Campus Hoogvliet in Rotterdam

Fassade aus strukturiertem Gussglas mit wasserwellenartiger Oberfläche

Seit Ende der 1990er Jahre hat sich im niederländischen Hoogvliet viel getan. Das war auch notwendig, denn der erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Südwesten Rotterdams erbaute Stadtteil war lange Zeit vernachlässigt worden. Eines der jüngsten Projekte ist der Campus Hoogvliet, ein von Wiel Arets Architects geplantes Gebäudeensemble aus sechs Baukörpern. In ihnen sind ein Sportzentrum, ein Kunststudio, eine Sicherheitsakademie, ein Wohnheim mit 100 Plätzen sowie zwei Schulen untergebracht. Die Angebote der verschiedenen Einrichtungen richten sich an Schüler und Studierende ebenso wie an die Bewohner des Stadtviertels. So steht die 300 Zuschauer fassende Doppelsporthalle im größten Gebäude auch für lokale Veranstaltungen zur Verfügung.

In den Gebäuden sind ein Sportzentrum, ein Kunststudio, eine Sicherheitsakademie, ein Wohnheim und zwei Schulen untergebracht
Blick in einen von der Glashülle umschlossenen, halböffentlichen Freibereich
Ein im Boden eingelassener „weißer Ring“ aus Pflastersteinen umgibt jedes Gebäude und kennzeichnet den Übergang von öffentlichem zu privatem Raum

Optisch gefasst werden die in der Höhe moderat gestaffelten Einzelhäuser von einer asphaltierten Fläche, die gleichzeitig die Grenzen des Campus markiert. Ein im Boden eingelassener „weißer Ring“ aus Pflastersteinen umgibt jedes Gebäude und kennzeichnet den Übergang von öffentlichem zu privatem Raum. Allen Häusern gemein ist ihre geprägte Glasumhüllung, die als vorgehängte Fassade die unterschiedlichen Gebäudeformen der einzelnen Häuser verbirgt. An einigen Stellen ist sie deckungsgleich mit den Außenwänden, an anderen umschließt sie den Häusern zugeordnete Freibereiche.

Die Tragstruktur der sechs Gebäude besteht aus Stahlbeton: Neben den Wänden sorgen Betonkerne und Spannbetondecken für aussteifende Stabilität. Nach außen zeigen sie sich mit einer grün schimmernden Glashaut, in die in regelmäßiger Abfolge weiß gerahmte Fensterverglasungen eingelassen sind. Das Gebäudeinnere ist überwiegend grau gehalten: Hellgrau sind die Sichtbetonflächen der Wände, dunkelgrau die mit Sichtestrich bedeckten Böden und auch die Akustikplatten aus zementgebundener Holzwolle an den Decken sind grau. Einzige Farbtupfer sind die bunten Glasgeländer der großzügig gestalteten Treppenanlagen. Jedem Gebäude ist eine Farbe zugeordnet, um die Unterscheidbarkeit der Einzelhäuser hervorzuheben.

Glas
Die Fassadenverglasung aller sechs Neubauten ziert ein Muster aus stilisierten Pflanzenranken, das von den niederländischen Architekten speziell für dieses Projekt entworfen und in enger Zusammenarbeit mit dem Glashersteller angefertigt wurde. Dezent und ausdrucksstark zugleich, basiert seine besondere Wirkung auf der Kombination aus eingeprägtem Motiv und anschließender Bedruckung.

Die Herausforderung bei der Umsetzung bestand darin, ein dreidimensionales Bild in der Verglasung selbst zu erschaffen. Nach Abwägung aller Möglichkeiten kam man überein, das gewünschte Motiv mittels nebeneinander angeordneter Vertiefungen wechselnder Breite in Gussglas herzustellen. Dies erfolgte im Werk Mannheim mithilfe von Prägewalzen, auf denen das Muster im Ätzverfahren aufgebracht wurde. Nicht einfach war es, die geforderte Strukturtiefe des Glases zu erreichen. Nach mehreren Versuchen gelang es schließlich, die insgesamt 14.718 Quadratmeter des Gussglases in Abmessungen von 2,104  x 4,350 Meter (B x L) bei rund 10 Millimeter Glasdicke und 1,00 bis 1,30 Millimeter Prägetiefe herzustellen.

Seine charakteristische Optik erhielt das Glas anschließend im niederländischen Sas van Gent. Mittels eines Siebdruckverfahrens mit einem Roller-Sieb, dem sogenannten Kiss-Print, wurden zunächst die höchsten Punkte des Gussglases mit Emaillefarbe bedruckt und danach vollständig mit einer Emailleschicht in einer anderen Farbe versiegelt. Nach dem Aushärten und der Heißlagerung (Heat-Soak-Test) wurde das Glas umgedreht an den Gebäuden befestigt. Durch seine nicht mehr plane, sondern wasserwellenartige Oberfläche sind sowohl das Relief als auch die Farbnuancen sichtbar. Damit verleiht das Strukturglas dem klar gegliederten Gebäudeensemble eine lebendige Ausstrahlung, die nicht nur die Planer überzeugte, sondern auch den Hersteller Saint-Gobain Glass dazu veranlasste, es fortan unter dem Namen „Arets-Glas“ anzubieten.

Bautafel

Architekten: Wiel Arets Architects, Maastricht/Amsterdam
Projektbeteiligte: ABT, Delft und Wetering Raadgevende Ingenieurs, Maastricht (Tragwerksplanung und Bauingenieure); Saint-Gobain Glass, Werk Mannheim; Sas Glas, Sas van Gent und Saint-Gobain Glass Benelux, Sambrevilles (Glasherstellung und -veredelung)
Bauherr: Woonbron, Rotterdam
Fertigstellung: 2014
Standort: Lengweg, 3192 BM Rotterdam, Niederlande
Bildnachweis: Jan Bitter, Berlin; Christoph Seelbach Fotografie, Köln und Saint-Gobain Glass, Aachen

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