82 Baker Street in London

Gläserner Wasserfall

Beim Ansehen alter Bilder des innen liegenden schmalen, düsteren und schmuddelig wirkenden Versorgungshofes der Londoner Baker Street 82 wird deutlich, dass Marcs Barfield Architects mit dessen Umgestaltung ein Stück Stadtraum gerettet haben. Hinter der imposanten Straßenfassade eines 1904 errichteten, sechsgeschossigen Geschäftshauses verborgen, befinden sich die Büroräume einer Werbeagentur. Sie erstrecken sich vom westlich liegenden Vorderhaus über einen nördlich anschließenden, kurzen Seitenflügel bis zu einem fünfgeschossigen Quergebäude; letztere wurden 1936 nachträglich angefügt. In dem dazwischenliegenden Innenhof, der mit einer Breite von etwa 5,50 Metern und einer Länge von knapp 20 Metern früher wie ein hoher Schacht anmutete, entstand im Rahmen einer umfassenden Sanierung ein moderner Glasbau, der die ungünstige Hofsituation deutlich aufwertet.

In die Glasscheiben ist ein halbtransparentes, weißes Gewebe einlaminiert
Durch das integrierte Gewebe scheint es, als würde Wasser an den Scheiben herabfließen, gleichzeitig schützt es vor Sonneneinstrahlung
Der gläsene Zwischenbau verbindet die Bestandsgebäude und dient Mitarbeitern und Besuchern als Treffpunkt

Die treppenförmige Konstruktion reicht über vier Etagen, wobei die unterste Ebene auf Höhe des ersten Obergeschosses ansetzt. Sie überdacht die als Fahrradparkplatz und Lieferzone offen gehaltene Hoffläche fast vollständig, nach oben hin verjüngen sich die Geschossflächen. Angepasst an die Fensteröffnungen der seitlich anschließenden Bestandsfassaden, verspringen die gläsernen Außenwände in schräg wechselnder Richtung. Die Dachverglasungen folgen dieser Struktur, den obersten Abschluss bildet ein flaches Sheddach mit fünf leicht gedrehten Pulten.

Farblich zeigt sich der Zwischenbau zurückhaltend. Die großformatigen, mit einem weißen, halbtransparenten Gewebe gefüllten Glasscheiben erinnern an hinabfließendes Wasser. Sie werden von jeweils zwei filigranen, schwarzen Profilen vertikal unterteilt, die sich auch bei den neu eingesetzten Fenstern im Bestand wiederfinden. Der elegante Einschub schmiegt sich zwischen den rötlich-gelben Klinker auf der einen und die weiß lasierten Backsteine auf der anderen Seite. Als Bindeglied zwischen den Altbauten dient er im Gebäudeinneren als Schnittstelle und Treffpunkt für Mitarbeiter und Besucher. Zwischen den drei obersten Ebenen erstreckt sich ein Atrium; zwei lange Treppen mit gläsernen Stufen verbinden die Geschosse.

Glas
Zweifachisolierverglasungen mit dem Aufbau 2 x 6 mm VSG/16 mm SZR/10 mm ESG mit einer Low-E-Beschichtung bilden die Hülle des Atriumbaus. In das äußere Verbundsicherheitsglas wurde im Bereich der Verbundfolie die Gewebestruktur einlaminiert, die als schleierartiger Schutz gegen die von Süden einstrahlende Sonne wirkt. Die Gläser der Dachflächen liegen auf Glasschwertern aus 3 x 12 mm ESG auf. Sie sind in Längsrichtung des Atriums angeordnet und stützen L-förmig biegesteif ausgebildet auch die gläsernen Außenwände. Ihre maximale Spannweite beträgt drei Meter. Alle konstruktiven Glasverbindungen zwischen den Elementen wurden als SG-Verklebungen ausgeführt. Die Sheddächer inklusive der unter ihnen angeordneten Glasschwerter werden zusätzlich von einer quer verlaufenden Stahlrohrkonstruktion getragen. Insgesamt scheint es, als würde das Dach schweben.

Die primären Tragelemente der Treppen bestehen aus Stahlprofilen; die etwa 1,10 Meter breiten Trittstufen sind wie die Glasschwerter aus 3 x 12 mm ESG gefertigt. Jeweils vier Punkthalter mit Senkkopf schließen sie an die Treppenwangen an. Ebenfalls über Punkthalter seitlich montiert, dienen thermisch vorgespannte Verbundsicherheitsgläser aus 2 x 10 mm ESG als Absturzsicherung. Im Bereich der Galerien werden sie als Brüstungsverglasung fortgeführt. Die einzelnen Elemente sind durch einen Handlauf aus Edelstahl miteinander verbunden.

Bautafel

Architekt: Marks Barfield Architects, London
Projektbeteiligte: Quadrant Harmon Consulting, London (Tragwerksplanung); Canal Enginieering, Nottingham (Glastreppe im Atrium); Cantifix, London (Verglasung Atrium); Faithdean, Kent (Generalunternehmer); Forme UK, London (Innenarchitektur)
Bauherr:
Lazari Investments Limited, London
Fertigstellung: 2015
Standort: 82 Baker Street, W1U 6TE London/UK
Bildnachweis: Hufton + Crow, Hertford

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