Baulicher Brandschutz und Barrierefreiheit
Gesetzliche Vorgaben und Anforderungen für Rettungswege
Die Anforderungen an Barrierefreies Bauen regelt § 50 der Musterbauordnung (MBO) bzw. entsprechende §§ in den Landesbauordnungen; im Folgenden ein Auszug:
(1) In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein; diese Verpflichtung kann auch durch barrierefrei erreichbare Wohnungen in mehreren Geschossen erfüllt werden. In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder die Kochnische barrierefrei sein. § 39 Abs. 4 bleibt unberührt.
(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein.
Beispielhaft zählt die MBO folgende bauliche Anlagen auf, für die diese Anforderungen gelten:
- Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens
- Sport- und Freizeitstätten
- Einrichtungen des Gesundheitswesens
- Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude
- Verkaufs- und Gaststätten
- Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen
Dabei werden insbesondere Anforderungen z.B. an lichte Durchgangsbreiten von Eingängen, ausreichende Bewegungsflächen, die Breite und Steigung von Rampen oder Treppen, Handläufe, Zwischenpodeste oder Toilettenräume definiert. Schutzziel der Bestimmungen ist es, die barrierefreie Zugänglichkeit baulicher Anlagen für Menschen mit Behinderungen ohne fremde Hilfe zu gewährleisten. Der Schwerpunkt liegt auf den gebäudetechnischen Voraussetzungen, die Personen mit motorischen oder sensorischen Einschränkungen eine autonome und gleichberechtigte Nutzung ermöglichen sollen. Zur zweckentsprechenden Nutzung ohne fremde Hilfe gehört auch die Möglichkeit, aktiv an der Selbstrettung mitzuwirken und auf eine Notfallsituation adäquat reagieren und z.B. den Rettungsweg selbst wahrnehmen und benutzen zu können.
Die Anforderungen an Barrierefreiheit haben deshalb Auswirkungen auf die Planung und Erstellung dieser baulichen Anlagen durch Architekten und Ingenieure und auf den nachzuweisenden Brandschutz. Detailliertere Vorgaben enthält die Normenreihe DIN 18040: Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen, insbesondere in den Teilen 1, 2 und 3, die in den meisten Bundesländern in die Liste der technischen Baubestimmungen aufgenommen sind und Ausstattungs- und Nutzungsqualitäten festschreiben.
Eigenrettung ermöglichen
Im Zusammenhang mit den Bestimmungen des baulichen und vorbeugenden Brandschutzes ist davon auszugehen, dass bei Menschen mit Behinderungen die Eigenrettung im Vordergrund steht. Ertönt in einem Gebäude ein Gefahrensignal, sollen Menschen mit Behinderungen bei regelgerechter Planung ebenso wie andere Nutzer der Flucht- und Rettungswegbeschilderung folgen, das Gebäude verlassen und sich in einem gesicherten Bereich (Sammelplatz) einfinden können. Das Erkennen einer Gefahrensituation und die richtige Reaktion setzt Kompetenzen voraus, die bei verschiedenen Nutzergruppen durchaus unterschiedlich sein können. Menschen mit sensorischen Einschränkungen – z.B. Blinde oder Hörgeschädigte – benötigen andere Orientierungshilfen als Nutzer, die Hilfsmittel für ihre Mobilität benötigen.
Bei Personen mit motorischen Einschränkungen stellt sich die Frage, ob der Weg, der sie ins Gebäude führte, auch im Fluchtfall für sie verfügbar ist. So dürfen etwa Aufzüge im Brandfall nicht mehr benutzt werden. Personen, die auf sie angewiesen sind, verlieren so die Möglichkeit zur Eigenrettung. Für diese Personengruppe ist daher ein funktionierender Gebäudegrundriss notwendig. Die öffentlichen Bereiche der Erschließung des Gebäudes müssen dafür barrierefrei sein. Der erste und – falls dieser nicht absolut sicher ist – der zweite Rettungsweg müssen über Rampen oder geneigte Wege führen, es müssen ausreichend Verkehrs- und Bewegungsflächen vorhanden, Fluchtwege stufenlos zugänglich, Türen leicht zu öffnen oder zu schließen sein.
Besonders in Gebäuden mit vielen Personen (wie in Versammlungsstätten) kann eine Auslegung der Rettungswege auf Menschen mit Behinderungen im Gefahrenfall auch allen anderen nützen und deren Flucht- und Rettungsmöglichkeiten verbessern.
Zwei-Sinne-Prinzip der Leitsysteme
Wichtig für Personen mit sensorischen Einschränkungen ist eine lückenlose Informations- und Leitsystemkette zur Warnung, Orientierung und Leitung. Dies kann durch bauliche oder anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen erfolgen. Gemäß dem „Zwei-Sinne-Prinzip“ sollen dabei mindestens zwei der drei Sinne (Hören, Sehen, Tasten) angesprochen werden. Beschilderungen, Bedienelemente und Kommunikationsanlagen müssen einfach und barrierefrei erkennbar, erreichbar, auffindbar und nutzbar sein sowie die visuelle, die auditive und die taktile Wahrnehmung erreichen können.
Bereiche für die Zwischenrettung
Ist in baulichen Anlagen, für die der § 50 der MBO nicht oder nur eingeschränkt gilt oder umgesetzt werden kann, die Eigenrettung für Menschen mit Behinderungen nicht möglich, wird empfohlen, Bereiche für die Zwischenrettung vorzusehen. Sie können z.B. als Wartebereich besonders gekennzeichnet werden. Wichtig ist Sprachkontakt zwischen den Wartenden und Helfern, um Fremdhilfe (Notruf-Kontakt) anfordern und informieren zu können. Diese Bereiche sind natürlich sowohl für Personen mit motorischer als auch sensorischer Einschränkung geeignet.
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