Agri Chapel in Nagasaki
Gotischer Entwurfsgedanke neu interpretiert
Zwei Seitenschiffe, ein überhöhtes Hauptschiff und ein Tragwerk aus feingliedrigen Spitzbögen, die in mächtigen Stützpfeilern münden: Die aus Stein und Holz gebaute neugotische Ohura Kathedrale in Nagasaki gilt als wichtiges nationales Denkmal und zieht viele Touristen an. Sie inspirierte das Team um Architekt Yu Momoeda beim Entwurf der Agri Chapel, die 2016 inmitten eines Nationalparks nordwestlich der japanischen Hafenstadt errichtet wurde. Dieses Vorbild ist der Hochzeitskapelle zunächst nicht anzusehen, denn sie präsentiert sich als weißer Kubus mit allseitig raumhohen Verglasungen und weckt kaum Assoziationen zu einem historischen Sakralbau. Das hölzerne Tragwerk im Inneren jedoch, das hier bei Tag und Nacht prächtig in Szene gesetzt wird, zieht die Blicke auf sich.
Durch die überdimensionierten Fenster dringt das Tageslicht ungehindert in den Raum. Bei Dunkelheit sind die feinen Verästelungen der baumartigen Einheiten aus Zedernholz stimmungsvoll beleuchtet. Die gestaffelte, fraktale Konstruktion wiederholt sich in sich selbst. Die im oberen Teil gleichmäßig verzweigten Stützen imitieren einen Baum, ihre Höhenstaffelung nimmt Bezug auf die konstruktive Dreiteilung eines typisch gotischen Bauwerks. Die im Grundriss zehn auf zehn Meter messende Kapelle wird durch vier symmetrische Hauptstützen unterteilt, die sich nach oben in zwei weiteren symmetrischen Ebenen bis unters Dach verzweigen. Die lebhafte Struktur bildet einen spannungsvollen Kontrast zur klaren äußeren Kubatur, die vor allem Ruhe ausstrahlt.
Die Verglasungen nehmen die halbe Gebäudebreite ein und sitzen mittig. Die Einteilung der Sprossen bezieht sich auf die drei verknüpften Tragschichten von „Bäumen“. Die Außenwände sind beidseitig mit weiß lackierten Sperrholzplatten beplankt, der Fußboden der Kapelle mit weißen Keramikfliesen ausgelegt. In dem lichtdurchfluteten, hellen Raum treten die Zedernholzträger prägnant hervor. Die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum scheinen zu verschwimmen – die Besucher bekommen das Gefühl, sich in einem Wald zu befinden, womit das Motiv des Nationalparks aufgegriffen wird.
Flachdach
Das Flachdach ist als Kaltdach
ausgeführt. Die Decke im Innenraum wurde mit Gipskarton beplankt
und weiß verputzt. Darüber sind auf einer Lattung Sperrholzplatten
verlegt, gefolgt von einer Bitumendachbahn als Dampfsperre.
Die 4 cm starke Dämmschicht wurde mit unbewehrtem Beton überdeckt.
Darauf wurden die Holzbalken in unterschiedlichen Dimensionen
aufgebracht, durch die das Gefälle des Flachdachs erzeugt wird. Den
oberen Abschluss bildet ein galvanisiertes
aluminiumbeschichtetes Stahlblech, mit dem auch die Innenseite der
umlaufenden Attika aus imprägniertem Holz bekleidet wurde.
Die weiße Beplankung der Fassade wurde bis zur Oberkante der Attika
hochgezogen, sodass lediglich die schmale Kante der Abdeckung am
oberen Gebäuderand zu sehen ist.
Bautafel
Architekt: Yu Momoeda Architecture Office, Fukuoka
Projektbeteiligte: Yukko Abe, Takayo Fuchigami (Mitarbeiter Architekturbüro); Mika Araki/Jun Sato Structural Engineers (Tragwerksplanung); Ittetsu Koga, Masaru Murayama von Koga Sekkeishitsu (Technische Gebäudeausrüstung)
Bauherr: Memolead, Fukuoka
Fertigstellung: 2016
Standort: Yotsuemachi, Nagasaki, Japan
Bildnachweis: Yousuke Harigane
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