Büro und Ausstellungsraum Tilly in Oberhausen bei Neuburg

Holzkonstruktion ohne Metallverbindungen und ohne Verleimung

Die kleine oberbayrische Gemeinde Oberhausen liegt bei Neuburg an der Donau, rund 30 Kilometer von Ingolstadt entfernt. Im Stadtteil Kreut befindet sich auf dem Gelände der Zimmerei Hans Murr das Objekt Tilly – ein kleiner, reduziert gestalteter Gebäudequader, der als Büro und Ausstellungsraum dient. Das Flachdachgebäude entstand in Zusammenarbeit dreier Brüder, einer von ihnen ist Architekt, der zweite Holzbauingenieur und der dritte Zimmerermeister. Sebastian Murr entwarf das Gebäude während Benjamin Murr für die Tragwerksplanung und Jonathan Murr für sämtliche Zimmermeisterarbeiten verantwortlich waren. Sie bauten das Gebäude für den vierten Bruder, den Bauherren Hans Murr. Zum Einsatz kamen ausschließlich baubiologisch unbedenkliche Materialien.
 
Der Quader liegt gegenüber dem bestehenden Zimmereigebäude. Schon bei der Ankunft im Hof der Zimmerei fällt dem Besucher der Neubau als Erstes auf: Er wurde in exponierter Lage, auf einer Böschung erbaut; die Front kragt um rund zwei Meter nach vorne, frei aus. Das Haus ist in Massivebauweise in unbehandeltem Fichtenholz auf einem Betonsockel errichtet, der zur Hälfte in die Böschung eingelassen ist. Die Fassade ist aus einer feingliedrigen, verdeckt geschraubten, unbehandelten Lärchenholzlattung gefertigt. Wände und Dach sind mit einer emissionsfreien Holzwolle gedämmt.

Drei unterschiedlich hohe Natursteinblöcke führen den Besucher in den offen und großzügig gestalteten Innenraum
Sämtliche Fenster können mittels fassadenhoher Schiebeelemente aus unbehandeltem Lärchenholz geschlossen werden
Das Haus ist in Holzbauweise errichtet

Großformatige Fensterflächen auf allen vier Gebäudeseiten sorgen für einen lichtdurchfluteten Innenraum. Sie lassen sich alle mittels fassadenhoher Schiebeelemente sowohl aus Sicherheits- als auch aus Sonnenschutzgründen gänzlich verschließen. Der Baukörper verändert dadurch im Laufe des Tages mehrmals seinen Charakter: vom geschlossenen, massiv erscheinenden Holzquader in ein minimalistisch gestaltetes Haus mit großzügigen Fensteröffnungen und hellem Innenraum. Drei unterschiedlich hohe Natursteinblöcke dienen als Treppenstufen zum Eingang, sie führen den Besucher in den offen und großzügig gestalteten Innenraum. Der Boden ist mit massiven Eichenholzdielen ausgestattet, die mit einem weiß pigmentierten Öl behandelt wurden. Als Unterkonstruktion dient ein Holzbalkenrost mit dazwischenliegender Zellulose- Dämmung.

Als tragende Wände wurde das Massivholzwandsystem M3 eingesetzt, eine Entwicklung der Gebrüder Murr. Das Besondere daran ist, dass es gänzlich ohne Metallverbindungen, Schrauben, Nägel oder Verleimungen funktioniert. Die sogenannte, extra entwickelte Holzschraube Kerbig dient dazu die drei Lagen von horizontalen, vertikalen, und diagonalen Hölzern zu massiven Wandelementen zu verbinden. An den Kreuzungspunkten der drei Holzlagen wird mit einem Standardholzbohrer vorgebohrt und im Anschluss die Schraube mit einem speziell entwickelten Bohrmaschineneinsatz und handelsüblichem Schrauber eingesetzt. Bei der Verschraubung drückt sich die Buchenholzschraube selbst wie ein Gewinde in das weichere Fichtenholz der Wandkonstruktion, sodass eine sehr belastbare Verbindung gänzlich aus Holz entsteht. Durch die geringere Holzfeuchte der Schraube gegenüber den zu verbindenden Bauteilen wird die Verbindung im Laufe der Zeit noch fester.
 
Aufgrund der Verwendung von Holz als Material für Konstruktion und als Verbindungsmittel können Wärmebrücken vermieden werden. Problempunkte und Schäden, wie zum Beispiel Tauwasseranfall an kritischen Verbindungen im Dämmungsbereich, sind somit ausgeschlossen. Im Brandfall hat der Einsatz von ausschließlich einem Material ebenfalls Vorteile: Im Gegensatz zu Konstruktionen mit Stabdübeln aus Stahl gibt es kein Ausbrennen der Verbindung und keine Hitzeweiterleitung.

Bei diesem Objekt kamen keine chemischen Holzschutzmittel, Kleber oder Leime zum Einsatz, sodass das Gebäude frei von gesundheitsgefährdenden Emissionen ist. Der Baustoff Holz ist bekannt für seine guten bauphysikalischen und statischen Eigenschaften, kann Wärme speichern und trägt mit seinem guten Feuchteverhalten zu einem wohngesunden Raumklima bei. Da ausschließlich heimische Hölzer verwendet wurden, hat das Haus eine sehr positive Öko-Bilanz.

Bautafel

Architekt: Sebastian Murr, Neuburg an der Donau
Projektbeteiligte:
Benjamin Murr, Neuburg (Tragwerksplanung); Jonathan Murr, Neuburg (Zimmerermeister)
Bauherr:
Hans Murr, Häuser in Holz, Oberhausen/Kreut
Fertigstellung:
2012
Standort:
Am Straßweiher 2, Oberhausen/Kreut
Bildnachweis: Sebastian Murr, Neuburg an der Donau

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