Wohnhaus in Schmergow
Thermisch effektiv und erweiterbar
In Groß Kreutz, einer kleinen Ortschaft zwischen Potsdam und Brandenburg an der Havel, realisierte das Architektur-Kollektiv c/o now im Jahr 2022 ein Projekt mit dem Titel Where the Wild Morels Grow. Durch die industriell anmutende Fassade aus Trapezblech und Sandwichpaneelen liest sich das Gebäude zunächst wie eine Scheune oder eine Lagerhalle für Werkzeuge und Landmaschinen. Öffnen sich jedoch die Tore, so kommt ein Wohnhaus zum Vorschein – ganz nach dem Vorbild der ausgebauten Gewächshäuser der französischen Architekt*innen Lacaton und Vassal.
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Wirtschaftliche Gebäude, ohne Verzicht auf Komfort und Schönheit – so der Apell Lacatons und so auch das Ziel des Kollektivs. Mit stetig steigenden Mieten wird das Leben in Großstätten wie Berlin beinahe unbezahlbar. Wer ein zusätzliches Zimmer für ein Kind oder pflegebedürftige Angehörige benötigt, zieht daher häufig aus dem Stadtring und schaut sich in der Ferne nach günstigen Möglichkeiten für den Bau eines Eigenheims um. So tat es auch die Familie, die sich an c/o now wandte, als sie ihre Charlottenburger Wohnung aufgab und ein Grundstück in Schmergow, in der Gemeinde Groß Kreutz erwarb.
Viel Fläche, für wenig Geld
Trotz des niedrigen Grundstückspreises blieb für die Planung und Ausführung des Eigenheims nur ein knappes Budget. Nach Darlegung der Kosten verabschiedete sich die Familie daher vom Traum in Beton, der ihnen insgesamt eine Fläche von 70 Quadratmetern und damit weniger Raum als ihre vorherige Wohnung geboten hätte. Der Alternativvorschlag des Kollektivs: eine kostengünstige Fertigteilhalle, die nach dem Haus-im-Haus-Prinzip Potenzial für insgesamt 400 Quadratmeter Nutzfläche bietet und flexibel an die Bedürfnisse der Familie und zukünftiger Mitbewohner*innen anpassbar ist.
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Vorgefertigte Holzbauelemente, weiße Trapezbleche und ebenso weiße Sandwich-Dachpaneele umhüllen die witterungsgeschützte, aber nicht klimatisierte Halle. Von der Straßenseite wirkt die Fassade überwiegend geschlossen, einige Stellen sind jedoch zur Belichtung und Belüftung transluzent oder öffenbar. Riesige Schiebetore, wie etwa an der Giebelseite, erlauben durch die Gebäudehülle hindurchzutreten in die gartenartige, klimatische Übergangszone zwischen Wiese und Wohnraum. Hinter den Schwellen der Tore nähert man sich auf verstreut liegenden Gehwegplatten der Terrasse mit gemustertem Fliesenbelag. Dieser zieht sich bis in den Innenraum des zweigeschossigen Kernhauses.
Flexibles Wohnen
Auf 90 Quadratmetern Innen- und 65 Quadratmetern Freifläche, in Form von Terrassen und Loggien, verteilen sich zum Planungszeitpunkt fünf Zimmer. Darunter sind eine Wohnküche sowie Arbeits- und Werkstätten. Durch die klimatische Barriere können diese auch den Freiflächen, etwa der Dachterrasse, zugeordnet werden. Umgeben ist das Haus von einer 60 Quadratmeter großen Grünfläche, die der Familie und besonders den Kindern einen Aufenthalt im Garten auch bei schlechtem Wetter erlauben. Dank der vor Wind und Regen schützenden Außenhülle kann das Wohnhaus künftig auch ohne aufwendige Abdichtungsarbeiten und Einsatz robuster Materialien ergänzt und erweitert werden; genauso kann das Volumen wieder schrumpfen.
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Die Planenden schufen eine weiche Schwelle zwischen Ein–und Mehrfamilienhaus, zwischen Innen- und Außenraum, Wohnhaus und Garten. So kann die Dachterrasse, die aktuell als vor den Kindern sichere Werkstatt genutzt wird, in Zukunft auch mit wenigen Eingriffen zum Gewächshaus oder einem Homeoffice umfunktioniert werden.
Haus-im-Haus
Während die äußere Tragstruktur als leichte Holzrahmenbau-Halle konzipiert wurde, bilden monolithische, teilweise unverputzten Dämmziegel die massive Grundlage für das zweigeschossige Kernhaus. Zum Einsatz kamen Porotonziegel, die in einer Stärke von 36,5 cm – auch ohne zusätzliche Dämmmaßnahmen – einen U-Wert von 0,21 W/(m²K) erreichen. Gemeinsam mit der äußeren Wetterhülle werden also durch simple Methoden optimale Temperaturverhältnisse geschaffen. Auch im Innenraum findet sich der Dämmziegel wieder und reguliert mit seiner großen Speichermasse sowohl Feuchtigkeit als auch die Innenraumtemperatur, was zu einem gesunden Raumklima führt.
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Durch das Zwischenklima der Halle lassen sich Anforderungen an die Wärmeleitfähigkeit der Bauteile reduzieren und die sommerliche Hitze entschärfen. Mit dem ausgefallenen Projekttitel Where the Wild Morels Grow nehmen die Architekturschaffenden nicht nur Bezug auf die natürliche Umgebung des Familienhauses; sie weisen auch darauf hin, dass der Bau, wie wilde Morcheln, frei gedeiht. Denn nachdem die Planung und Umsetzung abgeschlossen ist, kann das dreifach ausgezeichnete Haus nach Belieben seiner Bewohner*innen organisch weiterwachsen.
Bautafel
Architektur: c/o now, Berlin
Projektbeteiligte: Kränzliner Ingenieurbüro, Märkisch Linden, OT Kränzlin (Tragwerksplanung); Wienerberger, Hannover (Ziegelhersteller, Produkt: Poroton-Planziegel-T8-36,5, Planziegel-T 17,5-0,8 EB)
Bauherr*in: privat
Fertigstellung: 2022
Standort: Groß Kreutz (Havel)
Bildnachweis: Zara Pfeifer, Wien/Berlin (Fotos); c/o now, Berlin (Pläne)
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