Bibliothek in Kirkkonummi

Polygones Kupferkleid

1903 hatten sich Eliel Saarinen und zwei Kollegen am Rand von Kirkkonummi ein Landdomizil gebaut. Ja, Kirkkonummi – nicht etwa „Kirkkommuni“ – heißt die finnische 40.000-Einwohner-Kommune, gut 30 Kilometer westlich von Helsinki. Und ja, trotz der beträchtlichen Einwohnerzahl ist es keine Stadt. „Kirchenheide“ ist der deutsche Name der Gemeinde, die doch überwiegend vom Wechsel suburbaner Strukturen mit Wald- und Wiesenflächen geprägt ist. JKMM Architects aus Helsinki haben die hiesige Ortsbibliothek erweitert, die sich zentral zwischen der mittelalterlichen Steinkirche und einem Einkaufszentrum befindet und sich mit nunmehr 4.700 Quadratmetern mehr als verdoppelt hat.

An der Ostecke treffen horizontale und vertikale Gliederung aufeinander.
Nach Südosten ist das Erdgeschoss zu einer neuen Terrasse hin verglast.
Die geschlossenen Flächen sind mit voroxydierten Kupferschindeln verkleidet.

Der spätmoderne, ein- bis zweigeschossige Betonbau von 1982 stammt von Ola Hansson (1918–85), der schon in den 1950er-Jahren das Innere der benachbarten Kirche nach vorübergehender sowjetischer Säkularisierung wiederhergestellt hatte. Die Bibliothek wurde von JKMM jetzt hauptsächlich nach Norden hin angebaut und so zum unregelmäßigen, achteckigen Grundriss erweitert, welchen man mit etwas Phantasie als gespiegelte Vier oder auch ein großes D lesen könnte. Zwar sind die gelblich verklinkerten Ansichten verschwunden, doch die bestehende Betonstruktur wurde erhalten. 

Wer es weiß erkennt's

Der Ursprungsbau ist noch weitgehend erkennbar, im Plan besonders an den 45-Grad-Linien Richtung Südost. Hier, zum Kirchhof hin, haben die Architekten eine schmale, 50 Meter lange, geschützte Terrasse angefügt. An dessen Innenseite befindet sich an langer, leicht geknickter Glasfront das Bibliothekscafé, das in eine Leselounge übergeht. Der Hauptlesesaal mit Buchregalen, Fensterplätzen und Sitzinseln dominiert mit seinem Volumen den Erweiterungsteil. Der hohe, sich trichterförmig nach Norden verjüngende Saal entfaltet aufgrund seiner Konstruktion aus hellen Sichtbetonpfosten und -balken eine fast sakrale Wirkung. 

An der Nordwestecke des Gebäudes befindet sich, vom Hauptlesesaal aus erschlossen, ein Konzert- und Vortragssaal mit 125 Sitzplätzen. Ein weiterer Lesesaal mit noch von Hansson stammenden Oberlichtern und etwa der halben Medienkapatizät des Hauptlesesaals befindet sich im Zentrum des Altbaus. Er ist offen zur Haupteingangshalle mit Blicken ins Obergeschoss sowie einer forumartig eingebunden Treppe und einem großen, abgehängten Schilf-Kunstwerk. Ein dritter, etwas kleinerer Lesesaal liegt an der Gebäudewestseite. Außerdem wurden mit der Erweiterung zusätzliche Funktionen integriert. Dazu zählen neue Räume für Kleinkindergruppen, Jugendliche sowie für Ausstellungen und Veranstaltungen. 

Die Wände der Publikumsbereiche sind mit Eichenholzlatten verkleidet. Handläufe, Türklinken und Lampen bestehen aus Messing, Sitzflächen aus unterschiedlich farbigem Filz. Erschlossen ist die Bibliothek jetzt von der Südseite, vom Kirchenvorplatz aus, wo eine schmale, glatte, bis auf den Haupteingang mit Windfang völlig geschlossene Fassade hinzugefügt wurde. Hier, am Kirchenmarkt und an der Gebäudeostecke weist je eine zweisprachige Stele mit den beiden Schriftzügen KIRJASTO und BIBLIOTEK den finnischen Muttersprachlern wie auch der schwedischen Minderheit den Weg.

Fassade: Kupferschindeln und Glasflächen

Westseitig durch eine schmale Straße am Einkaufszentrum begrenzt, entfaltet die erweiterte Bibliothek ihre architektonische Ausdruckskraft hauptsächlich über die beiden großen, neuen Ansichten Richtung Südost und Nordost. Beide sind, wie auch die Eingangsseite im Süden, verkleidet mit voroxydierten Kupferschindeln (Nordic Brown von Aurubis), während nach Westen hin dunkle, unterschiedlich perforierte Faltbleche montiert wurden. An den geschlossenen Flächen im Süden und im Obergeschossbereich der Südostfassade sind die sechseckigen Kupferschindeln in schrägen Linien von links oben nach rechts unten montiert. Dadurch wurde ein dezentes, schuppenartiges Wellenmuster ausgebildet, das von den vertikal verlaufenden Bewitterungsspuren überlagert wird.

Die Glasfront von Café und Leselounge bildet durch ihren leichten Knick im Erdgeschoss der Südostfassade eine schmale, überdachte Zone für die Außenbestuhlung. Während diese Ansicht mit dem offen Erd- und dem geschlossenen Obergeschoss horizontal gegliedert ist, hat die Nordostfassade mit dem dahinterliegenden Hauptlesesaal und dessen außenseitig ebenfalls kupferverkleideten Betonschotten eine vielfache vertikale Taktung erfahren. Zusätzliche Dynamik bringt die Trauflinie in die Fassadenabwicklung: Sie steigt zunächst von der südwestlichen zur südöstlichen Gebäudeecke leicht an, fällt dann bis zur Ostecke, um bis zur nordöstlichen Spitze hin wieder leicht anzusteigen.

Für die Bibliothekserweiterung haben JKMM Architects 2021 einen Preis des finnischen Architektenverbandes SAFA erhalten.

Bautafel

Architektur: JKMM Architects, Helsinki
Projektbeteiligte: Teemu Kurkela, Jukka Mäkinen, Asmo Jaaksi, Samuli Miettinen, Juha Mäki-Jyllilä, Alli Bur, Sini Coker, Christopher Delany, Aaro Martikainen, Marko Pulli, Pekka Tynkkynen (JKMM Desingteam Architektur); Tiina Rytkönen, Elina Törmänen (JKMM Desingteam Innenarchitektur); WSP Finland Oy, Helsinki/Suomi (Projektmanagement); Ramboll Finland Oy, Espoo (Tragstruktur, Installationen, AV-Consulting); Insinööritoimisto Techniplan Oy, Nummela (Installationen); Helimäki Akustikot Oy, Espoo (Akustik); L2 Paloturvallisuus Oy, Helsinki (Brandschutz); Petri Vainio, Espoo (Kunstwerk Eingangshalle)
Bauherr/in: Gemeinde Kirkkonummi
Fertigstellung: 2020
Standort: Kirkkotori 1, 02400 Kirkkonummi, Finnland
Bildnachweis: Tuomas Uusheimo, Helsinki / Pauliina Salonen, Helsinki / Marc Goodwin, London u.a./ JKMM Architects, Helsinki

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Fassadenelemente

Bekleidungselemente

Goldfarben eloxiertes Aluminium am Berliner Axel-Springer-Hochhaus (1965), Architekten Melchiorre Bega, Gino Franzi, Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller

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Metalle

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