Gardener‘s House in Boisbuchet

Kreislauffähiger Polymerbeton-Baukasten

Zweieinhalb Autostunden landeinwärts von La Rochelle, mitten im Nirgendwo, liegt ein Landsitz, der auch aus einem Märchen stammen könnte: Domaine de Boisbuchet. Umgeben von sanften Hügeln und kleinen Wäldchen, von sattgrünen Feldern und Wiesen sticht das cremefarbene Schlösschen mit seinen Rundungen und schwarz gedeckten Kegel- und Zeltdächern heraus. In seinem Schatten liegt ein Garten, den allerlei Konstruktionen und kleine Häuschen bevölkern. Eines von ihnen ist das Gardener’s House. Das sternförmige, gräuliche Gartenhaus haben das belgische Architekturbüro dmvA und der Hersteller Polycare entworfen, um ein kreislauffähiges Bausystem zu demonstrieren.

Das Häuschen ist eines von vielen im Garten des Landsitzes, an denen zum Teil bekannte Architekturbüros beteiligt waren.
Das Bauprojekt war 2021 Teil des Programms „Energies and Synergies“, mit dem das dreißigjährige Jubiläum des Ortes gefeiert wurde.
Die drei würfelförmigen Flügel gruppieren sich um einen zentralen Raum, der Windfang und Gemeinschaftsraum zugleich ist.

Architektur-Park als Lernort und Testfeld

1986 erwarb Alexander von Vegesack, der Gründungsdirektor des Vitra Design Museums, das weitläufige Grundstück, finanziert durch den Verkauf eines Teils seiner Industriedesign-Sammlung an den österreichischen Staat. Seitdem ist um den Landsitz aus dem 15. Jahrhundert ein 150 Hektar großer Architektur-Park gewachsen, an dem Workshops und Aufenthaltsstipendien angeboten werden. Regelmäßig werden international bekannte Architekt*innen eingeladen, um gemeinsam mit Studierenden alternative Design- und Baupraktiken zu testen. Im Rahmen solcher Workshops sind bereits über zwanzig Hütten, Pavillons und Installationen auf dem Campus entstanden. Dazu gehören Kuppeln aus Bambus und Glasfaser, ein Pavillon aus Papier und ein Haus, das so viel Energie verbraucht wie ein Haartrockner.

Fallstudie für ein kreislauffähiges Bausystem

2021, zum dreißigsten Geburtstag des Ortes, wurden etwa zwanzig Sommerworkshops organisiert zum Thema Energies and Synergies. Ein Programmpunkt war der Bau des Gardener’s House, für das sich das Team von dmvA und das Unternehmen Polycare zusammentaten. Im Fokus standen die wiederverwendbaren Polymerbeton-Blöcke, die der Hersteller mit Sitz in Suhl zu jener Zeit entwickelte. Bis dahin waren mit dem auch für Laien geeigneten Bausystem vor allem Projekte in Afrika umgesetzt worden. Das Ziel des zehntägigen Workshops in Boisbuchet war also, ein Haus nach den europäischen Bauvorschriften zu bauen.

Gemeinsame Mitte

Der Bauplatz befindet sich an der Nordecke der historischen Gartenmauer. Zwei Reihen von Bäumen schirmen das Garderner’s House und den gesamten Garten nach Norden und Westen ab. Die drei mit den Polymerbeton-Blöcken gemauerten Gebäudeflügel sind so angeordnet, dass sich in der Mitte ein vierter Raum ergibt. Jeder Flügel verfügt über ein Pultdach mit deutlich hervorstehendem Holzrost und lediglich über kleine Fensteröffnungen in den Wänden. Betreten wird der kleine Bau in den Ecken, wo raumhohe Fenstertüren eingebaut wurden. Der dahinterliegende Zentralraum funktioniert wie ein Windfang und bietet zugleich Platz für einen großen runden Tisch. Zwei der Flügel dienen als Schlafräume mit jeweils eigenem WC und Duschraum, die an den Enden angeordnet sind. Der dritte Flügel nimmt Küchenzeile und Speiseraum auf. Auf dem Dach der Gebäudeflügel befinden sich Solarpaneele. Das Gefälle der Pultdächer verläuft zur Gebäudemitte, wo das ablaufende Regenwasser durch ein Loch in der Dachhaut in einem Sammeltank landet.

Mauern ohne Mörtel

Dass das Haus demontierbar ist, hängt damit zusammen, dass es als Trockenbau errichtet wurde. Um die legosteinartigen Polymerbetonsteine zu stapeln, ist kein Wasser nötig. Stattdessen werden die Blöcke auf Gewindestäbe und an statisch kritischen Stellen auf Stahlrohre aufgefädelt, die mit dem Stahlrahmen des Fundaments verschraubt sind. Dieser wiederum ist mit verzinkten Stahl-Schraubpfählen verschraubt, die das Gebäude im Boden verankern. Die Böden und das Dach wurden aus lokalen Holzbalken und -platten errichtet. Der Rohbau des Hauses wurde in weniger als einer Woche von den unerfahrenen Teilnehmer*innen des Workshops errichtet.

Beton: Polymerbeton-Baukasten

Materialeffizient ist der Aufbau der Blöcke: Sie bestehen nur zu 20 Prozent aus Polymerbeton, die übrigen 80 Prozent macht das Dämmmaterial im Kern der Blöcke aus. Mit einem Kubikmeter Polymerbeton lassen sich also fünf Kubikmeter Wand bauen. Neben den standardmäßigen Quadern gibt es zum Beispiel auch Eckteile und Spezialblöcke mit Aussparungen und Anschlussstellen für Sanitär- und Stromleitungen.

Da die Polyblocks – anders als gängiges Ziegelmauerwerk – nicht mit Mörtel verklebt, sondern als lego-artige Elemente gestapelt werden, lassen sie sich schadensfrei rückbauen und in anderen Bauprojekten wiederverwenden. Abbruchabfälle fallen nicht an. Die Bauelemente können also Teil einer Kreislaufwirtschaft werden. Nicht nur der Bau, auch die Herstellung der Polymerbeton-Blöcke kam ohne Wasser aus. Zum Binden wurde statt herkömmlichen Zements ein Polyesterharz eingesetzt, dass zu rund einem Drittel aus recycelten PET-Flaschen besteht, der Rest wurde auf Erdölbasis produziert. Der Polymerbeton ist herkömmlichem Beton in vielen Materialeigenschaften überlegen: Er erhärtet deutlich schneller, ist leichter und zugleich drei- bis fünfmal druck- und biegefester. Auch Frost kann dem Polymerbeton nichts anhaben, da er absolut wasserundurchlässig ist. Weitere Arbeitsschritte wie Verputzen, Schleifen oder Versiegeln sind nicht nötig. 

Geht es nach Polycare, dann gehört bald auch die Verwendung sogenannter Sekundärrohstoffe zu dem Materialkreislauf, in den die Blöcke eingebunden sind. In den Polyblocks, die in Boisbuchet verbaut wurden, kamen noch Gesteinskörnungen aus konventionellen Sanden zum Einsatz; zurzeit arbeitet der Hersteller aber an der Zulassung von Bau- und Industrieabfällen als Gesteinskörnung für Geopolymere. Die vierte Generation der Blöcke basiert nämlich auf Geopolymerbeton. Künftig soll so nicht nur auf die konventionelle Gesteinskörnung verzichtet werden, sondern auch auf die erdölbasierten Bindemittel, die Polyesterharze. -ml

Bautafel

Architektur: dmvA, Mechelen
Projektbeteiligte: Polycare, Suhl OT Gehlberg (Hersteller Poylmerbetonsteine)
Bauherr/in: Domaine de Boisbuchet
Standort: Domaine de Boisbuchet, 16500 Lessac, Frankreich
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: dmvA (Pläne und Fotos); Polycare (Grafik); Boisbuchet - CIRECA (Lageplan)

Fachwissen zum Thema

Bei Polymerbeton wird die Gesteinskörnung zum Beispiel mit Polyesterharz, Epoxidharz oder Polyurethan gebunden.

Bei Polymerbeton wird die Gesteinskörnung zum Beispiel mit Polyesterharz, Epoxidharz oder Polyurethan gebunden.

Betonarten

Polymerbeton und Geopolymerbeton

Zement, Wasser und Gesteinskörnungen sind die Ausgangsstoffe für die Herstellung von Beton.

Zement, Wasser und Gesteinskörnungen sind die Ausgangsstoffe für die Herstellung von Beton.

Herstellung

Zusammensetzung von Beton

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
BauNetz Wissen Beton sponsored by:
Deutsche Zement- und Betonindustrie vertreten durch das
InformationsZentrum Beton | Kontakt 0211 / 28048–1 | www.beton.org