Ferienhaus in Oberreute

Unbehandelte Fichte im Innenraum, abgeflammtes Holz als äußere Schalung

Östlich des Bodensees und dicht an der Grenze zu Österreich gelegen gehört die Gemeinde Oberreute noch zum Allgäu. Die Stuttgarter Architekten von Studio Yonder entwarfen für diesen Ort ein Ferienhaus auf einem Hanggrundstück für eine siebenköpfige Hamburger Familie. Und zwar als eine ausgefallene zeitgenössische Variante des traditionellen regionalen Wohnhauses aus ein bis zwei Vollgeschossen mit leicht geneigtem Satteldach. Die Architekten nahmen aus der klassischen Hausform an den Giebelseiten außermittig ein großes Stück heraus, wodurch sich bizarre Konturen ergeben und zwei Baukörper entstehen: ein Wohnhaus, dessen Hauptdachfläche parallel zum Hang verläuft und ein schmaler, hoher Lagerschuppen mit verkürztem Pultdach gegenüber. In der Mitte ist nun ein breiter Hof dazwischen, der als familiärer Treffpunkt dient.

Die bizarren Konturen entstehen dadurch, dass aus der klassischen Hausform ein Stück herausgenommen wurde
Geneigte Fassade der Eingangsseite im Nordwesten
Auf dem kerngedämmten Sockelgeschoss ist eine Holzständerkonstruktion aufgesetzt

Das teilweise in den Hang gegrabene Wohnhaus bietet mit Souterrain, Erd- und Dachgeschoss rund 133 Quadratmeter Wohnraum. An seiner Längsseite öffnet es sich mit großen Verglasungen nach Südosten in Richtung Tal, während die schräge Nordwestfassade zum Hof hin relativ geschlossen ist. Außerdem ist die Fassade an dieser Hausseite ab Brüstungshöhe der Fenster als Überhang ausgebildet und schützt mit ihrer Schräge den Eingang, erweitert den Dachraum und verbessert dessen Belichtung.

Über den zurückversetzten Eingang gelangen die Bewohner in eine kleine Diele. Von dort teilt eine gradläufige Treppe ins Souterrain das Haus in zwei Bereiche: Linker Hand befindet sich ein Schlafraum mit Gäste-WC, rechter Hand der großzügige, teilweise bis unters Dach offene Wohn- und Essraum mit Küche. In dessen südlicher Ecke führt eine weitere Treppe ins Dachgeschoss, zunächst auf eine Galerie mit Leseplatz und Aussicht in die umliegende Bergwelt. Zwei Dachfenster ermöglichen zusätzlich Ausblick in den Himmel. Auf die Galerie folgt ein Schlafraum mit vier Betten. Zwei weitere Schlafräume im Untergeschoss öffnen sich mit großen Fenstern nach Südosten, ein Bad mit Sauna und der Keller sind ins Erdreich gebettet.

Nachhaltig Bauen
Während das Sockelgeschoss aus Beton mit Kerndämmung errichtet wurde, sind Erd- und Dachgeschoss eine aufgesetzte Holzständerkonstruktion. Die Wände sind mit Holzfasern gedämmt, die Fassade ist vorgehängt. Konstruktion und Fassade bestehen aus regionalem Fichtenholz. So waren die Transportwege kurz und der Energieaufwand samt dem damit verbundenen CO2-Ausstoß gering. Die horizontale Fassadenschalung wurde vor der Montage abgeflammt, das Holz erhält dadurch einen natürlichen, umweltschonenden Witterungsschutz und das Haus sein markantes, dunkles Erscheinungsbild. So entsteht ein wirkungsvoller Kontrast zwischen der Holzkonstruktion und dem hellen Sichtbetonsockel. Auch im Innenraum kommt viel unbehandeltes, regionales Fichtenholz zum Einsatz: für die Wände, Böden, Decken und teilweise auch die Möbel, wie zum Beispiel Betten und Schränke. Das Holz wirkt temperaturausgleichend und feuchtigkeitsregulierend, wirkt sich also günstig auf das Raumklima aus.

Die kompakte Bauweise und die Aufteilung der Räume stellen eine effiziente Flächennutzung dar; Hüllfläche und Volumen stehen in einem ausgewogenen, energetisch wirkungsvollen Verhältnis (siehe A/V-Verhältnis). Zentral im Wohnraum ist ein Kaminofen platziert, der auch die offene Galerie beheizt. Die großen Fensterflächen gen Südosten ermöglichen passive solare Gewinne, sodass selten zugeheizt werden muss. Neben dem offenen Kamin dient ein Gaskessel mit Brennwerttechnik zum Heizen. Für den gesamten Wohnraum mit Galerie reicht ein Heizkörper aus, der in der Sitzbank am Esstisch verborgen ist. Die Böden bestehen (als Material sparende und kostengünstige Lösung) aus den konstruktiv notwendigen Massivholzdecken, deren Oberfläche sichtbar belassen wurde. Auf zusätzliche Schichten wie Trittschalldämmung und Parkett wurde bewusst verzichtet, um graue Energie einzusparen. Da das Gebäude nur von einer Familie bewohnt wird, waren besondere Schallschutzvorkehrungen nicht notwendig.

Bautafel

Architekten: Yonder – Architektur und Design, Stuttgart
Projektbeteiligte: str.ucture, Stuttgart (Tragwerksplanung)
Fertigstellung: 2015
Standort: Oberreute, Allgäu
Bauherr: privat
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart (Außenaufnahmen); Rena Lorenz, München (Innenaufnahmen)

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