligte:
Bryan Graf (Projektleiter); Verena Frey, Aarau (Innenarchitektur); wlw Bauingenieure, Zürich (Tragwerksplanung, Ingenieurtechnik); pbp engineering, Zürich (Elektroplanung); Oekoplan, Gossau (Haustechnikplanung); Mühlebach Akustik + Bauphysik, Wiesendangen (Bauphysik); Nipkow Landschaftsarchitektur, Zürich (Landschaftsarchitektur Außenanlagen); Schrämmli Landschaftsarchitektur, Brugg (Landschaftsarchitektur Orangerie); Zumtobel, Dornbirn (Kugelleuchten)
Bauherr:
Givaudan, Vernier; Mettler2Invest, St. Gallen
Fertigstellung:
2019
Standort:
Kemptpark, 8310 Kemptthal/Lindau, Schweiz
Bildnachweis: Johannes Marburg, Genf

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