Sozialwohnungen auf Ibiza
Baumwolle und Seegras in Wänden und Decken
Sozialer Wohnungsbau muss weder einfallslos noch konventionell daherkommen. Das zeigt auf eindrucksvolle Weise ein Projekt an der Küstenlinie der Platja d'En Bossa, südlich von Ibiza-Stadt. Das zuständige Büro 08014 arquitectura studierte im Vorfeld vernakuläre Wohnarchitektur in warmen Klimazonen, von der ibizenkischen Finca bis hin zu Häusern aus der römischen Antike und dem islamischen Raum.
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Angesiedelt in einem Umfeld von großen Hotelanlagen und anderen touristischen Anlaufstellen, sollten Wohnungen für die einheimische Bevölkerung entstehen – in unterschiedlichen Größen, erschwinglich, aber dennoch mit hoher Wohnqualität. Der freistehende, würfelförmige Neubau nutzt das 43 x 43 Meter messende und nur 5 Meter über dem Meeresspiegel liegende Grundstück maximal aus.
Die 24 Wohnungen – acht pro Geschoss – sind um vier Atrien herum organisiert. Die annähernd quadratischen Wohn- und Schlafräume sowie die Bäder liegen bandartig an den Fassaden. Dadurch verfügen sie sowohl über Fenster nach draußen als auch ins Atrium – ein wesentlicher Aspekt für den Wohnkomfort. Die ebenfalls an den Atrien liegenden Küchen verbinden die Wohnungen mit dem zentralen Treppenhaus. Jeweils vier pro Geschoss verfügen über zwei Schlafzimmer, die anderen vier haben nur einen Schlafraum. Die Anordnung der Wohnungen um die Höfe herum ließ Übergangsräume in großzügigen Abmessungen und mit guter natürlicher Belichtung entstehen, die für viele Nutzungen offen sind.
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Mit Baumwolle und Seegras gedämmt
Die Wände bestehen aus gebrannten Hochlochziegeln, deren Schallschutz und Wärmespeicherkapazität durch das Verfüllen mit Erde aus dem Aushub verbessert wurde (Thermo-clay walls). Die Oberflächen sind verputzt mit Kalkmörtel. Zudem setzten die Architekt*innen recycelte Baumwolle für die Fassadendämmung ein und für die Decken getrocknetes Seegras. Es handelt sich dabei um Posidonia oceania, eine im Mittelmeer wachsende Pflanze, die auch in der traditionellen lokalen Architektur verbreitet ist, etwa bei den klassischen ibizenkischen Fincas. Da die Bäuer*innen der Insel diese Häuschen selbst bauten, verwendeten sie dabei in der Regel Materialien, die an Ort und Stelle zu finden und mit wenig Kosten verbunden waren: Trockenstein, Sabina (Wacholder), Holzbalken für die Dächer, Sand, Ton und eben Posidonia.
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Passiv klimatisiert
Die Klimatisierung der Innenräume wird durch passive Techniken erzielt. Mit den dämmenden und gleichfalls sehr gut speichernden Materialien entsteht eine Phasenverschiebung bei der Erwärmung der Raumluft. Wiederum erlaubt die Anordnung der Wohnungen eine gute Querlüftung aller Räume. Für die Wärmeregulierung sorgen auch die unterschiedlich ausgerichteten Glasdächer und Sonnensegel der Innenhöfe. Dadurch wirken sie als Wärmespeicher im Winter und als belüftete Schattenbereiche im Sommer. Durch das offene Erdgeschoss wird warme Außenluft in das Gebäudeinnere gesogen, wo sie dann in den Atrien aufsteigt und durch das geöffnete Glasdach wieder entweicht – das ist der sogenannte Kamineffekt.
Auch Pflanzen spielen eine wichtige Rolle, um der Hitze entgegenzuwirken. Sie finden sich in den Innenhöfen, auf den Dachterrassen und im Außenbereich. Damit das Grün das trockene Klima Ibizas übersteht, wurden Arten mit geringem Wasserbedarf gewählt. Für die Bewässerung wird – ebenfalls ähnlich wie bei den alten Fincas – Regenwasser auf dem Dach gesammelt und in einer unterirdischen Zisterne gespeichert.
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Energie, Geld und Emissionen gespart
Bei vielen Nachhaltigkeits- und Energieeffizienzindikatoren übertrifft der Sozialwohnungsbau erheblich die nach geltenden Vorschriften festgelegten Werte. So beläuft sich der Verbrauch an nicht erneuerbarer Primärenergie auf lediglich 10,7 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Dies gelang unter anderem durch die Gebäudehülle mit ihrer hohen Wärmeträgheit und die Wärme speichernden Atrien. Dank solcher passiven Strategien ließ sich auf eine zentrale Heizungsanlage verzichten. Das bedeutet für die geringverdienenden Bewohner*innen erhebliche Einsparungen bei den Energiekosten.
Außerdem wurden die CO2-Emissionen, die mit den eingesetzten Materialien und Systemen verbunden sind, auf 438,91 Kilogramm Kohlendioxid pro Quadratmeter begrenzt. Das sind etwa 30 Prozent weniger als bei einem Vergleichsgebäude, das mit herkömmlichen Systemen gebaut wurde. Erreicht wurde etwa durch die Verwendung von Keramik, die in Öfen mit Biomasse gebrannt wurde, von Holz für die Balken und von Posidonia und recycelter Baumwolle für die Dämmung.
Bautafel
Architektur: 08014 arquitectura (Adrià Guardiet, Sandra Torres)
Projektbeteiligte: Societat Orgànica (Nachhaltigkeit); Àurea Acústica (Akustik); Masala Consultors (Struktur); Quadrifoli (Ingenieurwesen); Roser Vives (Agronomie); Arquitectura técnica Sequoia (Budgetkontrolle); UTE Serrano Aznar Obras Públicas, SLU - Construcciones y Desarrollos Tudmir (Bauunternehmen)
Bauherr*in: IBAVI, Institut Balear de l'Habitatge
Standort: Av. Pere Matutes Noguera 72, 07800 Eivissa, Illes Balears (Ibiza), Spanien
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: Pol Viladoms (Fotos), 08014 arquitectura (Pläne)
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