Ferienhaus in der Uckermark

Exot im Streifenkleid

Ein asiatisches Teehaus in der ostdeutschen Provinz? So skurril wie die Paarung zunächst erscheinen mag, ist sie gar nicht, lassen sich doch genügend historische Vorläufer finden. Sehr prominent ist sicherlich das Chinesische Haus im Park von Schloss Sanssouci, erbaut 1755 bis 1764 nach Plänen des Baumeisters Johann Gottfried Büring und seines Bauherrn Friedrichs des Großen. Zumindest, was die Kubatur angeht, könnte der Pavillon in Potsdam den royalen Paten gestanden haben für eine bürgerliche Neuauflage in der Uckermark: Das Berliner Architekturbüro Thomas Kröger realisierte hier, auf einem fast 18.000 Quadratmeter großen Grundstück am Rande des Dorfes Pinnow, ein sechseckiges Wohnhaus mit Steildach in Zeltform. Als Teehaus wird es zwar nicht genutzt – sondern als Feriendomizil für eine private Bauherrschaft –, ein Exot bleibt es aber allemal.

Die Architekturschaffenden verorten ihn in der Tradition der „Follies“, die ihren Ursprung in den englischen Landschaftsgärten des 18. und 19. Jahrhunderts haben.
Das Grundstück vereint mit Wald, Hügel, See und Wiese viele Vorzüge, für die die Uckermark beliebt ist.
Die Kirschblüte unterstreicht das asiatische Flair des Baus.

Halb Lust- halb Wohnbau
Abgesehen vom Baukörper sind die Bezugspunkte zum prunkvollen Pavillon Friedrichs des Großen allerdings rar, zumal ein ursprünglich geplantes zentrales Türmchen am Scheitelpunkt des Daches nicht realisiert werden konnte. Dafür entschädigt das idyllische Grundstück mit nahezu allem, was die bei Berlinern beliebte Urlaubsregion in Mecklenburg Vorpommern ausmacht: Wald, Hügel, See und Wiese werden von einer Kirschplantage und von Gewächshäusern ergänzt.

Die Architekturschaffenden setzen das kleine Wohnhaus in den Kontext der sogenannten Follies. Das sind exzentrische Bauten, die ihren Ursprung in den englischen Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts haben. „Halb Lust- halb Wohnbauten, die in ihrem Maßstab und ihrer Position der Umgebung angepasst sind, um gleichzeitig ihr artifizielles Kleid hervorzuheben“, beschreiben Thomas Kröger Architekten das Projekt, das ursprünglich einen zweiten Pavillon auf dem großen Seegrundstück vorsah. 

Holz- Mauerwerkskonstruktion und ineinandergreifende Raumhöhen
Errichtet wurde der zweigeschossige Bau mit einer Nutzfläche von 110 Quadratmetern auf einer dünnen Bodenplatte. Die darauf erstellte Holzkonstruktion in Tafelbauweise wurde zur Erzeugung von Masse zugunsten eines besseren Raumklimas teilweise ausgemauert. Drei von sechs Fassaden sind großflächig verglast, während die anderen drei Seiten jeweils über kleinere Fenster verfügen, die mittig angeordnet sind. Die Fassade besteht aus schwarz gestrichener Holzbeplankung. Durch weiße Deckleisten entsteht das charakteristische Streifenmuster.

Ineinandergreifende Raumhöhen des Erd- und des Obergeschosses sowie die steile Dachform organisieren den Innenraum. Die hexagonale Grundrissgeometrie ermöglichte dabei die Anordnung der Nebenräume um den zentralen Wohnraum herum. Neben diesem umfasst das Erdgeschoss einen Koch-Essbereich, ein Badezimmer und zwei kleinere Schlafräume. Im Obergeschoss befindet sich ein offener, von einem großen Oberlicht erhellter Schlafraum mit angrenzendem kleinen Bad. Die von der Fassade bekannte Farbgestaltung aus Weiß und Schwarz setzt sich innen fort. Allein die Badezimmer sind in frischen Grüntönen gehalten.

Dach: Zwei Dachneigungen und Aluminiumschindeln
Wie ein großer Hut sitzt das Dach mit seiner Deckung aus schillernden quadratischen Metallschindeln auf dem Gebäude. Die Dachneigung steigt erst sanft, dann sehr steil an, was an fernöstliche Pagodendächer erinnert. Mit seinen großen Dachüberständen sorgt es im Sommer für einen schattigen Außensitz auf der Veranda. Die Diagonaldeckung des Daches endet in einem sägezahnartigen Rand ohne Dachrinne. Im oberen Bereich findet sich ein großes Oberlicht, das vom Schlafzimmer aus den Blick in den Sternenhimmel freigibt. 

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Aluminiumschindel in Rautenform, natur
  • Unterspannbahn
  • Dachschalung mit Nut und Feder, Überstand Mehrschichtplatte
  • Zwischensparrendämmung als Vollsparrendämmung Konstruktionsvollholz (Kvh), Sparren nach außen verjüngt
  • Klimamembran
  • Lattung und Konterlattung
  • Holzschalung
Der Pavillon wurde mit einer Anerkennung beim AIT-Award 2018 ausgezeichent, war 2018 Finalist bei „Häuser des Jahres“ und auf der Shortlist des DAM Preises für Architektur in Deutschland 2019. Im August 2020 nahm Thomas Kröger an der durch die Baukultur-Initiative Dachkult veranstalteten Gesprächsrunde Architektur und Industrie im Dialog teil. Dabei äußerte er sich als Vertreter einer stark individualisierten, oft erzählerischen Architektur zum Spannungsfeld, das sich im Zuge eines Bauprojektes zwischen der Industrie und ihren oft standardisierten Bauprodukten, dem Gestaltungswunsch der Architekturschaffenden, der Bauordnung sowie den Bauherrschafftswünschen auftut. Das Gespräch wurde aufgezeichnet und ist online verfügbar (siehe Surftipps). 

Dachkult ist die Plattform der Initiative Pro Steildach. Sie setzt sich dafür ein, die Vorteile geneigter Dächer wieder stärker ins Bewusstsein von Architekturschaffenden, Planenden, öffentlichen und privaten Bauherrschaften oder Kommunen zu rücken, Faszination für das Steildach auszulösen und dessen Bedeutung für die Qualität unserer Städte hervorzuheben (siehe Surftipps).

Bautafel

Architektur: Thomas Kröger Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: ZRS Ziegert & Seiler Ingenieure, Berlin (Tragwerksplanung); Zimmerei Rose, Perleberg (Zimmermannsarbeiten); Baugeschäft Gutzmann, Prenzlau (Mauerwerk); Peter Ness Bauklempnerei, Berlin (Dachdeckung, Dachabdichtung); Dewald & Kriesel, Prenzlau (Heizung Sanitär); Schwedenplatte, Berlin (Rohbauarbeiten); Elektro-Meisterbetrieb, Hohengüstow (Elektro)
Bauherrschaft: privat
Standort: Pinnow
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Thomas Heimann, Berlin

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