Forschungsstation in der Antarktis

Türen, die Eiseskälte und Äxten widerstehen

Neunhundert Meilen vom Südpol entfernt, in einer Gegend, die zur Erkundung des irdischen Magnetfeldes und der Atmosphäre besonders gut geeignet ist, setzt Halley VI als nunmehr sechste Einrichtung die über hundert Jahre währende Tradition britischer Forschungsstationen in der Antarktis fort. Errichtet auf einer gigantischen schwimmenden Eisfläche, ist das modulare und bewegliche Gebäude das Ergebnis der engen Zusammenarbeit von Hugh Broughton Architects mit Ingenieuren von AECOM, beide ansässig in London. Sie entwickelten die Station aus acht Modulen zum Forschen, Wohnen und Schlafen, die aufgereiht sind wie eine Kette. Sie beherbergen 16 bis 52 Mitarbeiter der British Antarctic Survey, die an diesem lebensfeindlichen Standort nur im Sommer mit voller Belegschaft arbeiten.

Sieben kleine blaue Module und ein großer, roter Gemeinschaftsraum hängen wie eine Kette aneinander
Südlicher Endpunkt der Forschungsstation auf hydraulisch betriebenen Stelzen mit Skiern, mit deren Hilfe sich die Module dem Tiefschnee entziehen, aber auch von einem Bulldozer zu einem neuen Standort gezogen werden können
Die Außenhaut ist hoch gedämmt, die Türen speziell für diesen Einsatz entwickelt: sie bestehen aus Glasfaser verstärkten Kunststoffen, einer dämmenden Kunststofffüllung und Einfassungen aus Edelstahl, dicke Gummidichtungen verhindern Kältebrücken

Der Standort auf dem Schelfeis (mit dem Gletscher vebundene Eisplatte) erforderte die Aufständerung der Baukörper, um meterhohen Schneewehen zu begegnen. Außerdem sollte das Gebäude ohne großen Aufwand landeinwärts verlagert werden können, denn die Platte bewegt sich jährlich um mehrere 100 Meter Richtung offenes Meer. So entwickelten die Planer hydraulisch betriebene Stelzen mit Skiern an den Fußpunkten, mit deren Hilfe sich die Module dem Tiefschnee entziehen, aber auch problemlos von einem Bulldozer zu einem neuen Standort landeinwärts gezogen werden können.

Sieben kleine Module basieren ebenso wie ein großer, zweigeschossiger Gemeinschaftsraum auf oktogonalen Grundrissen. Die kleinen blauen Behausungen dienen als Schlafstätten, für Technik, Verwaltung und Labore. Sie bilden flexible Einheiten, die sich ganz unterschiedlich nutzen lassen: Vier Wohnmodule sind nördlich aufgereiht, drei südlich angeordnete Module dienen der Wissenschaft und ein deutlich größerer, roter Baukörper im Zentrum bietet Licht und Luft, eine Lounge, einen Fitnessbereich und eine Bar. Er ist das Herz der Anlage, hier wird gegessen und getrunken, geruht und geredet.

Sicherheit
An einem so unwirtlichen Standort mit Temperaturen bis zu Minus 56 Grad Celsius, Windgeschwindigkeiten bis zu 100 Meilen pro Stunde und 105 Tagen im Jahr, an denen die Sonne überhaupt nicht zu sehen ist, wird Einbruchschutz obsolet. Essenziell für die Bewohner sind jedoch der Schutz vor extremen Außentemperaturen sowie der Brandschutz innerhalb der Forschungsstation. Die Außenhaut ist hochgradig gedämmt, die Außentüren wurden speziell für diesen Einsatz entwickelt: Bei einer Stärke von insgesamt 200 mm bestehen sie aus einer mit Glasfaser verstärkten Kunststoffhaut, einer dämmenden Kunststofffüllung und Einfassungen aus Edelstahl; dicke Gummidichtungen verhindern Kältebrücken. An großen Scharnieren befestigt, lassen sie sich über einen Handgriff und einen Drücker per Fußtritt öffnen. Sie sind so robust und einfach gebaut, dass sie auch einer Axt standhalten, wenn von außen Eis abgeschlagen werden muss. Außerdem sind die Türen mit einer Begleitheizung ausgestattet, die sich anschalten lässt, um vollständiges Einfrieren zu verhindern. Insgesamt fünf Generatoren sorgen auch im Notfall für eine stetige Stromerzeugung und dafür, dass die Heizung niemals ausfällt.

Innerhalb der Station gibt es nur eine einzige abgeschlossene Tür – und zwar diejenige zu den Alkoholvorräten. Der Schlüssel dafür ist im Besitz des Stationsleiters. Die Labore erfordern keine speziellen Sicherheitsvorkehrungen, da die Experimente (zur Klimaforschung) vorwiegend elektronischer bzw. magnetischer Art sind.

Um die natürlichen biologischen Prozesse, die das Tageslicht üblicherweise im menschlichen Körper hervorruft (beispielsweise die Unterdrückung der Melatonin-Produktion), auch während der anhaltenden Dunkelheit in Gang zu bringen, verfügen die Schlafräume über automatische Wecker mit Tageslicht-Simulation. So wird am frühen Morgen ein der Dämmerung nachempfundenes Licht erzeugt, das schlechte oder depressive Stimmung bei den Forschern verhindern soll. Die Kommunikation der Bewohner mit dem Rest der Welt erfolgt via Satellit.

Die Station ist mit sehr empfindlichen Rauchwarnmeldern, einem Rauchabsaugsystem sowie einer akustischen und visuellen Alarmanlage für den Brandfall ausgestattet. Jedes Modul fungiert als separater Brandabschnitt und kann einem Feuer, das vom Nachbarmodul aus überzugreifen droht, eine Stunde lang Widerstand bieten. Die Module sind innen mit Flammschutzmittel angestrichen.

Die eigentliche Basis für die Sicherheit der Menschen in dieser Forschungsstation jedoch lässt sich weder planen noch technisch herstellen: das 100-prozentige Vertrauen der Kollegen untereinander. -us

Bautafel

Architekt: Hugh Broughton Architects, London
Projektbeteiligte: AECOM, London (Ingenieure); Galliford Try, Uxbridge (Bauunternehmer); Billings Design, Dublin (Fassadenbekleidung)
Bauherr: British Antarctic Survey, Cambridge
Fertigstellung:
2012
Standort: Schelfeis in der Antarktis (900 Meilen vom Südpol entfernt)
Bildnachweis: Antony Dubber, Sam Burrell, James Morris

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