Fassadentransformation in Kopenhagen

Eingriff mit Sägezahn

Sie ist eine Enklave inmitten von Kopenhagen: Die 100.000-Einwohnerstadt Frederiksberg, vollständig umschlossen von der dänischen Hauptstadt, die drum herum gewachsen ist. In Frederiksberg befindet sich das namensgebende Schloss, ursprünglich als kleines Sommerpalais König Friedrichs IV. 1699 gebaut. Direkt um die Ecke, gut 600 Meter östlich vom Schlosspark, hat das ortsansässige Planungsbüro Tegnestuen Lokal die Fassade eines siebengeschossigen Wohnriegels aus den 1960er Jahren radikal umgebaut.

Jede Wohnung des siebengeschossigen Riegels hat einen Sitzplatz mit kleiner Grünfläche bekommen.
Die versetzten Einheiten sind um 20 Grad aus der Fassade gedreht.
Der 1960er-Jahre-Bau hatte Laubengänge mit Betonbrüstung.

Der in Nord-Süd-Richtung verlaufende H. C. Ørsteds Vej ist eine recht enge, belebte Hauptstraße mit zwei bis fünfgeschossigen Putz- und Backsteinbauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Der 60 Meter lange, aufgeständerte Riegel mit Tankstelle im Erdgeschoss, fünf Regelgeschossen plus Staffel war hier mit seinen durchlaufenden, straßenseitigen Laubengängen mit geschlossenen Waschbetonbrüstungen seit jeher ein Fremdkörper.

Hybride aus privaten und halböffentlichen Räumen

Eine schlichte Betonsanierung am Laubengang bildete den Ausgangspunkt für die außergewöhnliche Fassadentransformation. Jeder Wohnung wurde eine Einheit aus überdachtem Sitzplatz und kleinem Pflanzbeet zugeordnet, die geschlossen als Wintergarten oder offen als Balkon funktioniert. Die Module ragen als spitzwinklige Ausbuchtungen in den Straßenraum. Durch eine Drehung um 20 Grad Richtung Südost hat das Planungsbüro eine im Grundriss sägezahnartige Struktur geschaffen, die sie geschossweise versetzt haben.

Dadurch wurde eine räumliche Verschachtelung der insgesamt 50 Einheiten erzeugt und die Fassade dreidimensional rhythmisiert. Durch die Vor- und Rücksprünge bildet die jeweilige Sitzplatzüberdachung zugleich die Grünfläche der darüber liegenden Wohnung. Da zum Laubenhang hin keine Abtrennung erfolgt, sind die Einheiten aus Sitzplatz und Minibeet Hybride aus privaten und halböffentlichen Räumen mit fließenden Übergängen zwischen Verkehrs- und Aufenthaltsflächen.

Aufbau und Funktionalität der neuen Fassade

Nach Entfernen der Betonbrüstungen wurde eine dunkel gefasste Stahlkonstruktion vor die Laubengänge gehängt. In Verlängerung der Sitzplatz-Außenkanten wurden die Grünflächen durch stählerne Stabgeländer und geschosshohe Verglasungselemente längs geteilt in einen äußeren, rechteckigen Bereich – einer Art Dachbegrünung – und einen inneren, spitzwinkligen Zwickel, der von den Bewohnenden individuell als Kräutergarten oder Zierbeet bepflanzbar ist.

An der nach Südosten ausgerichteten Breitseite lassen sich die als Lärm- und Wetterschutz wirksamen Glaselemente wegschieben und nach innen klappen. Die nach Nordost ebenfalls verglasten Sitzplatz-Schmalseiten sind außen mit horizontalen Holzlatten versehen. Diese treten mit den dunklen, vertikalen Geländerstäben in Dialog und dienen als partieller Sichtschutz zum Nachbarn sowie als Rankhilfe für Kletterpflanzen. Laubengänge und Sitzplätze sind zwischen den Stahlträgern mit Dielenbrettern belegt, helle Mineralfaserplatten bilden die Deckenuntersichten.

Ein neues Quartiersgefühl

Das Haus hat mit der neuen Fassade seinen Charakter vollständig gewandelt. Noch immer unterscheidet es sich deutlich von der älteren, in sich heterogenen Umgebung, trägt jetzt aber spürbar zur Lebensqualität des Quartiers bei. Die Tankstelle im Erdgeschoss ist einem Supermarkt gewichen. Nur die schmale, geschlossene Nordfassade des Wohnriegels, die das zweigeschossige Nachbarhaus deutlich überragt, wurde in ihrer Waschbeton-Optik belassen. Oben, an der Staffel steht noch in weißen Großbuchstaben „SPYONE TOMCAT“ – ein in Kopenhagen häufiger Graffiti Tag, der an die Zeit vor dem Fassadenumbau erinnert.

Bautafel

Architektur: Tegnestuen Lokal, Kopenhagen
Projektbeteiligte: Christopher Carlsen, Morten Bang (Designteam Architekten); Henneby Nielsen, Odense (Bauingenieure); CEJ, Kopenhagen (Immobilienmanagement / Beratung); Amstrup & Baggesen, Odense (Generalunternehmer); Give Steel, Brande (Stahlbau); Alumentdk, Kolding / Glostrup (Glaselemente); Rockpanel Dänemark; Hedehusene (Deckenverkleidung)
Bauherr: E/F H. C. Ørstedsvej 25-27, Frederiksberg
Fertigstellung: 2020
Standort: H.C. Ørstedsvej 25-27, 1879 Frederiksberg, Dänemark
Bildnachweis: Hampus Berndtson, Kopenhagen / Tegnestuen LOKAL, Kopenhagen

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