56 Leonard Street in New York

Wohnturm mit auskragenden Geschossdecken aus Sichtbeton

In der eng besiedelten Metropole New York City stellen Apartments in hohen Wohntürmen eine exklusive Form des Wohnens dar. Hoch über den Dächern der Stadt genießt man auf den oberen Etagen weite Ausblicke und wähnt sich weit entfernt von Autoabgasen und Verkehrslärm. Entsprechend elitär ist der Kreis der Käufer solcher Apartments: Für Penthouses oberhalb der 200-Meter-Marke zahlt man auf der Insel Manhattan zweistellige Millionenbeträge. Eine verwöhnte Kundschaft, die derart hohe Preise zahlen kann, lässt sich nur ungern mit Standardwohnungen auf Regelgeschossen monotoner Hochhauskästen abspeisen. Das Team der Baseler Architekten Herzog & de Meuron hat deswegen das Apartmenthaus 56 Leonard Street in New York als Stapel von 146 einzelnen Apartments konzipiert, von denen nur fünf einander gleichen.

Nur zehn Blocks entfernt vom New Yorker Financial District steht der Wohnturm 56 Leonard Street
Die beengten Raumverhältnisse und der enge Zeitplan setzten eine genaue Planung der Gerüste und Schalungen voraus
Als aktuell höchstes Gebäude im Stadtteil Tribeca überragt der Wolkenkratzer die Gebäude der Umgebung deutlich

Bereits 2007 hatte der New Yorker Projektentwickler Izak Senbahar den Baugrund einschließlich der für einen Wolkenkratzer notwendigen Luftrechte erworben und die Schweizer Architekten mit der Planung beauftragt. Wegen der Finanzkrise musste das Projekt aber zwischen 2008 und 2012 ruhen. Zehn Blocks nördlich des Financial District auf einem 1.162 Quadratmeter großen Grundstück an der Ecke Church Street und Leonard Street türmt sich der Wohnkomplex nun mit seinen 57 Stockwerken 253 Meter hoch auf. Als aktuell höchstes Gebäude im Stadtteil Tribeca überragt der Turm die oft nur sechsgeschossigen Häuser der Umgebung deutlich. Seinen Bewohnern beschert das atemberaubende Ausblicke – zum Teil über die gesamte Innenstadt.

Das den Baukörper bestimmende Motiv der gestapelten Wohnungen wird je nach Höhenlage auf drei Arten variiert, was zu einer Fassadengliederung führt, die an eine Säule mit Basis, Schaft und Kapitell erinnert: Die Sockelzone reicht über sieben Geschosse unterschiedlicher Höhen und wird durch tiefe Vor- und Rücksprünge in der Fassade markiert. Damit reagiert das Gebäude auf die Diversität der umliegenden Bebauung aus historischen Stadthäusern, fensterlosen Industrieblocks und vergleichsweise niedrigen Hochhäusern. Neben Lobby und Parkdecks befinden sich wenige kleinere Wohnungen und verschiedene Gemeinschaftsräume, wie das Heimkino und die hauseigene Bibliothek im Sockel. Dessen oberen Abschluss bildet ein Wellnessbereich mit Fitnessstudio und Schwimmbecken.

Im darüber liegenden, etwa 40 Geschosse zählenden Mittelteil bzw. Schaft ist der Großteil der Wohnungen untergebracht. Mit Blick auf die Fassade zeigt sich in diesem Bereich das geschlossenste Bild, da sich der Baukörper hier vergleichsweise flach gibt. Dazu tragen die umlaufend geschosshoch verglasten Fensterflächen bei, die an den Ecken punktuell zurückspringen. Auch die auf allen vier Gebäudeseiten auskragenden Balkone beherrschen hier das Bild, setzen sich aber auch in die anderen Bereiche fort.

Den oberen Abschluss des Baus bilden boxartige Volumen, die bis an die Grenzen des statisch Machbaren gegeneinander verschoben wurden. Das brachte dem Turm unter New Yorkern den Beinamen „Jenga Building" ein, benannt nach dem gleichnamigen Geschicklichkeitsspiel. Die versetzten Quader beinhalten zehn Penthouses, die teilweise ganze Etagen füllen. Die durch die Vor- und Rücksprünge in dieser Zone freigelegten Dachflächen bilden großzügige Dachterrassen. Größere Deckenhöhen von bis zu sieben Metern komplettieren das luxuriöse Raumangebot.

Die hochtransparenten Glasscheiben sind außen verspiegelt und machen die abwechslungsreiche Kubatur klar ablesbar. Anders als allgemein üblich gibt es auf allen Geschossen Fenster, die von den Bewohnern gekippt werden können, um die Wohnräume bei Bedarf natürlich zu belüften. Weil der Hausservice diese Fenster zum Reinigen öffnen kann, lässt sich die gesamte Fassade ohne den Einsatz einer Befahranlage von außen reinigen.

Gerüste und Schalungen
Sichtbeton ist das dominierende Material des Rohbaus. Auch in den luxuriös ausgestatteten Innenräumen ist er teilweise sichtbar, deswegen waren die Anforderungen an die Oberflächenqualität besonders hoch. Die in situ betonierten Deckenplatten wurden, je nach technischen Anforderungen, in fünf verschiedenen Stärken ausgeführt. Um bei den Deckenuntersichten ein besonders glattes Finish zu erzielen, wurden die Schalungen mit Folien ausgelegt, deren Falten nach dem Ausschalen unregelmäßige Rillen hinterließen. Diese verleihen der Decke eine unregelmäßige Textur, die langfristig von der erfolgten Handarbeit zeugen soll. Durch Einlagen an den Rändern der Deckenschalung wölben sich die Stirnseiten der Boden- bzw. Deckenplatten konkav nach innen und betonen dadurch den Objektcharakter.

Für die Schalungen kam das mietbare Baukastensystem eines deutschen Schalungsherstellers zum Einsatz. Besonders die Lastabtragungen an den Außenecken waren herausfordernd. Um sie zu meistern, wurden Aluminium-Deckenstützen mit Komponenten eines Schalsystems für Ingenieurbau verlängert, und so die Lasten in die darunter liegenden Bauwerksgeschosse abgeleitet. Wegen der individuellen Grundrisslösungen mussten Schalung, Verankerung und Abstützungen für jedes Geschoss neu geplant und statisch berechnet werden.

Die beengten Raumverhältnisse im Stadtzentrum und der enge Zeitplan setzten eine genaue Planung der Gerüste und Schalungen voraus. Um die Sicherheit von Passanten und Baupersonal zu allen Zeiten gewährleisten zu können, wurden mobile Kletterschutzwände eingesetzt. Die daraus konzipierte, maßgeschneiderte Einhausung konnte im Projektverlauf dem Baufortschritt folgend nach oben versetzt werden. Besonders weit auskragende Schaltische garantierten ausreichende Arbeitsräume und brachten zusätzliche Sicherheit.

Bautafel

Architekten: Herzog & de Meuron, Basel
Projektbeteiligte: Goldstein, Hill & West, New York (Ausführende Architekten); Lend Lease, New York (Baumanagement); Cosentini Associates, New York (Haustechnik-Ingenieure); WSP Cantor Seinuk, New York (Statiker); Schwinghammer Lighting, New York (Lichtplaner); Shem Wilsom & Wilke, New York (Akustikplaner); Reginald D. Hough, Rhinebeck (Beton-Berater); Veridian Energy & Environmental, Norwalk (Energieberater); Langan Engineering and Environmental Services, New York (Ingenieure Geotechnik); Gordon H. Smith, New York (Fassadenplaner); Anish Kapoor, London (Kunst am Bau); Peri Formwork Systems, New York & Peri Polska, Płochocin (Gerüst- und Schalungssysteme)
Standort: 56 Leonard Street, New York, NY 10013, USA
Bauherr: Alexico Group, New York
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Herzog & de Meuron, Basel / Iwan Baan, Amsterdam / Hufton + Crow, Hertford / Peri, Weißenhorn

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