Rathaus in Wettstetten
Flach geneigte Dächer in der Tradition des Jurahauses
Gallerie
Dass sich Wettstetten vom ursprünglich bäuerlich geprägten Dorf
in den letzten Jahrzehnten zur prosperierenden Wohnsiedlung mit
inzwischen fast 5.000 Einwohnern entwickelte, hat natürlich mit dem
nahen Ingolstadt und der dortigen Autoproduktion zu tun. Das
Wachstum findet hier aber nicht nur am Ortsrand in Form neuer
Einfamilienhäuser statt, sondern auch im Ortskern, wo sich die
Gemeinde kürzlich ein neues Rathaus, einen Gemeindesaal und soziale
Einrichtungen für die ganz Jungen und die Alten des Ortes
geschaffen hat.
Den 2009 ausgelobten Wettbewerb gewannen die Architekten Felix
Bembé und Sebastian Dellinger aus dem nicht weit entfernten
Greifenberg. Sie verteilten das Raumprogramm auf drei etwa gleich
große, frei stehende Baukörper, die in Form und Maßstab die
Bebauungsstruktur des Dorfkerns fortschreiben und sich
städtebaulich derart einfügen, dass man denken könnte, sie seien
schon immer da gewesen. Im architektonischen Detail allerdings
verhehlen sie nicht, neu zu sein.
Die Form der drei Häuser ist an den im nördlichen Oberbayern
typischen Altmühltaler Jurahäusern orientiert. Deren Dächer wurden
mit mehreren Schichten des örtlichen dunklen Solnhofener
Plattenkalks (auch Legschiefer genannt) gedeckt und sind, um dessen
Abrutschen zu verhindern, nur flach geneigt und ohne Dachüberstand
ausgebildet. Die aus Kalksteinen gemauerten Außenwände wurden mit
Kalkmörtel verputzt, mit Fensteröffnungen geizte man damals – in
Anzahl und Größe.
Von der typisch gedrungenen Kubatur ihrer Vorbilder sind auch die
drei Neubauten, die nun baulich und funktional den Ortsmittelpunkt
bilden und sich um einen gepflasterten Platz gruppieren. Ihre
Außenwände sind gemauert und ihre Dächer flach geneigt und mit
grauem Stein ohne Überstand gedeckt. Aber ebenso deutlich wie die
Gemeinsamkeiten mit dem traditionellen Jurahaus sind die
Unterschiede. Die Wände aus Ziegelmauerwerk sind lediglich mit
einer 5 mm starken Putzschlämme versehen. Fenster gibt es zahlreich
und teilweise auch in großen Formaten. Und im Erdgeschoss verbinden
sich die Foyers der drei Häuser durch raumhohe Verglasungen und
leichte Unterschnitte über den gemeinsamen Platz hinweg
miteinander.
Im mittleren Haus liegt im leicht abgesenkten Erdgeschoss der
Bürgersaal als multifunktionaler Versammlungsraum. Darüber befinden
sich zwei weitere Säle, einer für Hochzeiten und einer für die
Sitzungen des Gemeinderats. Die Rathausverwaltung mit ihren Ämtern
und Büros hat direkt neben dem Saalgebäude ein eigenes, ebenfalls
zweigeschossiges Haus erhalten. Das dritte Gebäude an der Straße
beherbergt ebenerdig die Altentagespflege und darüber eine
Kinderkrippe.
Dach
Die drei neuen Häuser haben zwar das typische Satteldach
der regionalen Jurahäuser mit flacher Neigung, aber einen leicht
außermittig platzierten First und dadurch zwei unterschiedlich steile
Dachneigungen zwischen 10 und 19 Grad. Außerdem sind sie nicht
mehrschichtig mit den ortsüblichen dünnen Kalkplatten gedeckt, wie
beispielsweise der benachbarte Pfarrhof aus dem 17. Jahrhundert,
sondern mit einfachen Betondachsteinen im grauen Farbton der
Legschieferplatten. Auf die Ausbildung eines Dachüberstandes wurde
aber auch bei den Neubauten verzichtet. Die besondere Ausbildung
der Dachentwässerung zeigt die Abbildung 18.
Dachaufbau von außen nach innen:
- Betondachstein 420/330 Steingrau
- Lattung 30/50
- trapezförmige Konterlattung, eingedichtet
- Folienabdichtung als wasserdichtes Unterdach
- Wärmedämmung mit Polyurethan-Hartschaum 120 mm
- kalt-selbstklebende Elastomer-Bitumenbahn
- Stahlbetondecke
Bautafel
Architekten: Bembé Dellinger Architekten & Stadtplaner, Greifenberg
Projektbeteiligte: Grad Ingenieurplanungen, Ingolstadt (Tragwerksplanung); IBN Bauphysik Consult, Ingolstadt (Bauphysik); Ingenieurbüro Scholl, Stammham/Appertshofen (Gebäudetechnik); Duda Bauunternehmung, Heilbronn (Maurer); Haimerl, Ebensfeld (Ausbau); Clemens Haberl Schreinerei, Wettstetten (Fassade); Arzenheimer August Elektroinstallationen, Eichstätt (Elektrotechnik); Eberhard von Angerer, München (Landschaftsbau)
Bauherr: Gemeinde Wettstetten
Standort: Kirchplatz 72, 85139 Wettstetten
Fertigstellung: 2013
Bildnachweis: Stefan Müller-Naumann, München