Bibliothek in Spiez

Zweigeschossiger Holzbau mit Stahlbetonkern

Am Ufer des Thuner Sees gelegen und mit Panoramablick bis zu den Berner Alpen, bietet die Schweizer Gemeinde Spiez ohne Frage hohe Aufenthaltsqualitäten. Sie setzt sich aus fünf sogenannten „Bäuerten“ zusammen – kleineren Ortschaften, die sich auf rund zehn Kilometern entlang des Seeufers erstrecken. Nach einem im Jahr 2010 ausgeschriebenen Wettbewerb erhielt Spiez gut vier Jahre später eine Bibliothek, die sich trotz eher kantigem Volumen und für diese Region ungewöhnlichem Flachdach bestens in die Landschaft fügt. Die Pläne dafür lieferten Bauzeit Architekten aus Biel: Sie entwarfen einen zweigeschossigen Holzbau, der als Bindeglied zwischen der Gemeindeverwaltung im Nordosten und einer Schule im Südosten fungiert.

Ostansicht
Schmale Vertikalleisten in variierenden Abständen rhythmisieren die Fassade
Nordwestansicht

Der abgewinkelte Baukörper hat einen etwa C-förmigen Grundriss und weist mit den Enden auf die benachbarten öffentlichen Gebäude. Zum einen entsteht damit ein Vorplatz an der Eingangsseite; zum anderen öffnet sich die Bibliothek zum Park zwischen Schulbau und Gemeindeverwaltung und fasst diesen räumlich. Zur Wohnsiedlung im Westen wahrt der Neubau angemessenen Abstand, nördlich ist er teilweise in den Hang des anliegenden Weinbergs eingebettet.

Entsprechend der Nutzungen unterscheiden sich die Grundrisse der beiden Etagen deutlich. Im Erdgeschoss befinden sich die Räume der Bibliothek, hier können Bücher, Zeitschriften und andere Medien gelesen und geliehen werden; außerdem ist hier auch die Ludothek untergebracht mit Tischen zum Spielen und Gesellschaftsspielen zum Ausleihen. Das gesamte Geschoss ist als ein weitgehend offener Raum konzipiert, der überwiegend durch Regale, Sitzmöbel und die Rezeption gegliedert wird. Auch das mittig platzierte Café wird nur durch gläserne Wände von der Bibliothek getrennt. Lediglich an den Gebäudeenden wurden Räume separiert: ein Mehrzwecksaal im Süden und zwei Räume zur Aufbereitung der Medien im Norden. Der nordöstliche Gebäudeabschluss ist teilweise unterirdisch angelegt: Hier sind zwei Räume für Lager und Technik in den Hang eingegraben. Ein Erschließungskern und Sanitärräume (hinter dem Café) ergänzen das Raumprogramm im EG. Von außen führt eine Treppe auf den Hügel hinauf, der zugleich als Auffahrt von Osten dient und direkten Zugang ins Obergeschoss ermöglicht.

Das Obergeschoss beherbergt überwiegend Verwaltungsräume der Gemeinde. Die Büros sind zweibündig organisiert, d.h. sie werden durch einen zentralen Flur erschlossen und sind nach außen ausgerichtet. Eine kleine Caféteria befindet sich neben dem Sanitär- und Technikkern mit Treppenhaus, ein Sitzungszimmer oberhalb des Bibliothekseingangs. Im Gegensatz zur Gebäudehülle sind die Innenräume beider Etagen durchweg hell gestaltet: vom Terrazzo am Boden über die Dreischichtplatten (Fichte/Tanne) als Wandbekleidung und den Akustikdecken aus Holzlatten bis hin zur überwiegend weißen Möblierung.

Als Holzbau fügt sich die Bibliothek in die regionale Bautradition, ohne deren Formen zu imitieren. Schmale vertikale, in einem warmen Braunton lasierte Holzleisten in variierenden Abständen rhythmisieren die Fassade und fungieren zugleich als Sonnenschutz und Absturzsicherung. In einen Teil der filigranen Stäbe sind Buch- und Spieletitel in großen oder kleinen Lettern eingefräst. Sie verweisen auf den Inhalt des Hauses und verfeinern dessen Erscheinungsbild: In unterschiedlichen Tiefen, mal negativ, mal positiv ausgeführt, sind die Schriften je nach Lichteinfall deutlich oder kaum lesbar.

Konstruktion und Brandschutz
Das Gebäude wurde mit Geschossdecken und Wänden in Holzsystembauweise errichtet; dabei wurde zertifiziertes Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Schweizer Wäldern verwendet. Die Geschossdecken bestehen aus vorgefertigten Hohlkastenelementen, die Außenwände sind in Rahmenbauweise mit integrierten Brettschichtholzstützen und tragenden Unterzügen aus Furnierschichtholz ausgeführt. An der Außenseite ist eine hinterlüftete Holzfassade aufgebracht. Das Brandschutzkonzept wurde gemäß der Schweizer Brandschutzvorschriften von 2003 erarbeitet; nach den aktuellen Brandschutzvorschriften (2015) sähe das Konzept unter Umständen leicht anders aus.

Das Gebäude wird flächendeckend durch eine Brandmeldeanlage überwacht. Bibliothek einschließlich Mehrzweckraum und Windfang am Eingang sind als durchgehender Brandabschnitt konzipiert. Insgesamt fünf Fluchttüren an verschiedenen Stellen innerhalb der Fassade führen zusätzlich zum Haupteingang direkt ins Freie. Der längste mögliche Fluchtweg beträgt 23 Meter (siehe Abb. 24). Der Technik- und Sanitärkern mit Treppenhaus besteht aus Stahlbeton, Wände und Decken sind mind. 60 Minuten brandbeständig (El 60) ausgeführt. Der Rauch- und Wärmeabzug erfolgt unabhängig vom Netzstrombetrieb über die Fenster. Der Mehrzweckraum ist für mehr als 100 Personen zugelassen und mit einer Notbeleuchtung sowie sicherheitsbeleuchteten Fluchtwegpiktogrammen ausgestattet. Er verfügt über zwei Haupttüren zur Bibliothek, eine brandfallgesteuerte Doppelflügeltür zur Garderobe sowie eine Tür innerhalb der Fassade, die direkt ins Freie führt. Die Garderobe bildet mit Wänden in El 30 einen separaten Brandabschnitt, die Wandbekleidung ist nicht brennbar. Auch die Nebenräume der Bibliothek im Erdgeschoss sind als gemeinsamer, separater Brandabschnitt in El 30 ausgeführt. 

Die Büroräume im Obergeschoss gelten als ein durchgehender Brandabschnitt. Als Fluchtwege dienen der Hauptzugang an der Ostseite sowie das Treppenhaus im betonierten Gebäudekern. Der Aufenthaltsraum daneben ist von den übrigen Räumen durch mindesten 30 Minuten feuerbeständige Wände abgetrennt, die Wandbekleidung und Ausstattung sind nicht brennbar, so dass hier keine Brandlasten vorhanden sind. Sie bildet eine Vorzone zum notwendigen Treppenhaus; die Bemessung der Fluchtwege aus dem nördlichen Gebäudeflügel erfolgt bis dort hin. Zwei Nebenräume am östlichen Gebäudeende sowie ein EDV-Raum und ein Archiv neben dem Treppenkern sind jeweils ein gemeinsamer Brandabschnitt mit Wänden in El30. Die Decken zwischen Büros und Bibliothek entsprechen der Feuerwiderstandsklasse El30, die Decke zwischen Garderobe im EG und Caféteria im OG hingegen El60. (us)

Bautafel

Architekten: Bauzeit Architekten, Biel
Projektbeteiligte: BBR Architekten, Thun (Bauleitung); Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau, Thun (Planung Holzbau); Dahinden Beat, Spiez (Statik); Waldhauser + Hermann, Münchenstein (HLK Planung); bbz landschaftsarchitekten, Bern (Landschaftsplanung); Susanne Dubs, Magglingen (Grafik Fassaden und Signaletik); Boss Holzbau, Thun (Holzbau)
Bauherr: Einwohnergemeinde Spiez
Fertigstellung:
2014
Standort:
Sonnenfelsstraße 1, 3700 Spiez, Schweiz
Bildnachweis: Yves André, Vaumarcus

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Eine der ältesten und wirksamsten Maßnahmen zum vorbeugenden Brandschutz ist die Abgrenzung einzelner Brandabschnitte gegenüber anderen Gebäudeteilen oder anderen Gebäuden. Es wird zwischen inneren und äußeren Brandwänden unterschieden.

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Verglasung im Brandlastversuch unter Laborbedingungen

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Beleuchtete Kennzeichnung in der Musikschule in Berlin-Kreuzberg

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Flucht-/​Rettungswege

Kennzeichnung von Rettungswegen

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