Folkwang Bibliothek in Essen

Digital bedruckte Gläser mit Natursteinmotiven

Ein Haus für nahezu 200.000 Bücher, Zeitschriften, Noten, Ton- und Bildtonträger – das ist die neue Folkwang Bibliothek in Essen. Realisiert wurde die Uni-Bibliothek nach Plänen des Berliner Büros Max Dudler Architekten, das 2007 den entsprechenden Wettbewerb gewonnen hatte. Auf dem Campus der Folkwang Universität in Essen-Werden bündelt sie nun musikwissenschaftliche Medien, die bisher in verschiedenen Archiven und Bibliotheken in Essen und Umgebung untergebracht waren.

Nordansicht der neuen Bibliothek auf dem historischen Universitätscampus
Der Neubau erscheint wie eine spiegelnde Natursteinfassade
Nordostansicht: In der bedruckten Glasfassade spiegelt sich die Umgebung

Standort des Neubaus ist ein Grundstück am südwestlichen Rand des Campus, das von der Hauptstraße Klemensborn flankiert wird und an dessen Stelle bis 1969 ein altes Lazarettgebäude war. Wie ein Passstück fügt sich die neue Bibliothek in die geometrische Ordnung der barocken Abteianlage St. Ludgerus und komplettiert die ursprüngliche städtebauliche Figur des Ehrenhofs. Ihr Sockel nimmt die etwas abfallende Topografie auf und bezieht eine vorhandene Stützmauer aus Bruchstein als ein Relikt des ehemaligen Lazarettbaus mit in die Fassadengestaltung ein. Und überhaupt die Fassade: wie eine blank geputzte, spiegelnde Natursteinhülle erscheint sie von Weitem und entpuppt sich bei näherer Betrachtung zu einer opaken und transluzenten Verglasung.

Vier oberirdische Geschosse bieten Raum für insgesamt 48 öffentliche Arbeitsplätze, 18 davon befinden sich im zentralen Lesesaal. Außerdem stehen 14 dezentrale PC-Arbeitsplätze und acht Carrel-Arbeitsplätze zur Verfügung. Im Untergeschoss befindet sich das Archiv.

Der Eingang in die Bibliothek ist mittig an der langen Hauptseite zum Ehrenhof hin angeordnet. Der Grundriss als lang gestrecktes, rechtwinkliges Trapez ergibt einen spitz zulaufenden Baukörper zur Hauptstraße hin. Im spitzen Teil des Gebäudes sind der Erschließungskern, Sanitär- und Nebenräume untergebracht. Ausleihe, Medienzellen, Verwaltung und Garderobe befinden sich im Erdgeschoss. Über eine breite, einläufige Treppe gelangen die Besucher in das erste Obergeschoss, zum lang gestreckten Lesesaal – das Herzstück der Bibliothek. Er wird durch einen bis zum Dach durchgehenden Luftraum mit abschließender Glasdecke belichtet. Um ihn herum sind auf drei Etagen Bücherregale gruppiert, alle Wände und Nischen sind komplett in Kirschbaumholz gehalten. Die Einrichtungsgegenstände, vom Bücherregal bis zum Arbeitsplatz, sind ebenfalls vom Architekturbüro Max Dudler entworfen und betonen die Strenge und Geometrie des Gebäudes.

Glas
Um die Bücher vor zu starker Lichteinstrahlung zu schützen, wurde eine außergewöhnliche Hülle mit digital bedruckten Gläsern gefertigt: insgesamt 600 Scheiben unterschiedlicher Formate kommen zum Einsatz, 300 davon sind bedruckt. Die Motive für den Druck stammen von großformatigen Nahaufnahmen eines Steinbruchs, die den Originalstein im Maßstab 1:1 mit allen seinen Details wie Kanten und Rissen zeigen und in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Stefan Müller entwickelt wurden. In einem Spezialverfahren wurde UV-härtende Tinte mit einem Brenner auf der Glasoberfläche fixiert, ähnlich wie bei einer Emaillierung. D.h., die Gläser sind direkt bedruckt, was eine hohe Bildqualität ermöglicht und die Motive von beiden Seiten, also von innen und von außen gleichermaßen, gut erkennen lässt.

In der als Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgebildeten Fassade kommen, bedingt durch die unterschiedlichen Anforderungen, verschiedene Gläser zum Einsatz: an der Südfassade eine 2-fach Isolierverglasung mit Sonnenschutzglas, an den anderen drei Seiten ebenfalls eine 2-fach Verglasung mit Wärmedämmglas.

Nach Süden hin bildet ein extra klares, teilvorgespanntes Verbundsicherheitsglas (VSG) den äußeren Abschluss, an seiner Pos. 2 ist der Druck mit den Natursteinmotiven aufgebracht. Die schwache Eigenfarbe des Floatglases erlaubt eine sehr gute Wiedergabe der Bedruckung. Die Innenscheibe, ebenfalls aus VSG/TVG, hat an Pos. 3 die Sonnenschutzschicht, der Scheibenzwischenraum (SZR) beträgt 16 mm. Die äußere Schicht der West-, Ost- und Nordfassade entspricht der Südfassade (VSG mit Druck an Pos. 2), während die Innenscheibe ein Einscheibensicherheitsglas (ESG) mit Wärmeschutzbeschichtung an Pos. 3 ist. An einigen Stellen, z.B. im Bereich der Sanitärzellen, wo keine Transparenz gefordert wurde, kommt eine hinterlüftete Fassade aus 2 x VSG/TVG zum Einsatz.

Da es sich bei allen Fassadengläsern um Sonderaufbauten handelt, die in enger Zusammenarbeit von Glashersteller, -veredler und -gestalter entstanden ist, wurden diese vom Institut für Fenstertechnik (ift) in Rosenheim im Hinblick auf die g-Werte sowie weitere technische Anforderungen geprüft.

Bautafel

Architekten: Max Dudler Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Derichs und Konertz, Krefeld (Generalunternehmen); Leonhardt, Ändra und Partner, Berlin ((Tragwerksplaner); Müller BBM, Berlin (Bauphysik/Akustik); Wigger Fenster und Fassaden, Krefeld (Fassadenbau); Glas Trienes und Thermoglas Niederrhein, Kempen (Glasveredlung/-gestaltung), Colora Druck, Schloss Holte (Glasbedruckung); Saint-Gobain Glass, Aachen (Glashersteller)
Bauherr: Bau­lie­gen­schafts­be­trieb NRW
Fertigstellung: 2011
Standort: Essen
Bildnachweis: Stefan Müller, Berlin und Olaf Rohl, Aachen

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