Martin-Luther-Haus in Bad Hersfeld
Kombinierte Flach- und Satteldachkonstruktion
Gallerie
Beim Neubau des Gemeindezentrums der evangelischen
Kirchengemeinden in Bad Hersfeld standen zwei Aufgaben im
Mittelpunkt der Planung: Einerseits musste Ersatz geschaffen werden
für das unwirtschaftliche, inzwischen abgerissene Gemeindezentrum
im Kurpark. Zum anderen galt es, den Treffpunkt kirchlichen Lebens
zurück in die historische Altstadt zu holen. Deshalb wurde das neue
Martin-Luther-Haus auf einem Grundstück unmittelbar am
Kirchplatz, zwischen zwei historischen Fachwerkhäusern realisiert.
Direkt neben ihm steht das älteste Fachwerkhaus der Stadt, das
Küsterhaus von 1452, schräg gegenüber die Stadtkirche.
Gebaut wurde das Gemeindehaus nach Plänen der ortsansässigen
Dorbritz Architekten, sie erreichten, dass auf der Hälfte der
Fläche bezogen auf das alte Gemeindezentrum, die gleichen
Funktionen aufgenommen werden können: Im Erdgeschoss sind neben dem
großzügigen Eingangsbereich Räume für eine Krabbelgruppe, für
Konfirmanden, für Senioren, ein spezieller Bereich für Jugendliche
sowie Teeküchen und Sanitärräume angeordnet. Das erste Obergeschoss
beherbergt die Kantorei und einen großen Saal für verschiedene
Nutzungen sowie eine Küche.
Das giebelständige Gebäude korrespondiert rücksichtsvoll mit der
umliegenden Bebauung, die am Kirchplatz durch steinerne
Patrizierhäuser mit Giebeln der Weserrenaissance und von
Fachwerkhäusern geprägt ist. Gleichzeitig gibt die
Fassadengestaltung eine zeitgenössische Antwort auf diese: Die
anthrazit und sandfarben gehaltenen Fassaden springen leicht vor
und zurück, verengen und weiten sich zu Durchblicken, fassen ein
und überdachen. Nach außen zum Kirchplatz hin, sind die Öffnungen
in der Fassade zurückhaltend gestaltet, nach innen zum neu
geschaffenen, geschützten Hof dagegen großzügig.
Jeder Raum im Gemeindezentrum ist durch spezifische
Raumproportionen und die besondere Anordnung der Fenster und
Öffnungen zum Außenraum gekennzeichnet. Die Kantorei etwa
orientiert sich mit einer hochformatigen Öffnung zur Stadtkirche
hin, während sich der Raum für die Krabbelgruppe zum geschützten,
geborgenen Bereich des Innenhofes öffnet. Der Raum für die Senioren
orientiert sich zum Gemeindeplatz hin und der für die Konfirmanden
an der straßenseitigen Gasse. Vom Gemeindesaal aus kann man die
Aussicht auf alle Gebäude der Umgebung genießen.
Nicht nur die Einbindung in die historische Umgebung stellte eine
besondere Herausforderung für die Planer dar. Beim Bau stieß man
zudem auf einige außerordentliche archäologische Funde, wie
beispielsweise eine Zisterne aus dem späten 13. Jahrhundert, die ab
Mitte des 15. Jahrhunderts als Abort genutzt wurde. Die Funde
verzögerten die Baumaßnahmen nicht unerheblich, sind nun aber eine
Bereicherung des Gebäudes, da ein Teil von ihnen dauerhaft dort
ausgestellt wird und Einblicke in die mittelalterliche Geschichte
Bad Hersfelds bietet.
Dach
Das Dach ist als kombinierte Flach- und Satteldachkonstruktion
ausgeführt, wobei das Satteldach die Form der umliegenden historischen
Bausubstanz aufnimmt. Über dem großen Saal wurde ein Sparrendach
errichtet. Aufgrund der nicht rechtwinklige Raumgeometrie des Saals
musste es durch Verwindung angepasst werden. Die Sparren und Grate
wurden deshalb aufwendig mit Schifterschnitten (spezieller Schnitt
für die schiefe Gehrung) hergestellt.
Aufbau des Sparrendachs:
- Dachdeckung mit Flachziegeln
- Lattung und Konterlattung
- Unterdeckbahn
- Holzverschalung
- Zwischensparrendämmung, Wärmeleitfähigkeitsgruppe 035
- Sparren 12/34 als Leimbinder
- Dampfsperre
- Lattung
- Gipskarton-Decke
Bautafel
Architekten: Dorbritz Architekten, Bad Hersfeld
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Winges & Schuster, Bad Hersfeld (Statik); Jürgen Kneipp M.A. Archäologe, Fritzlar- Züschen (Archäologie); Ingenieurbüro Bachmann, Bad Hersfeld und Centerplan, Staufenberg (HLS-Elektro); NASC Brandschutzplanung, Lich (Brandschutz); Barthel, Kassel (Bauphysik); Fleischmann, Tann/Rhön (Rohbau); Helmut Hahn, Rotenburg/Fulda (Zimmerer); S-O-W Dach, Großobringen (Dachdecker)
Bauherr: Gesamtverband der evangelischen Kirchengemeinde Hersfeld-Rotenburg, Bad Hersfeld
Fertigstellung: 2011
Standort: Kirchplatz, 36251 Bad Hersfeld
Bildnachweis: Dorbritz Architekten, Bad Hersfeld