Bücherei in Gundelsheim

Haus im Haus mit versteckter Lüftung

Die oberfränkische Gemeinde Gundelsheim, rund sieben Kilometer nördlich von Bamberg, hat zwar nur wenige tausende Einwohner, dafür einen Bürgermeister, der um die bauliche Qualität in seinem Ort bemüht ist. Mitten durch die Ortschaft fließt der Leitenbach, an dessen nördlichem Ufer die Markuskirche steht. Auf der gegenüberliegenden Uferseite befindet sich seit kurzem die Gemeindebücherei, in einem alten, runderneuerten Bauerhaus, das durch einen Anbau aus Holz erweitert wurde. Den gestalterischen Anforderungen der Entwürfe von Schlicht und Lamprecht Architekten folgend ist die Haustechnik dort geschickt verborgen.

Dabei sollte der typisch fränkische Dreiklang Haus – Stall – Scheune durch den zweiteiligen Erweiterungsbau wiederhergestellt werden.
Buchstäblich stülpt sich der Neubau über das historische, deutlich kleinere Stallgebäude – das war der Ausgangspunkt des Haus-im-Haus-Themas, das sich wie ein roter Faden durch den gesamten Entwurf zieht.
Betritt man die Bücherei, befindet man sich zunächst in der „neuen Scheune“, in der der Servicebereich (im Bild rechts) als Haus im Haus angeordnet ist.

Das ortstypische Bauernhaus mit Stall und Scheune wurde im 19. Jahrhundert erbaut. Seine Lage im Ortskern prädestinierten es für die Pläne des Bürgermeisters Jonas Merzbacher, „einen Kulturort und eine Integrationsschmiede“ zu schaffen. So lassen sich in der Bücherei nicht nur Medien ausleihen, sondern sie ist auch ein Ort der Begegnung und Weiterbildung. Dazu hat die Gemeinde 2016 einen Ideen- und Realisierungswettbewerb als Einladungswettbewerb organisiert, um auch kleinere und jüngere Architekturbüros zur Teilnahme einzuladen.

Fränkischer Dreiklang

Das Schweinfurter Büro Schlicht und Lamprecht Architekten verfolgte mit seinem Siegerentwurf die Idee, die bestehenden Strukturen sichtbar zu belassen und neue Nutzungen mit zeitlosen Materialien zu integrieren. Die Räume werden durch ein Haus-im-Haus-Prinzip organisiert, wodurch sich interessante Bezüge zwischen Alt und Neu ergeben – sowohl städtebaulich als auch im Innenraum. Die Pläne greifen die Maßstäblichkeit des Ortsbildes auf und suchen sie wie selbstverständlich fortzusetzen. Dabei sollte der typisch fränkische Dreiklang Haus - Stall - Scheune durch den zweiteiligen Erweiterungsbau wiederhergestellt werden. Erhalten waren zu Beginn der Bauarbeiten nur noch das Wohnhaus und das rückwärtig anschließende Stallgebäude, die Scheune war zu Beginn des 21. Jahrhunderts abgetragen worden.

Der Neubau führt die Kubatur des Bestands mit traditionellem Satteldach fort und interpretiert sie zugleich neu. Eine vertikale Holzlattung umhüllt den Doppelgiebelbau an Fassaden und Dachflächen und verleiht ihm so ein modernes, etwas monolithisches Äußeres. Die Latten wurden mit unterschiedlichen Abständen montiert, sodass geschlossene als auch perforierte Flächen entstehen, durch die bei Dunkelheit die beleuchteten Innenräume schimmern. Das Holz ist thermisch vorbehandelt, wodurch eine Vorvergrauung erzeugt wurde, mit der sich der Bau wie gewachsen in sein Umfeld eingliedern soll.  

Haus im Haus

Buchstäblich stülpt sich der Neubau über das historische, deutlich kleinere Stallgebäude – das war der Ausgangspunkt des Haus-im-Haus-Themas, das sich wie ein roter Faden durch den gesamten Entwurf zieht – ästhetisch wie konstruktiv. Man betritt das Ensemble nun vom neu gestalteten Vorplatz an der Bachstraße über die Giebelseite der sogenannten neuen Scheune. Der Innenraum ist bis unter den First erlebbar. Entlang der westlichen Längsfassade ist ein „Haus“ im Haus, ebenfalls mit Satteldach, angeordnet, in dem sich der Servicebereich der Bücherei befindet. Östlich schließt der alte Stall mit Preußischer Kappendecke an, die zum Teil geöffnet wurde und so ihre Stahlträger als auch den Blick unter das Satteldach des Neubaus freigibt. Darüber befindet sich eine Galerie, die einzige zweite Ebene im Gebäude, die als Rückzugsraum zum Lesen gedacht ist.

Der Weg führt weiter ins ehemalige Wohnhaus, dem straßenseitigen Bestandsgebäude. Auch hier ist der Innenraum bis unters Dach geöffnet worden. Ein weiteres, eingestelltes „Haus“ nimmt den Kinderbuchbereich auf und übernimmt als Stahlrahmenkonstruktion zusätzlich eine aussteifende Funktion. Authentische und natürliche Materialien bestimmen die Atmosphäre der Innenräume: Terrazzoböden, geschlämmte Wände, Einbauten aus Holz und Holzwolle-Leichtbauplatten an den Dachunterseiten als akustisch wirksame Maßnahme.

Gebäudetechnik: Fast unsichtbare Belüftung

Wegen des prägenden Haus-im-Haus-Prinzips stand für die Lüftungsanlage weder ein Dachraum noch eine Unterkellerung zur Verfügung. Deshalb wurden die gedämmten Zu- und Abluftleitungen zunächst hauptsächlich in Bodenkanälen verlegt. In den Büchereibereichen dann sind die Zuluftauslässe direkt im Fußboden als Bodengitter oder im Sockel der Bücherregale integriert angeordnet. In den Nebenräumen (WC, Büro, Bücherausgabe) erfolgt die Leitungsinstallation in abgehängten Decken oder parallel zur Dachschräge hinter der Verkleidung. Die Abluftöffnungen befinden sich – verdeckt – oben an den Gebäudegebiebeln, ein geringer Teil wird außerdem in den WC-Räumen abgesaugt. Das zentrale Lüftungsgerät ist als Flachgerät unter der Decke des Technikraums angebracht. Es erreicht einen Gesamtvolumenstrom von 750 m³ pro Stunde, was einer personenbezogenen Außenluftmenge von 36 m³ pro Stunde entspricht. Bei einem beheizten Gebäudevolumen von rund 1.225 m³ ergibt sich ein 0,6-facher Luftwechsel, allerdings nicht als Umluftlösung, sondern ausschließlich mit Außenluft. -tg

Bautafel

Architektur: Schlicht Lamprecht Architekten, Schweinfurt
Projektbeteiligte: Tragraum Ingenieure, Nürnberg (Tragwerk); Ecoplan Projekt, Bamberg (HSL); Planungsbüro Pabst (Elektro); Zimmerei Bauer (Zimmerer); Möbelwerkstätte B. Aumüller, Burgebrach (Schreinerarbeiten)
Bauherrschaft: Gemeinde Gundelsheim
Förderer und Unterstützer: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, Regierung von Oberfranken; Oberfrankenstiftung; Sankt Michaelsbund
Standort: Bachstraße 12, 96163 Gundelsheim
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Schlicht Lamprecht Architekten, Schweinfurt

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