Fábrica de Creación in Barcelona

Neues Wohnen in alten Mauern

Unter dem Titel Fàbriques de Creació verfolgt die katalanische Hauptstadt Barcelona ein Programm zur Umnutzung einstiger Fabrikbauten für kulturelle Zwecke. Im Zuge dieser Transformationen entstehen jedoch nicht allein Atelierräume oder Aufführungsstätten, sondern auch Wohnungen: So birgt eine Lagerhalle der einstigen Textilfabrik Fabra & Coats, im nördlichen Stadtviertel San Andreu gelegen, seit dem Umbau durch das ortsansässige Architekturbüro Roldán + Berengué 46 Wohnungen für junge Menschen und artists in residence, die auf dem Areal arbeiten. Die Intervention zeichnet sich nicht nur durch die Verschiedenheit der Nutzungen aus, sondern auch durch einen gleichermaßen respektvollen wie kreativen Umgang mit der bestehenden Struktur.

So auch das Gebäude der Textilfabrik Fabra i Coats im Stadtteil San Andreu, bei dessen Umbau neben Atelierräumen 46 Wohneinheiten geschaffen worden sind.
Der einhundert Meter lange Bau wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet und in den Fünfzigerjahren erweitert.
Betreten wird der lang gestreckte Bau in der Gebäudemitte.

Der repetitive Ziegelbau, einhundert Meter lang und fünfzehn Meter breit, säumt die südlich verlaufende Carrer de Parellada. Zugleich durch einen dreieckigen Platz vom imposanten Produktionsgebäude getrennt, bietet sich infolge des Eingriffs durch Roldán + Berengué der Zugang von beiden Seiten. Wer aber das Gebäude, das um die vorletzte Jahrhundertwende entstanden ist, in seiner Mitte betritt, findet sich in einer beeindruckenden Eingangshalle wieder. Auch da einige der großen Fensteröffnungen dem lokalen Klima entsprechend, allein mit einem leichten Gitterwerk versehen wurden, lässt sich das frühere Depot weder eindeutig als Innen- noch als Außenraum bestimmen.


Häuser in der Halle

Beiderseits des gemeinschaftlich genutzten Entrées weichen die neuen Einbauten, standardisierte Wohnmodule aus Holz, mit zunehmender Höhe terrassenartig zurück. Die Einheiten westlich wie östlich des Eingangs bilden zusammenhängende Cluster, ebenso wie die vier Module, die oberhalb des Foyers auf Stützen ruhen. Dank der Weitläufigkeit der früheren Lagerhalle wie auch der Belastbarkeit der Tragstruktur war es nicht nur möglich, eine Vielzahl dieser Einheiten aneinanderzureihen; vielmehr konnten die Module zugleich auf jeder der beiden Geschossebene in zwei Lagen übereinandergestapelt werden. Jede der schmalen Einheiten reicht annähernd von Fassade zu Fassade, sodass auf der einen Seite lediglich Platz für einen Erschließungsgang bleibt, während auf der anderen Seite, zwischen den Trockenbauwänden der Wohnmodule und der Ziegelfassade, kleine Terrassen entstanden sind.

Vielfältige Nachhaltigkeit

Aufgrund der doppelten Orientierung, die für eine natürliche Lüftung sorgt, und die als thermischer Puffer dienende historische Fassade kann auf eine künstliche Klimatisierung weitgehend verzichtet werden. Trägt das Projekt auf diese Weise zur CO₂-Reduktion bei, kommt der Nachhaltigkeit weiterhin zugute, dass sich die Einbauten bei Bedarf wieder demontieren lassen, um die Halle anderweitig zu nutzen. Dass aber den Projektverantwortlichen zugleich auch an der Wahrung des kulturellen Erbes gelegen war, beweist nicht nur die Sensibilität, die die Installation der Wohnmodule bestimmt, sondern auch der Eingriff, der im anschließenden Erweiterungsbau aus den Fünfzigerjahren vorgenommen wurde: Hier entstand eine Halle, die dem Training menschlicher Pyramiden dient – in Katalonien werden sie als Castells bezeichnet. Als regionales Brauchtum, das bei Festen und Feiern aufgeführt wird, stehen sie seit 2010 als immaterielles Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.

Brandschutz: Differenzierte Lösungen

Wenn im östlichen Annex die lichte Höhe von Boden bis Dach erlebbar wird, konnte dank der ausgefeilten Brandschutzplanung auch die spektakuläre Länge des Wohntrakts erfahrbar bleiben. Dazu wurden die Wände der hölzernen Wohnmodule als nichttragende Außenwände in der Feuerwiderstandsklasse EI 60 ausgeführt. Bei einem etwaigen Brand halten sie für mindestens eine Stunde stand. Eine zusätzliche Brandschutzbehandlung erfuhren zudem die Außenseiten der drei Cluster, indem die der Eingangshalle zugewandten Decken, Wände und Böden hochfeuerbeständig gemäß der Widerstandsklasse EI 120 behandelt wurden. Als Raumabschluss und Hitzebarriere sorgen sie im Gefahrenfall mindestens zwei Stunden lang für Sicherheit. Der Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohnern kommt außerdem ein Fluchttreppenhaus zugute, das zusätzlich zu den offenen Treppen der Eingangshalle zwischen den westlichen Wohneinheiten und der den Castells vorbehaltenen Räumlichkeiten liegt. –ar

Bautafel

Architektur: Roldán + Berengué, Barcelona
Projektbeteiligte:
Bernuz-Fernández Arquitectes, Barcelona (Tragwerksplanung); Josep Dalmau (Gebäudetechnik); Sacyr, Madrid (Bauunternehmen)
Fertigstellung:
2020
Bauherrschaft:
Institut Municipal de l’Habitatge i Rehabilitació, Barcelona
Standort: Carrer de Parellada, 9, 08030 Barcelona
Bildnachweis: Jordi Surroca, Barcelona

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