Wasserturm in Dudelange
Umbau einer historischen Stahlbetonkonstruktion zu einem Ausstellungsort
Das Großherzogtum Luxemburg ist Sitz zahlreicher Institutionen der Europäischen Union und vor allem ein bedeutender Finanzplatz. Dass die Volkswirtschaft des kleinen Landes noch bis in die 1970er Jahre von der Schwerindustrie dominiert wurde, ist heute kaum mehr vorstellbar. Zwar gibt es die Eisen und Stahl verarbeitenden Betriebe mittlerweile nicht mehr, dennoch sind die an Erzvorkommen reichen Städte Esch-sur-Alzette und Dudelange im Süden Luxemburgs Hauptstandorte der verarbeitenden Industrie geblieben.
Gallerie
Dudelange ist mit knapp 20.000 Einwohnern die kleinere der beiden Städte. Als Wahrzeichen und Zeugnis der industriellen Vergangenheit gilt der inzwischen stillgelegte und unter Denkmalschutz gestellte 56 Meter hohe Wasserturm aus dem Jahr 1928. Acht kräftige, leicht ausgestellte Betonpfeiler tragen einen großen zylindrischen Wasserbehälter. Am Fuß des Turms steht das ehemalige Pumpenhaus, ein Backsteinbau mit großen Rundbogenöffnungen.
Stadt, Denkmalamt und Ministerium für Kultur wollten das
Gebäudeensemble nicht bloß renovieren und als Zeichen erhalten,
sondern es mit neuer Bestimmung zu einem öffentlich zugänglichen
Ort machen. Und so bestand die Aufgabe für die luxemburgischen
Architekten Claudine Kaell und Jim Clemes sowohl in der
denkmalgerechten Sanierung beider Bauwerke, als auch darin, im Turm
eine Dauerausstellung für die historische Fotoserie The Bitter
Years unterzubringen. Die mehr als 200 Bilder umfassende
Sammlung hatte der Fotograf Edward Steichen 1962 im Museum of
Modern Art in New York kuratiert. Sie zeigt das harte Landleben im
Amerika der 1930er Jahre nach der Großen Depression und gehört zum
Bestand des in Dudelange beheimateten Centre National de
l'Audiovisuel.
Eine spannende Aufgabe, die die Architekten angemessen behutsam und
dennoch formal kraftvoll umgesetzt haben. Die sichtbarste Maßnahme
ist die in die wuchtige Betonkonstruktion des Turms präzise
montierte mehrläufige Treppe aus Sichtbeton.
Mit ihren geschlossenen Geländern aus glatten Stahlblechen schwingt
sie sich um den ebenfalls neu eingefügten und betonierten
Fahrstuhlschacht herum nach oben. Der Eingang in die Ausstellung
erfolgt durch das Pumpenhaus – eine anderthalbgeschossige
rechteckige Halle aus rotem Ziegelmauerwerk. Zurückhaltend und mit
wenigen Eingriffen renoviert beherbergt sie einen einzigen großen
Raum. Er reicht hinauf ins Eisenfachwerk des flachen Satteldachs
und ist für Wechselausstellungen konzipiert. In der Flucht eines
eingeschobenen Stahl-Glas-Windfangs am Eingang verlässt man die
Halle durch einen stahlplattenverkleideten, containerähnlichen
Passagenraum in Richtung Turm. Hier angelangt, befindet man sich im
ersten, unteren Ausstellungsraum. Er ist von achteckiger Form und
weitestgehend in Dunkel getaucht. Aus ihm heraus führt der mit
Fensteröffnungen in den Schachtwänden versehene Aufzug auf
schnellem Weg nach oben. Wollte man die Treppe benutzen, müsste man
schon zuvor aus der Passage nach draußen gehen. Dort beginnt ein
Zickzackweg, der auf das Dach des achteckigen Ausstellungsraumes
mündet, wo die Treppe ihren Antritt hat.
Aufzug und Treppe enden unterhalb des alten Wasserbehälters auf
einer runden Aussichtsplattform, die mit raumhohen Verglasungen
versehen ist und gut geschützt weite Ausblicke über die Stadt
eröffnet. Von hier geht es über den letzten Treppenlauf hinauf in
die Bitter Years-Ausstellung. Der hohe zylindrische Raum ist
als Dokument seiner ursprünglichen Funktion auf ganzer Höhe
verschlossen und dramatisch dunkel geblieben. Lediglich eine oben
aufsitzende runde Himmelslaterne lässt ein wenig Tageslicht
einfallen. Analog zur ihr gewährt ein mittig platziertes Bullauge
den Blick hinab in die Tiefe des Aufzugschachts.
Beton
Die kräftige offene Stahlbetonskelettkonstruktion des alten
Wasserturms mit grober Textur und monochromer Farbigkeit wird mit
den baulichen Ergänzungen weder imitiert noch konterkariert,
sondern angemessen und spannungsvoll betont. In die Turmmitte
setzten die Architekten einen Aufzugschacht und auf die Konsolen an
den acht Pfeilern Treppenläufe aus Sichtbeton. Auf seiner
Oberfläche zeichnet sich die Struktur der verwendeten, horizontalen
Brettschalung deutlich ab. Es wird hier also kein neues, und schon
gar kein feineres oder filigraneres Material hinzugefügt, die
Oberflächen des Hinzugefügten erscheinen allerdings lebhafter. Im
zylindrischen Innenraum des früheren Wasserbehälters wird die Wucht
der Betonkonstruktion erneut erwidert: die Brüstungen der Treppe
und die Wandung des runden Bullauges sind aus vertikal geschaltem
Beton in einer geradezu übertrieben wirkenden Wandstärke
ausgeführt.
Bautafel
Architekten: Claudine Kaell Architecte, Luxemburg und Atelier d'Architecture et de Design Jim Clemes, Esch-sur-Alzette
Projektbeteiligte: Hackl Hofmann, Eichstätt (Landschaftsarchitekten), Daedalus Engineering, Heffingen, Luxemburg (Bauingenieure), Jean Schmit Engineering, Luxemburg (TGA-Fachplaner)
Bauherr: Ministère de la Culture, Service des Sites et Monuments Nationaux
Standort: Rue de Centenaire 1b, 3475 Dudelange, Luxemburg
Fertigstellung: 2012
Bildnachweis: Bohumil Kostohryz, Luxemburg; Andrés Lejona, Luxemburg
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