Bürogebäude in Natters

Grüne Corporate Architecture

Das Familienunternehmen ASI Reisen ist spezialisiert auf Aktiv- und Erlebnisreisen, in denen die Touristen mit der lokalen Bevölkerung zusammengebracht werden sollen. Seit 1963 will der Reiseveranstalter so eine Alternative zum boomenden Overtourism und zur Kreuzfahrtindustrie bieten. In Anbetracht dieser Unternehmenswerte ist es nur folgerichtig, dass auch der neue Firmensitz in Natters bei Innsbruck ein nachhaltig geplantes Bürogebäude werden sollte. Beauftragt wurde Snøhetta – wiederum eine folgerichtige Entscheidung, denn das norwegisch-amerikanische Architekturbüro hat sich in der jüngeren Vergangenheit mit Projekten wie dem HouseZero als innovativer Vertreter des nachhaltigen Bauens hervorgetan. War beim HouseZero die KI-gestützte Sanierung von Bestandsbauten das zentrale Thema, so wurde in Natters die Unternehmensphilosophie „Symbiose zwischen Natur und Mensch“ zum Leitbild erhoben. Entstanden ist ein offen strukturierter Holzskelettbau mit grüner Sonnenschutzfassade.

Tragstruktur für die Vegetation ist ein Metallgerüst mit Stahlnetzen.
Die Pfosten-Riegel-Fassade dahinter hat großzügige Fensterflächen für gut belichtete Arbeitsplätze.
Auf der Westseite kann das Rankgestell als Balkon benutzt werden.

Ein Hauch Japan

Der Neubau mit 65 Arbeitsplätzen ist über eine Brücke mit dem bestehenden Büro verbunden. Der Grundriss erscheint als Parallelogramm: Zum Bestand hin und im Keller erhielt der viergeschossige Bau ein Rückgrat aus Stahlbeton. Nach Westen hin öffnet sich der Holzskelettbau mit Massivholzelementen in einer großzügigen Fensterfront mit Pfosten-Riegel-Fassade. Ein grüner Vorhang aus Kletterpflanzen umrankt den Bürohbau und fügt ihn in die ländliche Umgebung ein. Die charakteristische Schwarzfärbung der Holzfassade liegt in der traditionellen japanischen Methode zur Holzkonservierung Yakisugi begründet. Dabei wird die Holzoberfläche verkohlt und karbonisiert, damit sie wasserdicht wird und vor Insektenbefall geschützt ist.

Coworking-Konzept und Industriecharme

Besucher werden im zweigeschossigen Foyer – auch Base Camp genannt – empfangen, wo auf Wandpaneelen die Geschichte des Unternehmens erzählt wird. Eine repräsentative Treppe führt von hier zu den oberen Geschossen und in den Keller. Der Bürobereich ist in verschiedene Zonen gegliedert, die zum Teil auf Galerien liegen. Die Atmosphäre gleicht einem Co-Working-Office, wo neben wenigen Einzelbüros auch Besprechungsnischen und -räume, Ruheräume, Sofas und eine Cafeteria zur Verfügung stehen. Große Fenster erlauben Ausblicke auf die umgebenden Berge und Wälder. Filigrane Regale aus schwarzen Stahlstreben gliedern den Raum und dienen als Pflanzenregale und Stauraum.

Nachhaltig Bauen: Grüner Sonnenschutzumhang

Vor der schwarzen Yakisugi-Fassade wirkt das Grün des Pflanzenkleids besonders kräftig. Die Hülle aus Kletterpflanzen dient als Blendschutz und zur Beschattung. Die Vegetation umrankt ein Klettergerüst aus Metall, welches der Fassade vorgehängt wurde. An der Westseite dient diese Struktur zudem als Balkon für die Mitarbeiterinnen und MItarbeiter. 118 Pflanzen aus 17 verschiedenen sommer- und immergrünen Arten wachsen aus Trögen vertikal in die Höhe und verändern das Erscheinungsbild des Bürobaus je nach Jahreszeit. Das dadurch geschaffene Mikroklima vermindert die benötigte Energie für die Gebäudekühlung, erhöht so die Behaglichkeit in den Innenräumen und schafft Wohlbefinden für die Belegschaft. Zusätzlich leistet die Begrünung zusammen mit der weiteren Bepflanzung im Außenraum einen Beitrag zur Biodiversität. Bewässert wird die Anlage mit Regenwasser, das in einer unterirdischen Zisterne gesammelt und in das automatische Bewässerungssystem eingespeist wird.

Sparsame Gebäudetechnik

Auch beim Energiekonzept ist Symbiose Programm: Eine reversible Luft-Wasser-Wärmepumpenanlage heizt und kühlt das Gebäude über die Fußbodenheizung bzw. -kühlung. Das Energiekonzept haben die Fachplaner mit einer thermisch-dynamischen Gebäudesimulation überprüft. Die Steuerung der mechanisch angetriebenen Lüftungsflügel funktioniert vollautomatisch, wobei Sensoren die notwendigen Messungen und Impulse liefern. Das Gebäude kann so über eine natürliche Lüftung mit Frischluft versorgt werden. Um einen Teil des Eigenstromverbrauchs abzudecken, hat sich die Bauherrschaft für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach entschieden. Insgesamt sind die Architekturschaffendenen mit der Materialwahl und Konstruktionsweise dem Grundsatz des Unternehmens nach einem möglichst kleinen CO2-Fußabdruck treu geblieben. –sh

Bautafel

Architektur: Snøhetta, Oslo / Innsbruck
Projektbeteiligte: Tragwerkspartner, Innsbruck (Tragwerk); Alpsolar Klimadesign, Innsbruck (Heizung, Lüftung, Klimatechnik, Gebäudesimulation); Snøhetta, Innsbruck (Landschaftsarchitektur und Innenarchitektur)
Bauherrschaft: ASI Reisen, Natters
Fertigstellung: 2019
Standort: In der Stille 1, 6161 Natters, Österreich
Bildnachweis: Christian Flatscher, Innsbruck

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