Büro- und Wohnhaus in Stuttgart

Sanierung eines Verwaltungsgebäudes der 1960er-Jahre

Bei sanierungsbedürftiger Architektur der 1960er-Jahre stellt sich häufig die Frage, ob eine Instandsetzung überhaupt lohnt – allzu oft fällt die Entscheidung für einen Abriss. Ganz anders im Fall eines Verwaltungsgebäudes für den Haftpflichtverband der Deutschen Industrie auf der Uhlandshöhe in Stuttgart. Der dreigeschossige Quader, ein klassischer Verwaltungsbau mit Hausmeisterwohnung und kleinem Apartment, war 1965 nach Plänen der Architekten Josef und Hans-Dieter Traub unweit des Hauptbahnhofs errichtet worden. Er befand sich in einem schlechten Zustand, als die Stuttgarter Wittfoht Architekten ihn erwarben – in erster Linie, um ihr eigenes Büro dort unterzubringen. 

Südfassade: Die vor- und zurückspringenden Fensterflächen sind mit textilen Senkrecht- und Fallarmmarkisen ausgestattet
Eingang an der Uhlandshöhe mit der ursprünglichen Mauer
Das Verwaltungsgebäude für den Haftpflichtverband der Deutschen Industrie vor dem Umbau

In exponierter Lage mit Blick über die Stadt ist das unterkellerte Gebäude aus Beton und Stahl errichtet. Es umfasst rund 1.500 Quadratmeter. Ursprünglich war es gekennzeichnet durch ein schlichtes Sockelgeschoss und eine an drei Seiten umlaufende Fassade aus Glasbändern und eloxierten Aluminiumpaneelen in den Obergeschossen. Die kurze Südostfassade war relativ geschlossen ausgebildet und mit Muschelkalk bekleidet, ebenso wie das Treppenhaus, das aus der Nordostfassade herausgerückt ist und über Glasbausteine seitlich belichtet wurde. Im Zuge des Umbaus blieb die Kubatur des Gebäudes weitgehend erhalten. Die räumlich-funktionale Aufteilung im Inneren jedoch, zuvor ein Zweibund mit Zellenbüros, wurde aufgehoben. Im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss befinden sich jetzt großzügige Büroflächen, das 2. Obergeschoss ist als Wohnetage mit offenem Grundriss konzipiert. Die extensiv begrünte Dachfläche wird teilweise als Terrasse genutzt. Der Hof wurde tiefergelegt, um das Erdgeschoss besser mit Tageslicht versorgen zu können.

Für die energetische Sanierung wurde das Gebäude zunächst entkernt, das Tragwerk ertüchtigt und im Bereich der Decken vereinzelt nachbewehrt. Die Fassade wurde vollständig ersetzt; erhalten blieben nur die mit Muschelkalk bekleideten Bereiche – diese wurden von innen gedämmt. Gewahrt blieb die horizontale Aufteilung des Hauses in ein Sockelgeschoss mit aufgesetztem Riegel. Die Obergeschosse erhielten eine energetisch hochwertige Metall-Glas-Fassade mit einer Fensterebene, die hinter der Metallbekleidung im Wechsel vor- und zurückspringt, wodurch der Baukörper eine gewisse Plastizität erhält. Die Brüstungshöhe der Fenster mit Dreifach-Isolierverglasung ließ sich von 90 auf 40 cm reduzieren. Fensterprofile und Öffnungsflügel sind dunkel eloxiert, die Metallbrüstungsbänder hingegen weisen einen helleren, changierenden Braunton auf und betonen die horizontale Wirkung des Baukörpers, dessen oberen Abschluss eine metallisch-graue Pergola bildet. Der ursprünglich nahezu ungedämmte, mit Naturstein bekleidete Sockel wurde energetisch saniert und erhielt einen hochwertigen Putz.

Das Energiekonzept basiert auf der Kombination regenerativer und fossiler Energieträger. Solarkollektoren auf dem Dach unterstützen die Warmwasseraufbereitung, eine Regenwasserzisterne wird für die Gartenbewässerung genutzt.

Sonnenschutz
Die langen Fassaden des Gebäudes richten sich nach Nordosten und Südwesten. Die Südostfassade ist bis auf einen Erker im 2. Obergeschoss, der mit Sonnenschutzlamellen im Scheibenzwischenraum ausgestattet ist, geschlossen ausgebildet. Die übrigen drei Fassaden erhielten entsprechend der alternierenden Fensterflächen entweder Senkrecht- oder Fallarmmarkisen als Sonnen- und Sichtschutz.

In den bündigen Bereichen wurden Senkrechtmarkisen verwendet. Die Fallarmmarkisen vor den zurückliegenden Fensterflächen lassen sich um maximal 115° ausstellen. Die Breiten beider Typen variieren zwischen 2,00 und 5,80 Metern. Die Führung erfolgt seitlich über Seile aus Edelstahl; die helle, sandfarbene Textilbespannung ist ein Sonnenschutzgewebe aus mikroperforiertem, PVC-beschichteten Polyester (schwer entflammbar). Der Elektromotor als Antrieb und die Tuchwelle liegen verdeckt hinter den Metallbrüstungsbändern, so dass die Markisen bündig mit der Fassade abschließen.

Bautafel

Architekt: wittfoht architekten bda, Stuttgart
Projektbeteiligte: Breinlinger Ingenieure, Stuttgart (Tragwerksplanung); Bobran Ingenieure, Stuttgart (Bauphysik); Schreiber Ingenieure Gebäudetechnik, Ulm (Heizung, Lüftung, Sanitär); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Klimatechnik); MBM Konstruktionen, Möckmühl (Fassadenkonstruktion); MHZ (Markisen); Serge Ferrari, La Tour du Pin Cedex (Sonnenschutzgewebe)
Bauherr: Jens Wittfoht, Stuttgart
Fertigstellung: 2013
Standort: Zur Uhlandshöhe 4, 70188 Stuttgart
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart

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Bei Fallarmmarkisen wird der Behang durch seitliche, um einen Drehpunkt bewegliche Arme geführt.

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Ausführungsbeispiel: Rohrmotoren für Markisen

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Senkrechtmarkisen zur großflächigen Verschattung einer Fensterfront

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