Arkadenhof Rathaus in Wien

Fahrbare Membranüberdachung

Untersicht Dach

Das Rathaus von Wien ist ein eindrucksvolles neugotisches Gebäude mit einem großen Innenhof, der gerne für öffentliche Veranstaltungen genutzt wird wie Theateraufführungen, Konzerte oder Bälle. Für diese temporären Nutzungen entwickelte die Architektin Silja Tillner im östlichen Teil des Arkadenhofes (Richtung Rathausplatz) auf einer Fläche von ca. 1.000 Quadratmetern (ca. 34 x 34 m) ein verfahrbares Dach, d.h. ein Dach das geöffnet oder geschlossen werden kann, je nach Veranstaltung, Wetterlage und Jahreszeit. Für den Entwurf waren folgende Kriterien ausschlaggebend:

  • Berücksichtigung der bestehenden historischen Bausubstanz (Architekt: Friedrich v. Schmidt 1872-1884)
  • einfache Konstruktion
  • Stützenfreiheit unter dem Dach
  • Wirtschaftlichkeit
  • zeitgemäße Raumwirkung für den gesamten Hof
Dach
Oberhalb der Membranebene befinden sich Fachwerkträger, die gemeinsam mit der Membrane entlang einer Schiene auf- und zufahren. Durch die Trägerform können die Zugkräfte kurzgeschlossen und die am Rand auftretenden Kräfte minimiert werden, da das Tragwerk in sich gespannt ist.
An der Längsseite des Hofes wurden bei jedem Pfeiler Stahlkonsolen an der Mauer angebracht. Auf beiden Längsseiten des Hofes tragen die Konsolen je einen horizontalen Randträger. An diesen beiden Trägern wurden Schienen montiert, an denen das Membrandach entlang fährt, aus dem Gehäuse von der Bühne horizontal in Richtung Hofmitte. Dabei sind die Querträger und die Kehlseile separat auf Rollen gelagert. Der Antrieb erfolgt über Zahnstangen, die auf die Randträger geschweißt sind. Durch die Lage der Schienen ist es möglich, entweder den Hof oder bei Bedarf nur die Bühne zu überdachen. Der vollständige Schließ- und Öffnungsvorgang selbst dauert ca. fünf Minuten.

Die Membranebene befindet sich oberhalb der Arkaden und unterhalb des Kordongesimses. Die gefaltete Membrane bewahrt durch Grat- und Kehlseile ihre Form und hängt mittels dieser Seile von Stahlträger zu Stahlträger, wobei immer ein Seil höher, das nächste tiefer liegt (Gratseil-Kehlseil). Daraus ergibt sich eine dynamische Wellenbewegung vom Bühnenbereich zum Auditorium.

In der veranstaltungsfreien Zeit wird das Membrandach geparkt, um das Material, ein PVC-beschichtetes Polyestergewebe aus hochfestem, schrumpfarmem Polyester-Multifilamentgarn, schonend zu überwintern. Die Lichtdurchlässigkeit des gesamten Membranaufbaus beträgt 15%. Konstruktionsbedingt ergibt sich für die Membran eine Wellenfläche, die sich durch den günstigen Streuungseffekt für die ankommenden Schallwellen akustisch vorteilhaft auswirkt.

Die Entwässerung des Daches verläuft links und rechts entlang der Membrankehlen zu den Stützen. Hier wird das Regenwasser - jeweils an den Tiefpunkten der Membran - über Schläuche (Ø = 10 cm), die aus Membranmaterial bestehen, abgeleitet. Die Schläuche enden ca. 5 - 10 cm über dem Boden, wobei das Wasser in Bodenabläufe in das öffentliche Kanalnetz eingeleitet wird. Beim Schließ- bzw. Öffnungsvorgang des Daches werden die Membranschläuche mitbewegt und können im geschlossenen Zustand des Dachs bei Bedarf abgenommen werden.

Bautafel

Architekten: Silja Tillner, Wien
Projektbeteiligte: Schlaich Bergermann und Partner, Stuttgart (Ingenierbau); Vasko und Partner, Wien (Ingenierbau); Filzamer, Wien (Stahlbau); Covertex, Obing (Membranbau)
Fertigstellung: 2000
Standort: Wien
Bildnachweis: The Architectural Review, London