Aufstockung Haus S in Stuttgart

Verglaster Flachbau anstelle eines Satteldachs

Ausblick auf die Stadt, das wünschten sich die Besitzer eines Wohnhauses aus den 1930er-Jahren in Stuttgart. Eine gute Voraussetzung dafür bietet die Hanglage am Waldrand, wirklich möglich aber machten ihn die beauftragten Behnisch Architekten, indem sie das vorhandene Satteldach durch einen allseitig verglasten Flachbau ersetzten. Material und Form der Aufstockung heben sich deutlich vom Bestand ab, ohne diesen zu dominieren. Gehalten durch eine schwarze Boden- und Dachscheibe, ist der Neubau klar horizontal gegliedert; das Erscheinungsbild des massiven, weiß verputzten Altbaus hingegen prägen hohe vertikale Öffnungen mit feingliedrigen Sprossenfenstern. Das neue Obergeschoss kragt im Süden und Westen über das Erdgeschoss hinaus und erzeugt geschützte Außenräume. An der Südseite umschließt der transparente Dachaufbau einen zweigeschossigen Erker aus dem Bestand.

Das neue Obergeschoss kragt gen Süden und Westen über das Erdgeschoss hinaus
Als Aufgang zur Dachterrasse wurde eine Stahltreppe auf dem teilweise abgetragenen rückwärtigen Erker montiert (Ostansicht)
Die schwarze Bekleidung der Decke und Attika betont die Horizontalität des aufgesetzten Baukörpers

Während die unteren Geschosse (das Sockelgeschoss liegt straßenseitig im Erdreich verborgen) fast unverändert blieben, entsteht durch die Aufstockung eine lichtdurchflutete Wohnebene auf einer Fläche von rund 150 Quadratmetern. Ihr Grundriss ist offen konzipiert, durch eingestellte Boxen zoniert und von einer gläsernen Hülle umschlossen. Die Boxen beinhalten ein großes Bad, einen Ankleideraum und ein WC. Das Erkerzimmer fügt sich ähnlich wie diese als abgeschlossener Raum in die Etage. Eine raumhohe Schiebetür grenzt mittig den westlichen Schlafraum vom Wohnraum mit Lounge, Bücherecke und Arbeitsplätzen ab. An der nördlichen Talseite führt eine Außentreppe aufs Dach mit einer frei geformten Dachterrasse, die einen herrlichen Blick über die Stadt ermöglicht.

Im Wohnraum kontrastieren dunkle Holzoberflächen (Walnuss) mit weißen Wänden und Einbaumöbeln. Die Wände in den Bädern sind dunkel und glatt beschichtet, während farbige Möbel Akzente setzen. Um das Gewicht der aufgesetzten Konstruktion möglichst gering zu halten, wurde diese in leichter Bauweise aus vorgefertigten Brettschichtholzelementen errichtet. Die Fassade besteht aus einer raumhohen Verglasung, die maximalen Ausblick nach allen Seiten erlaubt. Ein außenliegender Sonnenschutz aus Metallgewebe filtert den Ausblick und schützt vor sommerlicher Überhitzung. Die neue Konstruktion genügt einer hohen Energieeffizienz, der Bestand blieb unverändert.

Flachdach
Das flache Dach des aufgesetzten Geschosses dient als Dachterrasse. Als Aufgang wurde eine Stahltreppe auf einem teilweise abgetragenen rückwärtigen Erker montiert. Das umlaufende, mehrfach geknickte Geländer ist eine Sonderkonstruktion aus sandgestrahlten Edelstahlstäben, die gemeinsam mit dem Schlosser entwickelt wurde. Die filigran-geschwungene Form bildet einen leichten Abschluss des stringenten Baukörpers.

Die Dachkonstruktion aus 20 cm starken Brettschichtholzelementen lagert auf tragenden Wänden sowie schmalen runden Edelstahlstützen vor der Glasfassade. Raumseitig lässt sich eine abgehängte Decke in Teilbereichen zur Beheizung und Kühlung thermisch aktivieren. Eine Brettsperrholzplatte (6 cm) überlagert die Brettschichtholzelemente und ragt in den Randbereichen darüber hinaus. Auf einer bituminösen Trennschicht liegt die Dampfsperre als Bitumenschweißbahn, die zugleich die Notabdichtung bildet. Die Wärmedämmung wurde zweilagig ausgeführt: Auf einer durchgehend 6 cm starken Dämmung aus Polyiso-Hartschaumplatten (PIR) wurde eine im Mittel 17 cm starke Gefälledämmung aus dem gleichen Material angeordnet. Darüber wurde die zweilagige Dachabdichtung aus Polymer-Bitumenbahnen aufgeschweißt.

Den oberen Abschluss des Flachdachs bildet in den nicht begehbaren Bereichen eine Schüttung aus azurblauem Recycling-Glassplitt. Sie stellt einen schönen Kontrast zu den Holzdielen (thermisch behandelte Esche) als Terrassenbelag dar, die mit Clipbefestigungen auf Aluminiumschienen mit höhenverstellbaren Setzlagern verlegt sind. Das Dachwasser wird nach außen in eine vorgehängte Kastenrinne geleitet und an bestehende Fallrohrpunkte angeschlossen. Die Attikaverkleidung aus gekanteten und pulverbeschichteten Aluminiumblechen verbirgt einerseits die vorgehängte Kastenrinne und den Sonnenschutz, zum anderen betonen Farbe und Form die Horizontalität des Baukörpers.

Bautafel

Architekten: Behnisch Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Knippers Helbig, Stuttgart (Tragwerksplanung); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energiekonzept), Erding Solar, Erding (Elektroplanung); Bobran Ingenieure, Stuttgart (Akustik und Bauphysik); Hils+Hils, Stuttgart (Vermessung)
Bauherr:
privat
Fertigstellung:
2014
Standort:
privat
Bildnachweis:
David Matthiessen, Stuttgart

Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

Kaltselbstklebende Bitumenbahnen

Kaltselbstklebende Bitumenbahnen

Bitumendachbahnen

Anforderungen an Bitumendachbahnen

Begehbares Dach und Vorplatz an der Casa da Musica in Porto (OMA, 2005)

Begehbares Dach und Vorplatz an der Casa da Musica in Porto (OMA, 2005)

Nutzung Flachdach

Aufbau von begeh- und befahrbaren Flachdächern

PIR-Dämmstoffplatten für Flachdächer

PIR-Dämmstoffplatten für Flachdächer

Wärmeschutz

Polyurethan-Hartschaum (PUR)

Gießverfahren

Gießverfahren

Bitumendachbahnen

Verarbeitung und Verlegung von Bitumenbahnen

Bauwerke zum Thema

Ansicht Südwest: Die neue Dachkonstruktion ist durch eine Schattenfuge vom Bestandsdach abgelöst

Ansicht Südwest: Die neue Dachkonstruktion ist durch eine Schattenfuge vom Bestandsdach abgelöst

Wohnen/​EFH

Aufstockung Haus S in Wiesbaden

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Flachdach sponsored by:
Paul Bauder GmbH & Co. KG | Korntaler Landstraße 63 | 70499 Stuttgart | www.bauder.de