Experimentelles Wohnhaus Même auf Hokkaido
Transluzente Fassade mit Dämmung aus recycelten Polyester-Fasern
Das ehemalige Farmgelände Memu Meadows liegt auf Hokkaido, der nördlichsten Insel Japans. Hier herrschen extreme Witterungsverhältnisse, im Winter sind -25°C möglich. Der Standort bietet daher günstige Verhältnisse für die Lixil Foundation, ein Forschungsinstitut für Umwelttechnik, das sich hier angesiedelt hat. Fast alle Einrichtungen des Instituts wurden in den bestehenden landwirtschaftlichen Gebäuden untergebracht, die dazu entsprechend modernisiert und umgebaut wurden. Nur das 80 Quadratmeter kleine Même ergänzt das Ensemble, ein experimentelles Wohnhaus, das dem rauen Klima mit Hilfe von zukunftsweisenden Strategien standhalten soll. Bei der Planung arbeiteten die Architekten von Kengo Kuma & Associates mit dem Institut für Umwelttechnik der Universität Tokio zusammen.
Gallerie
Das Haus nimmt die traditionelle Bauweise der Ainu, der Ureinwohner Hokkaidos, auf. Deren kleine Gras- und Erdhäuser mit überhängendem Walmdach heißen Chise. Sie sind mit Bambus- oder Schilfgras als Wärmedämmung umhüllt. Der Fußboden ist mit Strohmatten ausgelegt. In der Mitte gibt es eine Feuerstelle, die immer brennt. Das Prinzip dieser Bauweise ist, dass der Boden Wärme abstrahlt, die dann im Raum zirkuliert.
Das Même greift die eingeschossige Gebäudeform des Chise auf. Es wirkt dadurch wie eine kleine Scheune und fügt sich so in die ländliche Umgebung ein. Sein Material hingegen wirkt völlig ungewohnt und kontrastiert sowohl mit der eigenen Formensprache als auch mit dem Standort. Bei Tag erscheint die gesamte Hülle des Gebäudes weiß und glatt. Bei Nacht scheint das Licht aus dem Inneren durch sie hindurch und macht dadurch die Tragstruktur sichtbar.
Das Gebäude besteht im Wesentlichen aus einem einzigen großen Raum, der als Wohnraum dient. In der Mitte liegt die offene Feuerstelle. Davon sind Schlaf- und Arbeitsbereich mit Stoffbahnen abgetrennt. Bad, WC und Küchenbereich sind fest als Holzkonstruktion eingebaut. Das Badezimmer ist durch eine Glaswand vom Wohnbereich aus sichtbar.
Durch die transluzenten Außenwände sowie durch die Dachschrägen
dringt gleichmäßiges Tageslicht in den Innenraum. Dadurch entsteht
eine besondere Lichtstimmung, ähnlich der im Inneren eines Zeltes.
Einzelne Fenster mit Holzrahmen sind zusätzlich in die Hülle
eingebaut, um direkte Ausblicke zu ermöglichen. Die unmittelbare
Übertragung des natürlichen Lichts soll einen Tagesablauf im
Einklang mit dem Rhythmus der Natur begünstigen. Die Bewohner
sollen aufwachen, wenn es hell wird, und müde werden, wenn es
wieder dunkel wird.
Wärmedämmung/Konstruktion
Das Tragwerk des Même bildet eine Holzrahmenkonstruktion aus
japanischer Lärche. Eine komplett vorgefertigte, beschichtete
Außenmembran aus Polyester überzieht sowohl die Dach- als auch die
Wandflächen. Innenseitig ist die Konstruktion mit abnehmbaren
Bahnen aus Glasvlies-Stoff verkleidet. Dazwischen liegt in der
Ebene der Holzrahmen eine 10 Zentimeter dicke transparente Wärmedämmung aus Polyesterfasern,
die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt wurde.
Polyesterfaser-Dämmungen erreichen Wärmeleitfähigkeitsstufen (WLS) zwischen 041 und
034 und sind gleichzeitig durchlässig für Tageslicht. Im
Zwischenraum von Dämmung und innerer Stoffverkleidung kann die Luft
zirkulieren, und die Wärme verteilt sich gleichmäßig im
Gebäude.
Die Fundamente bestehen aus Stahlbeton, ebenso wie die
Bodenplatte. Diese ist außenseitig umlaufend mit 4 Zentimeter
dicken Polyurethan (PU)-Platten gedämmt. Die
Wärmeerzeugung für das Wohnhaus übernimmt eine geothermische
Anlage, die eine Fußbodenheizung versorgt. Der Betonboden speichert
die Wärme und gibt sie an den Raum ab. Auch im Winter muss die
Fußbodenheizung nur alle paar Tage eingeschaltet werden. Nicht nur
die Form des Même ist dem der Chise entlehnt. Mit der
Wärmeübertragung über die Bodenfläche und der Verteilung der warmen
Luft im gesamten Innenraum macht sich das Wohnhaus für die Zukunft
auch dessen Funktionsprinzip zunutze.
Bautafel
Architekten: Kengo Kuma & Associates, Tokio
Projektbeteiligte: Takumi Saikawa (Projektarchitekt); Yashushi Moribe, Showa Women’s University, Tokio (Tragwerksplanung); Bumpei Magori, Factor M / Universität Tokio (Elektroplanung); Tomonari Yashiro Labotory, Tokio (Visuelle Überwachung von Temperatur und Feuchte); Takahashi Construction, Tokio (Bauunternehmen); Kyoritsu Industries, Tokio (Hersteller Membran)
Bauherr: Lixil JS Foundation, Tokio
Fertigstellung: 2011
Standort: 158-1 Memu, Taiki-cho, Hiroo-gun, Hokkaiddo, Japan
Bildnachweis: Kengo Kuma & Associates, Tokio
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