Mehrfamilienhaus in Zürich

Türen, so vielfältig wie die Bewohnerschaft

In der Schweiz sind allein in Genf die Wohnungsmieten höher als in Zürich. Für Abhilfe aber sorgt in der bevölkerungsreichsten Stadt der Eidgenossenschaft unter anderem die städtische Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen, kurz PWG. Statt mit ihrem Wohnraumangebot ausschließlich auf einzelne Bevölkerungsgruppen abzuzielen und so für eine weitreichende Homogenität der Bewohnerschaft zu sorgen, soll das Angebot der Stiftung dabei alle Wohnungssuchenden erreichen. Nur folgerichtig mutet es deshalb an, dass die PWG keinen standardisierten Massenwohnungsbau in ihrem Portfolio führt, sondern verschiedenste Immobilien mit vielfältigen Wohnraumangeboten offeriert. Dass auch der architektonischen Qualität ein besonderes Augenmerk zukommt, beweist etwa ein Neubau im Zürcher Stadtteil Altstetten, der unweit des Stadions Letzigrund nach einem Entwurf des Architekturbüros Edelaar Mosayebi Inderbitzin entstanden ist.

Bei aller Einfachheit wurde auf Kunst am Bau nicht verzeichnet: Über dem Eingang ist eine der Reliefarbeiten des Künstlers Christian Hörler zu sehen.
Das gestalterische Konzept, die unterschiedlichen architektonischen Elemente nicht zu integrieren, sondern vielmehr zu entkoppeln, zeigt sich bereits an der Fassade.
Wesentlich zur Kostensenkung hat aber auch der Verzicht auf eine Tiefgarage beigetragen.

Den Bedürfnissen ihrer Mieterschaft wie auch der Umwelt durch Nachhaltigkeit zu begegnen, ist es eine selbsterklärte Maxime der städtischen Stiftung, Bauten nur dann abzureißen, wenn es unumgänglich erscheint. Am Ende ihrer Lebensdauer angelangt, wurden die 1909 in der Freihofstraße errichteten Wohntrakte durch einen Neubau ersetzt, der 63 Prozent mehr Wohnfläche bietet als die Vorgängerbauten. Einige grundlegende Entscheidungen stellten dabei sicher, dass sich die Kosten für den Ersatzbau dennoch im Rahmen hielten: Indem sich die Bewohnerinenn und Bewohner im Mietvertrag zum Verzicht auf ein Auto verpflichten, konnte eine kostentreibende Tiefgarage entfallen. Als kostensenkend dürfte sich überdies erwiesen haben, dass die Kabelleitungen, nicht anders als die Rollladenkästen, auf den verputzten Oberflächen montiert und somit auch zu einem integralen Teil des gestalterischen Konzepts wurden.

Vielfalt statt Standard

Dass das Planungsteam hingegen auf eine Standardisierung, wie sie im Wohnungsbau nicht selten als Mittel der Wahl zur Kostensenkung gilt, verzichtete, wird beim Betreten des wasserblauen Hauses, dem auch die Ortbetonbalkone allein vorgestellt scheinen, deutlich. Auf insgesamt sechs Etagen, von denen eine als Hanggeschoss ausgeführt wurde, während eine weitere, zurückgestaffelt, die Attika bildet, findet sich vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Wohnungstypen verschiedenster Größe. Insgesamt 33 Wohnungen verteilen sich auf die Geschosse: vom Apartment mit eineinhalb Zimmern bis zu großen Wohnungen, die zusätzlich zur Wohnküche nicht weniger als fünf Räume bieten. Sollte sich überdies noch Besuch einstellen oder ein Projektraum benötigt werden, können die Bewohnerinnen und Bewohner zwei zumietbare Einzelzimmer in Anspruch nehmen.

Gemeinschaftliche Räume nehmen einen hohen Stellenwert ein: Zusätzlich zum Garten dienen die Wasch- und Trockenräume sowie der Reparaturraum für Räder als Begegnungsorte. Die übersichtliche Erschließung und zwei weitere Eingänge auf dem Gartengeschoss ermöglichen den Bewohnerinnen und Bewohnern Zugang zum gemeinschaftlichen Garten sowie Spielplatz und sorgen für ein einfaches Auffinden der drei großen Fahrradräume. Zudem ergänzen zwei Dachterrassen das Außenraumangebot mit Garten und Lauben.

Türen: Niedrig und füllig, schlank und licht

Dass sich dieser architektonische Pluralismus bis ins Detail fortsetzt, findet den deutlichsten Ausdruck in den Türen, die in Breite und Höhe variieren. Dass sich dahinter mehr als das Bemühen um einen allein visuellen Witz verbirgt, legen schon die Überlegungen der amerikanischen Postmoderne nahe – hatten deren Protagonisten doch betont, dass gerade die Tür, jenseits der bloßen Funktion, als anthropomorph bestimmtes Bauelement immer auch auf die menschliche Nutzerschaft verweise. Umso mehr trägt der Neubau in der Freihofstraße einer Gegenwart Rechnung, die Normierungen zu hinterfragen sucht, wie sie sich nicht zuletzt in einer durch Bauentwurfslehre, Gesetzestext und industrielle Fertigung geprägten Architektur verewigt finden. -ar

Bautafel

Architektur: Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten, Zürich
Projektbeteiligte: WKP Bauingenieure, Zürich (Ingenieurplanung); Ospelt Haustechnik, Vaduz (Haustechnik)
Wichser Akustik & Bauphysik, Zürich (Bauphysik); Christian Hörler, Wald (Kunst am Bau)
Bauherr/in:
Stiftung PWG der Stadt Zürich
Fertigstellung:
2019
Standort: 9048 Zürich, Schweiz
Bildnachweis: Roland Bernath, Zürich

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