Erweiterungsbau Gymnasium Egg in Vorarlberg

Kanteln als Schallabsorber für die Decke

Marode Schulbauten sind in den vergangenen Jahren zum Politikum in Deutschland geworden. Obwohl die Konjunktur brummt und die Kassen gefüllt sind, wurde der Sanierungsbedarf jahrelang missachtet. Folglich stehen bundesweit zahlreiche Instandsetzungen an. Als Anregung für die Herangehensweise könnte ein Beispiel aus dem österreichischen Vorarlberg dienen. Zwar war das Bundesoberstufenrealgymnasium Egg nicht voll sanierungsbedürftig, sondern einfach nur zu klein geworden, doch der Ansatz, den AO Architekten bei seiner Erweiterung wählten, eignet sich auch für deutsche Schulen. Ihre Strategie: Aufwertung durch Anbau und Funktionsadaptierung.

AO Architekten verfolgten bei der Sanierung des Schulgebäudes den Ansatz: Aufwertung durch Erweiterung und Funktionsadaption
Der Neubau ist ein längsrechteckiger Riegel, dessen klare Linienführung der Oberschule im dörflichen Kontext zu mehr Präsenz verhelfen soll
Die gelochte und eloxierte Aluminiumfassade des Neubaus übernimmt die dunkelbronzene Farbigkeit der Fensterrahmen aus den 1970er-Jahren

Das Gymnasium befindet sich in leichter Hanglage am Rand der 2.400-Einwohner-Ortschaft Egg. Der Neubau ist ein längsrechteckiger Riegel, dessen klare Linienführung und an den Bestand angelehnte Fassade dem gesamten Schulkomplex ein ruhiges Erscheinungsbild verleiht und ihm gleichzeitig im dörflichen Kontext zu mehr Präsenz verhilft. Gelochte und eloxierte Fassadenplatten aus Aluminium übernehmen den dunkelbronzenen Farbton der Fensterrahmen des Altbaus aus den 1970er-Jahren. Dessen Hülle besteht aus braunem Eternit. In Material und Farbigkeit verschmelzen alt und neu zu einer stimmigen Einheit. Bodentiefe Fensterbänder und dahinter sichtbare Diagonalträger markieren die jüngeren Bauabschnitte jedoch deutlich.

Auf zwei überhöhten Hauptgeschossen und mehreren Splitlevels befinden sich die neue Aula und Sonderunterrichtsräume sowie Lehrerzimmer und die Direktion. Über ein angedocktes neues Treppenhaus werden alle Ebenen erschlossen und die unterschiedlichen Geschosshöhen von Bestand und Neubau ausgeglichen. Zusätzliche Erschließungszonen gibt es im Erweiterungsbau keine. Der gewonnene Platz kommt Lehrern und Schülern zugute. Die großzügigen Räume für bildende Kunst und Musik besitzen einen Ateliercharakter und bilden ein atmosphärisches Pendant zur zentralen Halle und dem Foyer im Altbau.

Den verschachtelten Grundriss des Bestandsgebäudes konnten die Architekten mithilfe einer durch den Neubau ermöglichten Funktionsadaptierung verbessern. Die Aufwertung gelang ohne tief greifende Umbaumaßnahmen: Der Eingang wurde saniert, die vorhandenen Klassenzimmer mit neuer Technik ausgestattet. Allein das Entfernen zahlreicher Einbauten wertet die in die Jahre gekommenen Räumlichkeiten auf. Das Foyer und andere Aufenthaltsbereiche wurden zum Schulhof geöffnet und mit der zentralen Halle verbunden, um die herum sämtliche Klassenräume im Erdgeschoss angeordnet sind. Auf diese Weise wurde die Halle in ihrer Rolle als Kommunikationszentrum der Schule bestärkt. Dienende Räume, wie die Garderobe verlegten die Planer ins Untergeschoss und schufen so kostbaren Platz zum Verweilen für Schüler und Lehrende.

Akustik

Klassenzimmer und Auditorien stellen besondere akustische Anforderungen. Darüber hinaus bietet das Gymnasium in Egg einen musisch-bildnerischen Schwerpunkt an und ist deshalb auf eine gute akustische Planung der Unterrichtsräume angewiesen.

Sowohl die größtenteils aus Glas und Beton bestehenden Wände als auch der Fußboden aus Stäbchenparkett sind im Neubau schallhart ausgeführt. Solche Oberflächen reflektieren den Schall, erhöhen die Nachhallzeit im Raum und erschweren die Sprachverständlichkeit und klare Wiedergabe von Musik. Ebenso wirken sich die großen Raumvolumen der Aula und Sonderunterrichtsräume auf die Akustik aus. Während sie der Nutzung „Musik“ gut tun, sind sie für die Sprachverständlichkeit eher nachteilig.

Schallabsorbierende Maßnahmen und Materialien sind daher ganz auf die Zimmerdecken fokussiert. Für eine gute Akustik haben sich die Architekten für eine Verkleidung aus Holz entschieden und lassen darüber hinaus ihr Interesse an lokalen Bautraditionen erkennen: Die in Vorarlberg unter dem Namen „Spaltentäfer-Decke“ bekannte Lamellenverkleidung wird aus Kanteln zusammengesetzt. Diese Brettlamellen mit quadratischem Querschnitt stammen – zu Profilen verleimt – ursprünglich aus dem Fensterbau. Die drei mal drei Zentimeter starken Kanteln bestehen aus dem heimischen Holz der Weißtanne, sind gehobelt und unbehandelt. Unter Einhaltung einer Fugenbreite von einem Zentimeter sind sie an der Decke befestigt. Hinterlegt sind sie mit einem schwarzen schweren Wollvlies. Darüber liegt noch einmal eine drei bis vier Zentimeter starke Schicht Mineralwolle. Die Decke hat über die Abwicklung der drei offenliegenden Holzseiten der Kanteln eine sehr große Oberfläche. Dabei erreicht sie einen schallabsorbierenden Anteil von 25 Prozent. Äußerst adaptiv erweist sich diese Form für Architekten, da sich der gewünschte Schallabsorptionsgrad über die Größe der Hölzer und Breite der Fugen variieren lässt.

Je nach Raumtyp haben die Decken darüber hinaus eine spezifische Form. So verfügen die Aula im Erdgeschoss und die Sonderräume für den bildnerischen Schulzweig im zweiten Obergeschoss über sich überlappende Schrägen. Diese waren zunächst gestalterisches Resultat eines zu begünstigenden Lichteinfalls in den Kunsträumen des Obergeschosses. Raumakustisch bringt die Form darüber hinaus Vorteile: Die größere Fläche bedeutet eine höhere Absorption. Außerdem ist der Schall – wenn auch nur für den geschulten Experten hörbar – gerichtet, klingt in eine Raumrichtung also etwas anders als in der Gegenrichtung.

Bei der Gestaltung der Deckenfelder galt es, den idealen Nachhallwert für Musikunterricht sowie für Aufführungen zu erreichen. Durch die Überlappung ergibt sich ein im Verhältnis zur Bodenfläche größerer schallabsorbierender Anteil. Darum wurden hier teilweise jeweils am unteren Ende der Deckensegel schallharte Platten anstatt der Mineralwolle hinterlegt. Nach Angabe der Architekten sind die Musiklehrer mit dem Ergebnis äußerst zufrieden.

Bautafel

Architekten: AO Architekten, Innsbruck
Projektbeteiligte: Günter Meusburger, Wies (Bauphysik); Zimmerei Kaspar Greber, Bezau (Decke)
Bauherr: Bundesimmobiliengesellschaft, Wien
Fertigstellung: 2017
Standort:
Egg, Vorarlberg, Österreich
Bildnachweis: Adolf Bereuter, Dornbirn

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